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„Ab 2025 schon Made in USA“

Tilman WEber

Erster kommerzieller großer Meereswindpark der USA könnte Vineyard in Massachusetts mit 800 Megawatt werden, der ab 2023 einspeisen soll. Ob Präsident Joe Biden mit einem Konjunkturpaket auch die weiter reichenden Gigawattpläne der Industrie konkret werden lassen kann, analysiert Liz Burdock, Chefin der US-Off­shore-Windkraft-Vereinigung. Ein Gespräch am Rande der Offshore-Konferenz Windforce in Bremerhaven.

Pläne für Offshore-Windparks vor den Küsten der USA entwickeln sich nun so schnell, dass vielleicht nicht einmal Sie die jüngste Gigawattsumme angekündigter Projekte immer kennen. Was ist ihre Abschätzung?

Liz Burdock: Ganz so unsicher sind wir nicht: Kommerziell strukturierte Projekte sind nun 17 in der Pipeline. Für eine Teilkapazität davon mit mehr als 14,6 Gigawatt existiert bereits ein sogenanntes Government funded financial Assistance Arrangement – ein durch die Regierung abgesicherter Finanzierungsweg – ob als Power Purchase Agreement …

… ein langjähriger Stromabnahmevertrag …

Liz Burdock: … ein PPA, ja, oder als Finanzierungsmechanismus auf Basis der Renewable Energy Credits. Insoweit besteht also eine Absicherung der Vergütung entweder durch Bezahlung für die Stromproduktion oder durch finanziellen Ausgleich, wenn zwischen den Strom-Kilowattstundenpreisen im Handel und den Erzeugungskosten ein negatives Delta, eine Lücke entsteht. Das gerne verkündete Volumen der von allen Bundesstaaten zusammen als Ziele aufgerufenen Erzeugungskapazität ist 40 Gigawatt groß. Im Vergleich dazu hat die Bundesregierung in Washington einen Ausbau von 30 Gigawatt bis 2030 beschlossen. 32 Gigawatt sind durch Einzelstaatengesetze grundsätzlich abgesichert.

Nur grundsätzlich? Klingt zurückhaltend …

Liz Burdock: Nach bisher sieben errichteten Turbinen in zwei Pilotwindparks hat mit Vineyard Wind nur ein einziges Projekt die komplette Genehmigung zum Bau und einen finalen Finanzierungsbeschluss durch die Investoren. Dort begann nun die ­Installation der Umspannstation an Land. Im Frühjahr 2022 wird der Bau der Offshore-Umspannstation mitsamt Kabelverlegung im Meer folgen. Danach finden Turbinenerrichtungen statt, die in der Walzugsaison pausieren. Ab 2023 speisen erste Turbinen ein.

Kurz nach Beginn seiner Präsidentschaft hat Joe Biden private jährliche Investitionen von zwölf Milliarden Dollar in die Offshore-Windkraft infolge eines 30-Gigawatt-Ausbaus vorgerechnet. Im Kongress, den beiden Parlamentskammern, verfehlte er allerdings die nötige Unterstützung für ein Billionen-Dollar-Paket zum Beleben der von Corona-Pandemiemaßnahmen getroffenen Wirtschaft. Biden musste Zuschüsse für Meereswindenergie vertagen. Ist die Zerbrechlichkeit politischer Zusagen ein Problem der US-Offshore-Windkraft?

Liz Burdock: Es sind zwei entscheidende Gesetzesinitiativen. Die Infrastrukturgesetzgebung, zwei Billioen US-Dollar schwer und von beiden Parteien im Kongress unterstützt, sorgt auch für Geld für neue Hafeninfrastruktur zur Offshore-Windpark-Errichtung, für Übertragungsnetze und für Forschung. Der Initiative wird zugestimmt werden, auch wenn sie sich zuletzt verzögerte. Die zweite, 3,5 Billionen Dollar zum Ausgleich sozialer Folgen der Corona-Pandemie, verspricht viel weiteres Geld für saubere Energie. Drin sind 30 Prozent Steuererleichterungen für die Offshore-Windkraftindustrie und andere Erneuerbaren-Technologien, Geld für Netzinfrastruktur und eine Steuerförderung der Herstellung von Erneuerbaren-Anlagenkomponenten sowie ebenso für die Häfen. Die Unterstützer der zweiten Initiative wollen über beide Programme zusammen abstimmen lassen. Bis 31. Oktober sollten die Entscheidungen fallen. Präsident Biden will mit beiden Paketen beim Weltklimagipfel COP 26 im November in Glasgow seinen Handlungswillen im Klimaschutz nachweisen. Allerdings wollen konservative Demokraten wie auch die oppositionellen Republikaner weniger Geld ausgeben.

Könnte ein Aus der Pakete den Offshore-
Windkraft-Ausbau der USA verlangsamen?

Liz Burdock: Nicht verlangsamen! Die Programme würden das sich erst aufbauende Tempo stark beschleunigen. Die ersten Häfen und Komponenten-Fertigungsanlagen könnten dann in zwei Jahren bereitstehen. Und bis 2025 oder 2026 ließen sich die US-Offshore-Windparks schon ohne aus Europa eingeführte Komponenten bauen.

Welchen Faktor sehen Sie als Haupttreiber für die US-Offshore-Windkraft?

Liz Burdock: Die Einzelstaaten. Die Regierungen von 50 Staaten verfolgen Nationale Energieprogramme. 10 davon wollen 2050 eine kohlenstofffreie Zukunft erreichen: netto null CO2-Emissionen. Das lässt sich nur mit Offshore-Windkraft erreichen, weil diese als einzige Erneuerbaren-Technologie in Stromversorgerdimension erzeugen lässt und Jobs für die Zukunft im großen Stil sichert. Auch sind Energieversorger durch Gesetze gezwungen, immer mehr ihres Handelsstroms aus Erneuerbaren-Quellen zu nehmen. Führende Player sind hier Dominion, Eversource und National Grid …

Gibt es noch Unsicherheiten, die Ihr Land die 30 Gigawatt Offshore-Windkraft bis 2030 verfehlen lassen könnten?

Liz Burdock: Wir werden viele Unternehmen brauchen, die auch von außen in den US-Markt eintreten, um Lieferketten aufzubauen. Das gilt insbesondere für Zulieferer der zweiten und dritten Ordnung. Viele US-Unternehmen sind noch skeptisch. Sie verstehen die Entwicklungs-Zeitabläufe noch nicht, wollen zwar in den Markt, lernen aber, dass sie geduldig sein müssen.

Wir müssen auch noch mehr Übertragungsnetzkapazität bereitstellen. Im Nordosten gibt es schon Kapazität für den Anschluss von 10 Gigawatt Meereswindkraft. Aber wir brauchen auch eine Backbone-Netzinfrastruktur – die für die großräumige Aufnahme und Verteilung des Offshore-Windstroms notwendigen Leitungen und Netzknoten. Es fehlt am Training der Menschen, die auf See arbeiten sollen. Andererseits sind einige Voraussetzungen da: Die Kapazitäten der Errichtungsschiffe werden o.k. sein. Wir haben unsere Lektionen aus frühen – gescheiterten – Projekten wie Cape Wind gelernt. Wir kennen nun die Konfliktebenen, auf denen ein Ausgleich der Interessen verhandelt werden muss. Und das BOEM – das Bureau of Ocean Energy Management als zentrale Genehmigungsbehörde – macht einen guten Job. 

Liz Burdock

Präsidentin-Und-CEO-im-Business-Network-for-Offshore-wind, führt die Wirtschaftsvereinigung für Offshore-Windkraft in den USA seit ihrer Gründung im Jahr 2013, an der sie als Mitgründerin beteiligt war. Das gemeinnützige Netzwerk hat sich den Aufbau einer Offshore-Windkraft-Lieferkette in den USA als Ziel gesetzt.

Weitere Informationen: offshorewindus.org

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