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Fachartikel

Offshore-Windenergie in Deutschland: Die verflixten 3,9 Cent

Die niedrige Grundvergütung ist kein Anreiz für die deutsche Offshore-Industrie, ihre Parks lange laufen zu lassen. Teure Reparaturen an älteren Anlagen unterstützen diese Tendenz.

Hintergrund:

Jede Offshore-Windenergieanlage in deutschen Hoheitsgewässern bekommt in den ersten Jahren eine relativ hohe Vergütung für jede erzeugte Kilowattstunde. Das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie schreibt dazu: „Im Basismodell erhalten die Betreiber für die ersten zwölf Jahre eine erhöhte Förderung von 15,4 Cent pro Kilowattstunde (kWh). Diese Frist kann verlängert werden, wenn die Windenergie-Anlagen in Wassertiefen von mehr als 20 Metern und in einer Entfernung von mehr als zwölf Seemeilen von der Küste errichtet werden. (…) Alternativ können sich die Betreiber von Offshore-Windanlagen auch für das sogenannte Stauchungsmodell entscheiden. Mit ihm erhalten Betreiber eine höhere Anfangsförderung als im Basismodell (19,4 statt 15,4 Cent/kWh), allerdings nur für einen verkürzten Zeitraum von acht Jahren.“

Der Betrieb der Offshore-Windparks während der ersten Jahre bringt erheblich mehr Geld pro Kilowattstunde als die späteren Jahre: „Nach dem Anfangsförderungszeitraum sinkt die Förderung auf den Grundwert von 3,9 Cent je Kilowattstunde.“ Dazu zwei Rechenbeispiele:

Rechenbeispiel: Lange Anfangsvergütung

Ist ein Offshore-Windpark relativ weit von der Küste entfernt und/oder liegt in relativ tiefem Wasser, dann kann sich der Zeitraum der erhöhten Anfangsvergütung um einige Jahre verlängern, zum Beispiel um sechs Jahre. Wird also vom Windpark-Betreiber das Stauchungsmodell gewählt, so erhält er in diesem Rechenbeispiel:

  • die ersten 8 Betriebsjahre lang 19,4 Cent/kWh (Anfangsvergütung)
  • die nächsten 6 Betriebsjahre 15,4 Cent/kWh (Küstenentfernung und Wassertiefe)
  • ab dem 15. Betriebsjahr 3,9 Cent/kWh  

Bei hypothetischen 20 Betriebsjahren sähe dies dann bei langer Anfangsvergütung so aus:

Rechenbeispiel: Kurze Anfangsvergütung

Liegt ein Offshore-Windpark innerhalb der 12-Seemeilen-Zone und in Wassertiefen unter 20 Meter, dann verlängert sich der Zeitraum der erhöhten Anfangsvergütung nicht. Wird also vom Windpark-Betreiber das Stauchungsmodell gewählt, so erhält er in diesem Rechenbeispiel:

  • die ersten 8 Betriebsjahre lang 19,4 Cent/kWh (Anfangsvergütung)
  • ab dem 9. Betriebsjahr 3,9 Cent/kWh

Bei kurzer Anfangsvergütung sähe dies so aus:

Kurze hohe Anfangsvergütung - © Schmagold
Kurze hohe Anfangsvergütung

Genau hier liegt das Problem, die Vergütung von 3,9 Cent pro Kilowattstunde wird - wenn überhaupt - nur genügen, um die Betriebskosten zu decken. Besonders Wartung, Reparatur und Versicherungskosten fallen offshore deutlich stärker ins Gewicht als bei einem Windpark onshore:

Betriebskosten mit Wartung und Reparaturkosten. - © BET
Betriebskosten mit Wartung und Reparaturkosten.

Liegen die Betriebskosten schließlich im Bereich der Einnahmen, nur knapp unter den Einnahmen oder sogar darüber, so wird der Betrieb des Offshore-Windparks eingestellt, sobald die Zeit der erhöhten Anfangsvergütung vorbei ist. Und der potenzielle Wiederverkaufswert der dann gebrauchten Windenergieanlagen ins Ausland ist nach acht oder zehn Jahren auch noch deutlich höher als nach 20 Jahren.

Weil in den späten Betriebsjahren die Reparatur- und Wartungskosten steigen, könnten die 3,9 Cent/kWh einfach nicht mehr genügen, falls es keine anderen Deckungsbeiträge gibt. In den späten Betriebsjahren steigen die Wartungs- und Reparaturkosten erfahrungsgemäß sogar an, dies zeigt die nachfolgende vereinfachte Darstellung einer sogenannten Badewannenkurve:

Betriebskosten sind zu Beginn und im späteren Verlauf hoch. - © Schmagold
Betriebskosten sind zu Beginn und im späteren Verlauf hoch.
Blenden wir die hypothetische Badewannenkurve in die Vergütungstabellen ein, so ergibt sich dieses Bild für diejenigen Offshore-Windparks mit einer langen Anfangsvergütung. - © Schmagold
Blenden wir die hypothetische Badewannenkurve in die Vergütungstabellen ein, so ergibt sich dieses Bild für diejenigen Offshore-Windparks mit einer langen Anfangsvergütung.
Und dieses Bild ergibt sich für diejenigen Offshore-Windparks mit einer kurzen Anfangsvergütung. - © Schmagold
Und dieses Bild ergibt sich für diejenigen Offshore-Windparks mit einer kurzen Anfangsvergütung.

Spätestens ab dem 17./18. Betriebsjahr würde Verlust gemacht, abhängig von den jeweiligen Betriebskosten und der jeweiligen Dauer der erhöhten Anfangsvergütung auch schon ab dem 9. Betriebsjahr. Die Anlagen würden in diesem Fall zurückgebaut oder gegebenenfalls repowert, um in den Genuss der dann geltenden EEG-Vergütung, genauer die neue erhöhte Anfangsvergütung, zu kommen.

Die Aufgabe für die Politik besteht darin, sich auf eine derartige mögliche Entwicklung des Betriebs von Offshore-Windparks nur in der Zeit der erhöhten Anfangsvergütung einzustellen oder Wege zu finden, diese Entwicklung so mitzugestalten, dass sie nicht nur betriebswirtschaftlich, sondern auch volkswirtschaftlich sinnvoll ist.

Autor: Dr. Philipp Schmagold, Projektentwickler für Onshore-Windparks der Ebert Erneuerbare Energien-Unternehmensgruppe, Lehrbeauftragter der FH Kiel im Bereich regenerative Energien und ein Fan der Windenergienutzung on- und offshore.

Quelle der Grafik Betriebskosten-Offshore:

http://www.et-energie-online.de/Zukunftsfragen/tabid/63/NewsId/548/Betriebskosten-als-Werttreiber-von-Windenergieanlagen--aktueller-Stand-und-Entwicklungen.aspx

Quelle der Grafik zur sogenannten Badewannenkurve:

http://www.8p2.de/downloads/99-05-05_euwec-zuverlaessigkeit_de_bh.pdf

Quelle zum Abschnitt des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie:

https://www.bmwi.de/BMWi/Redaktion/PDF/E/eeg-faktenblatt-windkraft-auf-see,property=pdf,bereich=bmwi2012,sprache=de,rwb=true.pdf