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Kommentar: Was uns der beste Windstrom-Juni im Flautehalbjahr lehrt

Ausgerechnet im saisonüblichen Flaute-Juni, einem physikalisch windkraftwidrigen Moment im Jahresverlauf, erzeugten die Windenergieanlagen an Land und im Meer nun ein Stromeinspeisevolumen von erstmals im sechsten Jahresmonat mehr als zehn Terawattstunden (TWh). 10.490,3 Gigawattstunden (GWh) oder 10,49 TWh verzeichnete das Stromstatistikportal Energy-charts.de.

Bisher überschritt die Windkrafterzeugung diese statistische Schwelle fast nur in den Sturm- und Brisen-reichen Herbst-, Winter- und ersten Frühjahrsmonaten. Von September bis April, nur ausnahmsweise auch einmal im Mai und einmal mit 10,06 TWh im außergewöhnlich windreichen Juli 2023 konnte die Erzeugung schon den zweistelligen TWh-Bereich erreichen. In den Windkraft-Bestmonaten schwoll das Einspeisevolumen sogar häufiger auch auf 15 und mehr Terawattstunden – bis knapp über 20 TWh! In den wärmeren, windärmeren Monaten aber, zu denen in manchen Jahren auch Mai und September gehören, fielen die Werte noch bis im vergangenen Jahr meist auf nur rund sechs bis wenig mehr als sieben TWh zurück. Noch bis 2022 gehörten zu den Sommertiefstwerten sogar Absacker auf etwas über vier TWh. So wechselten sich Juni, Juli sowie August mit den schlechtesten Jahreswerten auf solch Tiefst-Niveau verlässlich ab.

Wie bedeutend die Windstromerzeugung auch in Sommermonaten nun offenbar ausfallen kann, belegt der Juni 2025 aber auch noch anhand eines anderen Vergleichs: So speisten Windenergieanlagen an Land mit jeweils gerundet 8,64 TWh an Land und 1,85 TWh auf See zusammen sogar erstmals nach 2020 wieder mehr Grünstrom in die Stromleitungen ein, als im selben Monat die Photovoltaik (PV). Das ist bemerkenswert, denn die PV hat in den vergangenen Jahren einen besonders starken Ausbau erfahren. Und der Juni ist immerhin der Mitsommer-Monat mit dem höchsten Sonnenstand. Und die PV-Module erzeugten mit 10,27 TWh etwa 2 TWh mehr als bei den bisherigen beiden besten deutschen PV-Juniernten von 2024 und 2023. Dennoch übertraf die Windkraft dieses Mal die PV.

Dass die Windstromerzeugung ausgerechnet im Juni 2025 so anschwoll, ist natürlich auch wetterabhängiger Zufall. Zugleich darf es als ein ironischer Wink der Natur verstanden werden. Denn 2025 ist bisher eigentlich ein Jahr der Windkraftschwäche: Nachdem der im Vergleich zu vorangegangenen Januar-Stromernten noch gute erste Monat 15,38 TWh Windstrom eingebracht hatte, folgten vier Monate mit Windkraftergebnissen im Bereich von nur knapp sieben bis kaum mehr als neun Terawattstunden.

So darf der Juni als Monat gelten, in dem der Windkraftausbau auf Basis der Ampel-Politik zu einem gewaltigen Erntesprung geführt hat. Die sogenannte Ampelregierung des vorigen Bundeskanzlers Olaf Scholz mit ihrer gemäß Parteifarben rot-gelb-grünen Koalition aus SPD, FDP und Grünen hatte durch ihre beherzte Erneuerbare-Energien-Gesetzgebung die Errichtungen von vielen sehr großen und leistungsstarken Windturbinen bundesweit ermöglicht. Höhenbegrenzungen fielen. Einige Bundesländer und ihre Gerichte machten sogar sofort neue Flächen von bestehenden Blockaden für Projekte mit modernsten Windkraftanlagen frei. Mit neuem Mut ausgestattete Behörden beschleunigten Genehmigungen. Insbesondere kamen auch sehr junge Windparkvorhaben schon zum Zuge, weil die Signale aus dem Bund so eindeutig dafürsprachen. Und nun genügte offenbar ein nur wenig auffrischender Juni-Wind: Hieraus gewann der technisch stark aufgebesserte Windturbinenbestand plötzlich so viel mehr Windstrom.

Tilman Weber

Nicole Weinhold

Tilman Weber

Auch das Gesamt-Grünstrom-Ergebnis war im Juni 2025 dadurch beeindruckend. Mit 25,82 TWh Grünstrom schwoll die deutsche klimaneutrale und nachhaltige elektrische Erzeugung im Vergleich zum Vorjahresmonat um ein Viertel an. Im Juni 2024 war die Grünstromerzeugung noch einmal nur knapp über der 20-TWh-Marke verharrt. Mit ihrem neuen Juni-Bestwert erzeugten die Erneuerbare-Energien-Anlagen inklusive Wasserkraft sogar dreimal so viel Elektrizität wie konventionelle Kraftwerke. Und die seit dem ersten Atomkraft-freien Jahr 2023 immer sehr hohen Netto-Stromimporte dieses Monats fielen auf nur noch 1,2 TWh zurück.

Zur Windstrom-Monatsbilanz 06/2025 gehört aber mehr als diese rein erfreuliche Statistik. Das Juni-Strommix-Ergebnis enthält nämlich auch einen systemischen Teil, aus dem sich ein Weckruf zum Handeln für die Branche ergibt.

Denn die neue schwarz-rote Bundesregierung unter dem heutigen Kanzler Friedrich Merz verlangt, dass die Erneuerbaren systemische Verantwortung für die Stromerzeugung übernehmen sollen. Im Koalitionsvertrag von CDU/CSU und SPD heißt es, die Regierung wolle durch Regelungen dafür neu ausgerichtete Elektrizitätsmärkte entstehen lassen. Dadurch sollten Erneuerbare-Energien-Anlagenplaner den PV- und Windkraftzubau bestmöglich so ausrichten, dass die Versorgung über die Stromleitungen besonders stabil und verlässlich ausfällt, zum Beispiel dank Zubau von Windturbinen im Einklang mit vorhandenen oder geplanten Stromnetzen. Flexible Stromeinspeisungen, um Erzeugung und Verbrauch aufeinander abzustimmen, oder um gute und gleichmäßige Strom- und Spannungsfrequenzen zu garantieren, sind ein weiteres genanntes Ziel. Auch Zeiten negativer Strompreise wollen die Koalitionäre durch Marktreformen senken, den Ausbau von Stromspeichern zur Verstetigung und Dosierung der Grünstromeinspeisung anregen oder durch Sektorenkopplung den Strom in andere Energieträger umwandeln, die in den Sektoren Verkehr, Industrieproduktion und Wärme- oder Kälteversorgung zum Einsatz kommen.

Noch lässt die Bundesregierung konkrete Regelungsentwürfe für diese systemische Gestaltung der Energiewende vermissen. Akteure der Erneuerbaren-Branche zeigen sich ungeduldig: „Batteriespeicher – lost in Regulation“, frei übersetzt: netzdienliche Batteriespeicher verloren in falscher, unschlüssiger oder Nicht-Regulierung, so überschrieb beispielsweise das Juristenduo Kerstin Henrich und Sebastian Helmes der Beratungsgesellschaft Dentons seinen Vortrag am Dienstag beim Branchentag NRW im nordrhein-westfälischen Neuss. Henrich und Helmes schilderten eindrücklich, inwiefern beim netzdienlichen Batterieeinsatz verschiedenstes widersprüchlich und damit noch nichts wirklich rechtlich geregelt ist.

Die Erneuerbaren-Branche und ganz speziell ihre Windenergie-Abteilung müsste in dieser Situation das Juni-Ergebnis zum Anlass nehmen, um die verlässliche Versorgung mit Grünstrom als eine ihrer wichtigsten aktuellen Anliegen zu vertreten. Wenn sogar schon die schwächsten Monate des Jahres dank der hohen Erzeugungskapazitäten und der fortgeschrittenen Technik von Windkraft und PV zu einer so klaren Grünstromdominanz führen, muss schnell ein umfassender Markt für alle Grünstrom-Produkte und für alle Grünstrom-Systemdienstleistungen entstehen.

Um bald wirklich den Ton vorzugeben, müsste die Grünstrom-Branche künftig auch selbst monatlich bilanzieren und erklären können, wann es warum Unterdeckungen im Stromnetz gab, wann die Preise doch wegen eines Erzeugungsüberschusses in die Negativpreiszone gerutscht sind, es zu oft sogar Geld fürs Stromverbrauchen gibt. Und warum es in eigentlich windstarken Monaten wie zuletzt so wenig Windstrom gab – und wie eine zukunftsgerechtere Ausstattung unserer Energieinfrastruktur trotzdem mehr Erneuerbaren-Stromnutzung zulassen könnte.