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Ausbaubremse Artenschutz gelöst? Regierung präsentiert Eckpunkte

Die Bundesregierung macht Tempo, um den Konflikt zwischen Ausbau der Windenergie an Land und dem Artenschutz zu lösen. Statt wie bislang geplant das Thema erst im Sommerpaket anzugehen, haben Wirtschaftsminister Robert Habeck und Umweltministerin Steffi Lemke schon jetzt ein Eckpunktepapier vorgelegt, dessen Vorschläge bis zum Sommer in Kraft treten sollen.

Das schnellere Tempo begründeten die beiden Minister mit dem Krieg Russlands gegen die Ukraine, die eine schnellere Unabhängigkeit von Energieimporten erforderlich mache. Eigentlich, räumte Habeck ein, habe man sich mehr Zeit nehmen wollen, um „die Diskussionsstränge Wind und Artenschutz, die sich unglücklich verknotet“ hätten, zu entwirren. Doch es sei schon jetzt „unter Hochdruck“ gelungen und das konform mit dem Europarecht. „Windenergie und Artenschutz sind keine Gegner, sondern Alliierte“, so Habeck.

Einheitliche Standards für gefährdete Arten, Signifikanz und Tabubereiche

Um das zu erreichen, sollen künftig bundeseinheitliche, gesetzliche Standards für die Prüfung und Bewertung regeln, wieweit eine Windenergieanlage das Kollisionsrisiko für gefährdete Vogelarten signifikant erhöht (Signifikanzprüfung). Diese Standards sollen im Bundesnaturschutzgesetz (BNatSchG) festgelegt werden. Unter anderem ist vorgesehen, dass die Bewertung des Kollisionsrisikos für gefährdete Vogelarten mit Windenergieanlagen anhand einer abschließenden bundeseinheitlichen Liste von 16 kollisionsgefährdeter Brutvogelarten erfolgt.

Darüber hinaus sollen zukünftig artspezifische Tabubereiche in genau definiertem Abstand zum Brutplatz sowie ein zusätzlicher Prüfbereich berücksichtigt werden müssen. Die Anforderungen an die Nachweise im Prüfbereich werden allerdings vereinfacht. Außerhalb des Prüfbereichs soll keine weitere Prüfung mehr erforderlich sein. Habeck betonte: „Abweichende Regelungen der Länder sind bis auf wenige Ausnahmen nicht mehr möglich.“ Fledermäuse bleiben hingegen Ländersache.

Zumutbarkeitsschwelle für Vermeidungsmaßnahmen

Mit Blick auf Vermeidungsmaßnahmen wird eine Zumutbarkeitsschwelle für die Projektentwickler festgelegt, in der Regel bei sechs Prozent der jährlichen Erzeugung, an besonders windhöffigen Standorten (ab 100 Prozent des Referenzertrags) können im Einzelfall auch höhere Ertragsverluste (bis acht Prozent) zumutbar sein.

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Außerdem sollen artenschutzrechtliche Ausnahmen für die Genehmigung von Windenergieanlagen an Land zukünftig einfacher und rechtssicher erwirkt werden können. Liegen die dafür festgelegten Anforderungen vor, ist dann eine Ausnahme ohne behördliches Ermessen zu erteilen.

Repowering wird erleichtert

Das Repowering von Windenergieanlagen an Land soll erleichtert werden, indem die zeitaufwendige Alternativenprüfung entfällt. Bestehende Vereinfachungen aus dem Immissionsschutzrecht sollen dafür ins Naturschutzrecht überführt und konkretisiert werden.

Landschaftsschutzgebieten (LSGs) für die Windenergie an Land sollen künftig für grundsätzlich Windenergie nutzbar sein, bis das im Koalitionsvertrag vorgesehene Flächenziels für Windenergie an Land in Höhe von zwei Prozent der Bundesfläche erfüllt ist. Die konkrete Flächenausweisung obliegt dabei nach wie vor den zuständigen Planungsbehörden.

Für Artenhilfsprogramm sollen auch Betreiber zahlen

Umweltministerin Steffi Lemke betonte, dass ein Ausgleich für den Naturschutz geschaffen werde, indem ein Artenhilfsprogramm zur Stärkung des Naturschutzes eingerichtet werden. Zur Finanzierung werde der Bund 80 Millionen Euro beitragen, ein weiterer Teil soll von Windenergiebetreibern kommen, die eine naturschutzfachliche Ausnahmeregel nutzen. Hier würden die konkreten Regelungen noch erarbeitet, so Lemke. „Als nächsten Schritt werden wir jetzt zügig den im Koalitionsvertrag vereinbarten Pakt mit den Ländern umsetzen, um die Behörden vor Ort besser mit Personal und technischer Infrastruktur auszustatten.“

Verbände fordern: keine neuen Hürden

Bundesverband Erneuerbare Energie und Bundesverband Windenergie begrüßten in einer ersten Stellungnahme die rechtsverbindliche Standardisierung im Artenschutz. „Ob die Auswahl der hier künftig erfassten 16 Vogelarten wissenschaftlich basiert erfolgte, ist noch nicht nachvollziehbar“, kritisierte Hermann Albers, Präsident des BWE, allerdings. Die Bestandsentwicklung zahlreicher dieser Arten sei seit Jahren deutlich positiv, Kollisionen an Windenergieanlagen nachweislich seltene Ereignisse. „Neben Vogelarten wäre auch für die Fledermausarten eine bundeseinheitliche Vorgabe erforderlich“ forderte er außerdem. Die Schaffung neuer Tabubereiche, zusätzlicher Prüfbereiche oder Zumutbarkeitsschwellen für Abschaltungen lehnten die Verbände indes ab.

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