Springe auf Hauptinhalt Springe auf Hauptmenü Springe auf SiteSearch

Neue Chance für Biogas? Wasserstoff aus Schweinegülle!

Grüner Wasserstoff gilt als der Hoffnungsträger in der Energie- und Mobilitätswende, ist aber noch Mangelware. Doch das soll bald vorbei sein - sagen zumindest Forschende der TU Graz. Sie haben gemeinsam mit dem Grazer Start-Up Rouge H2 Engineering im Projekt Biogas2H2 in einer industrienahen Demonstrationsanlagen hochreinen Wasserstoff aus echtem Biogas erzeugt - inklusive aller Verunreinigungen, die im Gas vorhanden sind.

Projekt basiert auf „Chemical-Looping Hydrogen-Methode“

Das Projekt basiert auf einem Verfahren, das das Team 2020 entwickelt hat, die sogenannte „Chemical-Looping Hydrogen-Methode“. Nun sei sie erstmals in eine bestehende Biogasanlage eingebunden worden, heißt es in einer Presseinformation der TU Graz. „Es entsteht hochreiner Wasserstoff für Brennstoffzellen aus realem Biogas, und zwar nicht nur im Labor, sondern tatsächlich im industriellen Maßstab“, erläutert Viktor Hacker vom Institut für Chemische Verfahrenstechnik und Umwelttechnik der Hochschule. Das reale Biogas – Methangas aus Schweinegülle, Glycerinphase, Silomais und Getreideresten – stammt von der südsteirischen Ökostrom Mureck GmbH.

Am Firmengelände in Mureck haben Rouge H2 Engineering und die TU Graz im Sommer 2021 die Demonstrationsanlage errichtet und bis Ende Oktober zu Testzwecken betrieben. Die 10-Kilowatt-Anlage zweige dabei etwa ein Prozent des Biogasstroms ab (etwa 30 Liter pro Minute) und vermische das Gas mit Wasserdampf, beschreiben die Forscher das Verfahren. Das Gemisch strömt in den Reaktor der Anlage. Dort wird das Biogas reformiert und Synthesegas hergestellt. Dieses Gas reduziert in weiterer Folge Eisenoxid zu Eisen. Dann kommt Wasserdampf in den Reaktor, der das Eisen wieder zu Eisenoxid reoxidiert. Dabei wird Wasserstoff mit einem Reinheitsgrad von 99,998 Prozent frei.

„Technologie ist reif für den industriellen Einsatz“

Mit diesem Eisen-Wasserdampf-Prozess werde ein Wirkungsgrad von 75 Prozent erreicht: „Würden wir anstelle des einen Prozents den gesamten Biogasstrom der Murecker Biogasanlage, etwa 480 Kubikmeter pro Stunde, durch eine entsprechend hochskalierte Chemical-Looping-Anlage leiten, kämen wir sogar auf eine 3-Megawatt-Wasserstoffproduktionsanlage“, betont Rouge H2 Projektleiter Gernot Voitic. „Das bedeutet, die Technologie ist nun reif für den kommerziellen Einsatz.“ Man könne auch im großen Maßstab dezentralen Wasserstoff aus realem Biogas herstellen. Alles, was es brauche, sei ein wenig Platz für die Anlage.

Diese Art der dezentralen Herstellung wirke sich auch positiv auf den Produktions- und somit auf den Einkaufspreis des Wasserstoffs aus. Dazu Hacker: „Derzeit wird Wasserstoff an der Tankstelle mit 10 Euro/kg angeboten. Die techno-ökonomischen Analysen, die Teil unseres Forschungsprojekts sind, prognostizieren für unser Verfahren einen kompetitiven Wasserstoffpreis von 5 Euro/kg für dezentral produzierten Wasserstoff.“ Damit sei das Verfahren gegenüber anderen Technologien wie z.B. der Elektrolyse konkurrenzfähig (5-12 Euro/kg Wasserstoff).

Druck in der Anlage zu niedrig zum Tanken

Noch aber bleiben Fragen offen. So müssen wasserstoffbetriebene Fahrzeuge müssen laut Vorgaben derzeit mit 700 bar Druck betankt werden, „um möglichst viel Wasserstoff in einen möglichst kleinen Tank reinzubekommen und so eine attraktive Reichweite zu erlangen“, erklärt Viktor Hacker. Die Chemical-Looping-Anlage erzeugt Wasserstoff mit einem Druck von bis zu 100 bar, was für eine Betankung nicht reicht. Den Wasserstoff auf 700 bar zu komprimieren, sei sowohl knifflig als auch teuer. „Irgendwo muss diese Verdichtung erfolgen, entweder direkt am Herstellungsort oder spätestens bei der Tankstelle, die man freilich auch mit abgefülltem Wasserstoff beliefern könnte. Die Kosten werden anfallen, und damit sind wir wieder beim Tankpreis.“

Technisch notwendig sei diese Verdichtung nicht: Brennstoffzellen-Fahrzeuge könnten prinzipiell auch mit nur 2 bar Druck fahren – nur eben nicht sehr weit, so Hacker. Daher würde sich die dezentrale Wasserstoffproduktion direkt bei Biogasanlagen für kürzere Fahrtstrecken anbieten, etwa für Wasserstoff-Traktoren - die es derzeit am Markt noch gar nicht gibt - oder für wasserstoffbetriebene Lagerfahrzeuge wie etwa Gabelstapler.

Andere Möglichkeiten der Nutzung von Wasserstoff „ab Biogasanlage“ wären etwa die Abfüllung in Gasflaschen zum weiteren Transport, die Verlegung von Wasserstoffleitungen direkt zu mit Brennstoffzellen ausgestatteten Wohnhäusern oder die Nutzung in industriellen Prozessen. (kw)

Sie wollen bei dem Thema Wasserstoff auf dem Laufenden bleiben? Dann abonnieren Sie doch unseren Newsletter. Hier geht‘s zur Anmeldung!

Zum Weiterlesen:

Erste Anlage für CO2-freies Kerosin eingeweiht

TU Dresden entwickelt Schwungradspeicher in neuer Dimension

Trianel und Stadtwerke Hamm gründen gemeinsames Wasserstoffzentrum