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Wasserstoff: Liefern Bakterien die Energie von morgen?

Katharina Wolf

Wasserstoff gilt dank seiner vielfältigen Einsatzmöglichkeiten und seiner Speicherfähigkeit als einer der Schlüssel zu einer emissionsfreien Energieversorgung. Doch die Produktion ist nur dann klimaneutral, wenn dabei keine CO2-Emissionen entstehen, wenn also die eingesetzte Energie aus erneuerbaren Quellen kommt.

Forscher der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel (CAU) haben nun einen neuen Weg gefunden, grünen Wasserstoff zu produzieren: mit Hilfe von Photosythese und Bakterien.

Das Team um Wissenschaftlerin Kirstin Gutekunst hat dazu ein bestimmtes Cyanobakterium untersucht. Es ist in der Lage per Photosynthese für wenige Minuten solaren Wasserstoff produzieren. Im normalen Stoffwechsel verbraucht die Zelle das Gas im Anschluss direkt wieder. Dem Forscherteam ist es nun gelungen ein Enzym der lebendigen Cyanobakterien, eine sogenannte Hydrogenase (von ‚hydrogen’, Englisch: Wasserstoff) so an die Photosynthese koppeln, dass das Bakterium über lange Zeiträume solaren Wasserstoff produziert und nicht wieder verbraucht.

Cyanobakterien als Wasserstoff-Fabriken

Ebenso wie sämtliche Grünpflanzen seien auch Cyanobakterien in der Lage, Photosynthese zu betreiben, schreiben die Forscher. In der Photosynthese wird Sonnenenergie genutzt, um Wasser zu spalten und die Energie chemisch zu speichern – vor allem in Form von Zucker. In diesem Prozess durchlaufen Elektronen sogenannte Photosysteme, in denen sie in einer Kaskade von Reaktionen schließlich den universellen Energieträger Adenosintriphosphat (ATP) und sogenannte Reduktionsäquivalente (NADPH) hervorbringen. ATP und NADPH werden anschließend benötigt, um CO2 zu fixieren und Zucker zu produzieren.

Die für die Wasserstoffproduktion benötigten Elektronen sind also normalerweise Teil von Stoffwechselprozessen, die den Cyanobakterien gespeicherte Energie in Form von Zucker zur Verfügung stellen. Das Kieler Forschungsteam hat einen Ansatz entwickelt, um diese Elektronen umzuleiten und den Stoffwechsel der lebendigen Organismen primär zur Herstellung von Wasserstoff anzuregen.

„Das von uns untersuchte Cyanobakterium nutzt die Hydrogenase, um den Wasserstoff aus Protonen und Elektronen zu gewinnen“, sagt Gutekunst. „Die Elektronen stammen dabei aus der Photosynthese. Uns ist es gelungen, die Hydrogenase so an das sogenannte Photosystem I zu fusionieren, dass die Elektronen bevorzugt für die Wasserstoffproduktion genutzt werden, während der normale Stoffwechsel in geringerem Umfang weiterläuft.“ Auf diesem Weg stellt das veränderte Cyanobakterium deutlich mehr solaren Wasserstoff her als in bisherigen Experimenten.

Produktionsprozess kann dauerhaft ablaufen

Ähnliche Ansätze zur Wasserstoffproduktion mit Fusionen aus Hydrogenase und Photosystem existierten bereits in vitro, also außerhalb von lebenden Zellen im Reagenzglas oder auf Elektrodenoberflächen in photovoltaischen Zellen. Problematisch sei dabei allerdings, dass diese künstlichen Ansätze in der Regel kurzlebig sind, so Gutekunst. Die Fusion aus Hydrogenase und Photosystem muss aufwendig immer wieder neu erstellt werden.

Der nun vom CAU-Forschungsteam eingeschlagene Weg habe dagegen den großen Vorteil, potenziell unbegrenzt zu funktionieren. „Der Stoffwechsel der lebenden Cyanobakterien repariert und vervielfältigt die Fusion aus Hydrogenase und Photosystem und gibt sie bei der Teilung an neue Zellen weiter, so dass der Prozess im Prinzip dauerhaft ablaufen kann“, betont Projektleiterin Gutekunst. „Mit unserem in vivo Ansatz ist es erstmals gelungen, eine solare Wasserstoffproduktion über eine Fusion aus Hydrogenase und Photosystem in der lebenden Zelle zu realisieren“, so Gutekunst weiter.

Herausforderung: Wohin mit dem Sauerstoff?

Ganz problemfrei läuft der Prozess allerdings bislang nicht: Die Hydrogenase werde derzeit in Anwesenheit von Sauerstoff deaktiviert. Die in den lebendigen Zellen weiterhin ablaufende ‚normale’ Photosynthese, bei der im Zuge der Wasserspaltung auch Sauerstoff entsteht, hemmt also die Wasserstoffproduktion. Um den Sauerstoff zu entfernen oder dessen Entstehung zu minimieren, werden die Cyanobakterien für die Wasserstoffproduktion momentan teilweise auf die sogenannte anoxygene Photosynthese umgestellt. Sie basiert jedoch nicht auf Wasserspaltung. Zurzeit stammen die Elektronen für die Wasserstoffproduktion daher teilweise aus der Wasserspaltung und teilweise aus anderen Quellen. Langfristiges Ziel des Kieler Forschungsteams ist es aber, ausschließlich Elektronen aus der Wasserspaltung für die Wasserstoffgewinnung zu nutzen.

Perspektive für die Energie der Zukunft

Der neue in vivo Ansatz biete insgesamt eine vielversprechende neue Perspektive, um die photosynthetische Wasserspaltung zur Produktion von klimaneutralem, grünen Wasserstoff zu etablieren und so die nachhaltige Energiegewinnung voranzubringen, urteilen die Forscher. Die weitere Erforschung der Stoffwechselwege von Cyanobakterien in Gutekunsts Gruppe soll mittelfristig insbesondere den Wirkungsgrad der solaren Wasserstoffproduktion weiter steigern.

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