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Ertragsoptimierung

Mehr Windstrom ernten durch bessere Betriebsführung

Katharina Garus

Alle Welt redet über Lidar-Geräte – und darüber, was diese Fernerkundungssysteme alles zur Betriebsoptimierung beitragen können. Doch kaum jemand spricht über Spinneranemometer, die eigentlich Ähnliches können – und dabei deutlich günstiger sind als Lidar-Geräte.

Einer, der das gerne ändern würde, ist Gerhard Schirmacher. Er ist Geschäftsführer der Reservice Betriebsführung GmbH aus Pinneberg. Als einer der kleineren technischen Betriebsführer für Windenergieanlagen versucht das Unternehmen, sich durch besondere Leistungen von der Konkurrenz abzuheben. Auf der Suche nach einer Möglichkeit, seinen Betreibern Mehrerträge zu bescheren, kam Schirmacher das Spinneranemometer gerade recht.

Technologie aus Dänemark

Es misst den Wind dort, wo er zum ersten Mal auf die Windenergieanlage trifft: an der Nabenspitze, dem Spinner. Der Vorteil einer Windmessung an dieser Stelle ist, dass der Wind gemessen wird, bevor der Rotor die Windrichtung und die Turbulenzen des anströmenden Windes verwirbelt. Beim Gondelanemometer, das hinter dem Rotor auf dem Maschinenhaus installiert ist, ist genau das der Fall.

Entwickelt wurde das Spinneranemometer ursprünglich an Dänemarks Technischer Universität DTU (ehemals Risø). Die Patentrechte hat das Unternehmen Romo Wind übernommen – und mit ihnen die Vermarktung des Spinneranemometers iSpin. Und nach wie vor bietet Romo das einzig verfügbare Spinneranemometer auf dem Markt an.

Das iSpin arbeitet mit drei am Spinner montierten Ultraschallsensoren, die die Metek Meteorologische Messtechnik GmbH liefert. Zum einen messen die Sensoren die Windgeschwindigkeit. Zum anderen können sie aber auch Gondelfehlstellungen detektieren. Denn wenn der Rotor in Bezug auf den Wind korrekt positioniert ist – also senkrecht zur Windrichtung –, misst jeder Sensor dieselbe Windgeschwindigkeit während einer kompletten Umdrehung des Rotors. Trifft der Wind aber bei einer Gondelfehlausrichtung in einem anderen Winkel auf den Rotor, erfasst jeder Sensor zyklisch variierende Windgeschwindigkeiten. Da die Amplitude dieser zyklischen Windgeschwindigkeitsabweichung proportional zum Winkel der Schräganströmung ist, lässt sich darüber die konkrete Gondelfehlausrichtung ermitteln.

Mehrerträge für Betreiber

Genau das war der Ansatzpunkt für Gerhard Schir­macher. „Die Gondelfehlstellung ist der am einfachsten zu messende und gleichzeitig der am leichtesten zu korrigierende Fehler“, sagt er. Dabei hat Reservice vor allem bei älteren Anlagen häufig und deutliche Gondelfehlausrichtungen festgestellt. Bei mehreren Vestas-Anlagen vom Typ V80 hat der Betriebsführer Fehlstellungen zwischen 7 und 11 Grad detektiert. Ein französischer Windpark mit Senvion-Anlagen vom Typ MM92 schnitt teilweise noch schlechter ab. Hier wurden Fehlstellungen bis zu 15 Grad aufgedeckt, die durch den Einsatz von Spinner­anemometern korrigiert werden konnten (siehe Text ganz unten).

Mit dem Projekt in Frankreich bestätigt Reservice die Erfahrungen, die bereits in anderen Windparks gemacht wurden – und die Versprechen von Hersteller Romo Wind. So hat eine unabhängige Überprüfung der Technologie durch den DNV GL 2015 einen durchschnittlichen Mehrertrag von 2 Prozent ergeben, erreicht durch die Korrektur von Gondel­fehlausrichtungen. Die Energiekontor AG hat 2016 im Windpark Thüle durch die Korrektur von Fehlstellungen über Spinneranemometer eine Ertragssteigerung von im Schnitt 3,2 Prozent erzielt. Und Romo selbst hat im Windpark Sustrum/Renkenberge sogar eine Ertragssteigerung von 7,7 Prozent erreicht. Allerdings war in dem Fall die Gondelfehlstellung mit bis zu 22 Grad auch extrem hoch – und damit logischerweise auch der erzielbare Mehrertrag.

Daten für die Optimierung

Die Korrektur der Gondelfehlstellung ist jedoch nur eine Anwendungsoption für das Spinneranemo­meter. Die durch das System zusätzlich generierten Daten eröffnen durchaus Spielräume für weitere Anlagenoptimierungen. So ist das Spinneranemo­meter ebenso wie das Lidar zur Leistungskurvenvermessung zugelassen. Auch lassen sich die gewonnenen Daten im Zuge der Laufzeitverlängerung nutzen.

„Wir bieten mittlerweile mehr als nur eine Korrektur der Gondelfehlauslegung“, sagt Jens Müller-Nielsen, Geschäftsführer der Romo Wind Deutschland GmbH. Denn durch die genauere Ausrichtung der Gondel lassen sich nicht nur Mehrerträge generieren, sondern auch Belastungen durch Turbulenzen reduzieren. Das wiederum reduziert die Risiken beim Weiterbetrieb.

Und noch ein Problem lässt sich mit Spinner­anemometern lösen: Manche Windenergieanlagentypen messen im Stillstand zu geringe Windgeschwindigkeiten. Vor allem wenn Anlagen häufig gedrosselt werden müssen, entgehen dem Betreiber dadurch Erträge. Denn dann wird bei der Spitzabrechnung von einer Windstärke ausgegangen, die unter der realen liegt. Auch dieses Beispiel zeigt: Je mehr Daten einem Betreiber vorliegen, desto mehr Möglichkeiten zur Anlagenoptimierung eröffnen sich ihm. 

Anwendungsbeispiel

Um unbefriedigenden Erträgen auf den Grund zu gehen, hat ein Betreiber in Frankreich (Loire-Atlantique) auf Anraten der Reservice Betriebsführung GmbH Ende 2016 ein iSpin-System an einer Senvion MM92 mit 2,05 MW installiert. Das System hat eine hohe Gondelfehlstellung von 14,5 Grad detektiert. Durch die geschlossene Bachmann-Steuerung konnte jedoch ohne Mitwirkung von Senvion nicht einfach ein Korrekturfaktor angewendet werden.

Stattdessen hat Romo Wind das System iSpin yaw implementiert. Dieses übergibt Windrichtungssignale direkt aus dem iSpin an die Turbinensteuerung. Um die Auswirkungen zu analysieren, hat Reservice über einen Testzeitraum hinweg stündlich zwischen der Steuerung über iSpin und der Steuerung über das Gondelanemometer umgeschaltet. Die Auswertung ergab für den Messzeitraum eine Ertragsverbesserung um 4,4 Prozent.

Inzwischen wurde die iSpin-Steuerung auf Dauer aktiviert. Und auch alle anderen Anlagen des Windparks wurden mit iSpin-Steuerungen ausgestattet.

Anzumerken ist, dass in Frankreich andere rechtliche Bedingungen für die Windenergie gelten als in Deutschland. Das Vorgehen lässt sich daher nicht ohne weitere Prüfungen auf Deutschland übertragen.

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