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BDI: 732 TWh Wind- und 235 TWh Solarstrom werden 2045 gebraucht 

Der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) hat gerade zusammen mit der Boston Consulting Group (BCG) die Studie „Klimapfade 2.0“ veröffentlicht. Mitgliedsverbände des BDI und Experten legen damit einen Umsetzungsvorschlag für den Umbau zu einem klimaneutralen Industrieland vor. Um die Klimaschutzziele bis 2045 zu erreichen, sind Mehrinvestitionen in Billionenhöhe und schon für das Etappenziel bis 2030 Investitionen von rund 860 Milliarden Euro erforderlich. Die Kooperationspartner präsentieren damit eine detaillierte Machbarkeitsstudie, wie sich auf nationaler Ebene in den vier Sektoren Industrie, Verkehr, Gebäude und Energiewirtschaft die ehrgeizigen Klimaschutzziele einer Reduktion der Treibhausgase um minus 65 Prozent bis 2030 und Treibhausgasneutralität im Jahr 2045 erreichen lassen.

BDI-Präsident Siegfried Russwurm sagte bei der Vorstellung der Studie in Berlin, Deutschland laufe die Zeit davon; politische Grundsatzentscheidungen zur Umsetzung der Klimaziele seien überfällig. „Deutschland braucht jetzt einen großen Aufbruch mit einem historischen und schnellen Wirtschaftsprogramm für die Zukunft des Standortes.“

Analysen von BCG zeigen: Für die kommende Bundesregierung heißt es, umzusteuern und schnell Impulse für einen Investitionsturbo zu setzen – insbesondere für einen massiven Aus- und Neubau von Strom-, Wasserstoff- und Ladeinfrastrukturen, für die Erzeugung erneuerbaren Stromes und Wärme, für Elektromobilität und Schienennetze. Dabei stehen nicht ausschließlich monetäre Aspekte im Vordergrund, sondern auch die schnelle Umsetzung, zum Beispiel durch deutlich straffere Planungs- und Genehmigungsverfahren. Gleichzeitig müssen auf dem Weg zur Treibhausgasneutralität 2045 die Weichen für neue internationale Energiepartnerschaften für den Import grüner Energieträger gestellt werden, ebenso wie für signifikante CO2-Senken.

„Einfache Antworten greifen angesichts der komplexen Transformationsaufgabe zu kurz“, sagte Patrick Herhold, verantwortlicher BCG-Partner und Co-Autor der Studie. „Deutschland braucht so schnell wie möglich einen breiten Instrumentenmix mit übergreifenden und sektorspezifischen Maßnahmen, um zügig Infrastruktur aufzubauen, fossile Brennstoffe zu verteuern, erneuerbare Technologien günstiger und die Kosten für Bürgerinnen und Bürger sowie Unternehmen tragbar zu machen. Nur so kann die Transformation zu einem klimaneutralen Land gelingen.“

In der Studie werden insgesamt 21 zentrale politische Instrumente für die Umsetzung der notwendigen Klimaschutzmaßnahmen sowie weitere Vorschläge präzisiert, damit der komplexe Veränderungsprozess ohne soziale und ökonomische Brüche ablaufen kann. „Dem globalen Klimaschutz wäre nicht gedient, wenn die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen und der europäischen Industrie auf der Strecke bliebe“, unterstrich der BDI-Präsident. „Wollen wir global Vorbild dafür werden, dass Klimaschutz und Wohlstand vereinbar sind, müssen wir im Alltag beweisen, dass und wie es uns gelingt.“ Dabei sollten nationale und europäische Pläne konsistent sein.

Die Studie zeigt auf, dass die staatliche Unterstützung der Transformation und der Ausgleich für besonders belastete private Haushalte und Unternehmen bis 2030 bis zu 280 Milliarden Euro netto in Anspruch nehmen werden – nach Abzug der Einnahmen aus einer höheren CO2-Bepreisung. „Das finanzielle Ausmaß der Transformation ist historisch, aber nicht ohne Beispiel. Gemessen am deutschen Bruttoinlandsprodukt liegen die notwendigen staatlichen Ausgaben für Klimaschutz zum Beispiel knapp bei der Hälfte des Aufbaus Ost“, so Jens Burchardt, BCG-Klimaexperte und Co-Autor der Studie.

Herausforderung für energieintensive Industrie

Energieintensive Unternehmen stehen bei der Modernisierung ihrer Produktionskapazitäten vor der extremen Herausforderung, mittelfristig deutlich höhere Betriebskosten für CO2-arme Produktionsverfahren und CO2-freie Energieträger finanzieren zu müssen. Zugleich wird im Jahr 2030 der Strombedarf in der Industrie durch die Elektrifizierung industrieller Wärmeprozesse um 63 Terawattstunden steigen. Das ist mehr als der heutige Strombedarf der Schweiz pro Jahr. Dieser Trend wird sich bis 2045 noch verstärken.

Die Studie zeigt: Der frühzeitige und ambitionierte Ausbau der Lade- und Wasserstofftankstelleninfrastruktur stellt die zentrale Voraussetzung für den Hochlauf vollelektrischer Pkw-Neuzulassungen auf 90 Prozent und elektrischer und brennstoffzellenbetriebener Lkw auf über 70 Prozent im Jahr 2030 dar. Trotz dieser umfangreichen Elektrifizierung der Neufahrzeuge und des Ausbaus des Schienenverkehrs werden auch 2030 mehr als 30 Millionen Pkw mit Verbrennermotor auf der Straße sein. Die Erreichung des Emissionszieles wird daher auch Anreize für den Einsatz von strombasierten Kraftstoffen und Biokraftstoffen im gesamten Verkehrssektor erfordern.

Für den Gebäudesektor gilt zur Erreichung der Klimaschutzziele eine Minderung der CO2-Emissionen um 46 Prozent bis 2030 im Vergleich zu 2019. Hierfür ist eine beispiellose Erhöhung der energetischen Sanierungsrate auf 1,9 Prozent (von heute etwa 1,1 Prozent) sowie bei Reinvestitionen, wo immer möglich, der Austausch von Öl- und Gasheizungen durch lokal emissionsfreie Lösungen wie Wärmepumpen, Fernwärme oder Quartierslösungen nötig. 

BCG analysiert: Die Bedienung einer um mehr als 40 Prozent höheren Stromnachfrage 2030 bedarf einer Verdoppelung des EEG-Ausbaupfades von Wind und Photovoltaik, einer Ausbauoffensive der Stromnetze sowie einer Flexibilisierung des Verbrauchs. Zusammen mit der Dekarbonisierung der Fernwärme erfordern die Maßnahmen für den Energiesektor insgesamt Investitionen von 415 Milliarden Euro bis 2030. Das ist knapp die Hälfte der insgesamt in diesem Zeitraum erforderlichen Klimaschutzinvestitionen. „Wir brauchen eine Revolution in Sachen Planungs- und Genehmigungsverfahren und eine Flächenquote, die Gemeinden in die Pflicht nimmt, Flächen für erneuerbare Energien zur Verfügung zu stellen“, sagte BCG-Klimaexperte Burchardt.

Des Weiteren muss zur Erreichung der Emissionsziele die Kohleverstromung deutlich früher auslaufen – im Zielpfad der Studie bereits bis 2030. Bei dieser vorgezogenen Entwicklung sollte die Politik die Beibehaltung der Sozialverträglichkeit und Strukturentwicklung gewährleisten. Um die Versorgungssicherheit aufrecht zu erhalten, ist eine Verdoppelung der Gaskraftwerksleistung notwendig. „Das Kraft-Wärme-Kopplungsgesetz allein wird für die benötigten ‚Wasserstoff-ready‘-Kraftwerke nicht ausreichen. Der Zubau neuer gesicherter Leistung ist nur durch die Vergütung von Kapazitätsbereitstellung denkbar“, so Herhold.

Durch die umfassende Elektrifizierung von Straßenverkehr, Gebäuden und Industriewärme wird Deutschland seine Energieabhängigkeit vom Ausland reduzieren. Trotzdem werden bis 2045 für schwer dekarbonisierbare Anwendungen wie in Stahl, Chemie und Flugverkehr Importe von ungefähr 433 Terawattstunden grünen Wasserstoffs und strombasierter Kraftstoffe benötigt – in Euro ungefähr die Hälfte des Wertes heutiger fossiler Importe. 

Der Fachverband VDMA Power Systems ist einer der Unterstützer der Studie – Geschäftsführer Dennis Rendschmidt sagt, als Technologieanbieter habe der Energieanlagenbau eine wichtige Aufgabe bei der Gestaltung des Weges zur Klimaneutralität in Deutschland bis zum Jahr 2045.  „Im Bereich der erneuerbaren Stromerzeugung müssen bei der Windenergie an Land 98 GW und auf See 28 GW bis zum Jahr 2030 installiert sein.“ Zur Sicherstellung des kontinuierlichen Zubaus der Windenergie müssten vor allem die Genehmigungslage und Flächenverfügbarkeit verbessert werden. 

Während der Strombedarf sowie auch der Wasserstoffbedarf bis 2045 deutlich steigen, sinkt der Primärenergieverbrauch.

BDI

Während der Strombedarf sowie auch der Wasserstoffbedarf bis 2045 deutlich steigen, sinkt der Primärenergieverbrauch.

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