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Lager für Last und Gegenlast

Wälzlager in Getrieben von Wind-
turbinen sind essenziell für einen reibungsarmen Betrieb. Ein Ausfall des Lagers führt zum Stoppen der Anlage und bringt hohe Reparaturkosten mit sich, da ein Austausch aufwändig ist. Besonders die Lager der letzten Getriebestufe, also die der schnell drehenden Welle, fallen frühzeitig aus. Der Ansatz im Forschungsprojekt Dy-Rex des Fraunhofer-Instituts für Windenergiesysteme (Fraunhofer-Iwes) ist es, die Axiallast der Lager durch einen Aktuator zu regeln, um die Vorspannung zu verändern. Für unterschiedliche Betriebszustände, wie sie in einer Windturbine herrschen, soll somit immer ein Optimum für das Lager eingestellt werden können.

Erstes Forschungsziel ist ein besseres Verständnis der Lasten und ihrer Wirkung: Ein Wälzlager im Getriebe einer Windenergieanlage wird nicht immer unter konstanten, optimalen Bedingungen betrieben. Die Drehzahl und die Last können stochastisch, also mit einer gewissen Unsicherheit und zugleich Wahrscheinlichkeit behaftet, stark um den Betriebspunkt schwanken, für den das Lager ausgelegt ist. Beide variieren insbesondere beim Starten oder Stoppen der Anlage, bei starken Böen oder bei Fault-Ride-Through-Ereignissen (FRT) – wenn die Anlage Fehlersituationen bei Spannung und Frequenz im Stromnetz durchfahren muss. Neben der Drehzahl variiert dabei auch die Last. Eine der Lastkomponenten ist die Radialkraft, welche von der Drehachse des Lagers nach außen wirkt. Sie wird durch den Zahneingriff verursacht und wirkt stets in die gleiche Richtung, rotiert also nicht mit der Welle. Sie verursacht eine charakteristische Lastverteilung, oder Lastzone (siehe Abbildung 1). Die Anzahl der lasttragenden Wälzkörper hängt von der Größe und Richtung der Last und von der Art des Lagers ab.

Fehlender Kraftschluss verursacht Schlupf

Rotiert das Lager, rollen die Wälzkörper des Lagers auf den Lagerringen ab. Dies bewirkt auch eine Drehung der Wälzkörper um die eigene Achse. Befinden sich die Wälzkörper in der Lastzone, sorgt der Kraftschluss dafür, dass sie ideal auf den Ringen abrollen. Ihre Drehgeschwindigkeit um ihre eigene Achse nimmt zu, bis sich ihre Absolutgeschwindigkeit – die Kombination der Rotationsgeschwindigkeit der Wälzkörper und der Geschwindigkeit der Wälzkörper auf ihrer Umlaufbahn zusammengenommen – im Kontakt mit der des Rings angeglichen hat. Nachdem die Wälzkörper die Lastzone verlassen, werden sie durch Reibung und den Widerstand des Schmiermittels abgebremst. Durch das Eintreten und Verlassen der Lastzone ändert sich die Wälzkörpergeschwindigkeit ständig und weicht von der Ringeschwindigkeit ab. Mit anderen Worten: Die Wälzkörper haben Schlupf.

Lagerschäden wiederrum können durch großen Schlupf entstehen oder begünstigt werden. Hierzu zählen zum Beispiel White Etching Cracks (WEC). Als solche werden Gefügeumwandlungen in der Laufbahn in Form eines Rissnetzwerkes bezeichnet, die zu verfrühten Lagerausfällen führen können. Die Gefügeveränderungen sind Ursprünge für tatsächliche Risse, welche im weiteren Verlauf zu dann sichtbaren Ausbrüchen auf der Laufbahnoberfläche führen.

Neuer Prüfstand

Im Projekt Dy-Rex entwickelt darum das Fraunhofer Iwes den Prüfstand BEAT0.3 (Bearing Endurance and Acceptance Test rig), um spezifische Zustände nachzubilden und um bewusst Lagerschäden zu provozieren. Der Prüfstand kann Lasten und Drehzahl, aber auch weitere Betriebsbedingungen wie die exakte Schmierung nachstellen. Es werden Kugel-, oder Zylinderlager mit einem Innendurchmesser von 90 Millimetern getestet. Die Lasteinleitung erfolgt über zwei weitere Lager, die sich mittig zwischen beiden Testlagern befinden. Die Kraft wird über radial montierte, hydraulische Zylinder erzeugt.

Es können dynamische Lasten bis ±250 Kilonewton aufgeprägt werden, was einer Gewichtskraft von 25 Tonnen entspricht. Das Drehzahllimit liegt bei 2.000 Umdrehungen pro Minute. Das ist mehr, als für Getriebe in Europa üblich. Des Weiteren ist der Prüfstand mit präziser Messtechnik versehen: Neben Kräften, Drehmoment und Geschwindigkeiten sollen auch Umgebungsbedingungen wie Temperaturen gemessen werden. Außerdem ist ein in die Wälzkörper integriertes Messsystem geplant, das Informationen zu den lokalen Wälzkörperkräften und Geschwindigkeiten liefert.

Vorspannung kann Last besser verteilen

Der nächste Schritt im Projekt ist es, diese Schäden zu vermeiden. An dieser Stelle kommt die axiale Lastsuperposition zum Ändern der Vorspannung ins Spiel. Die Vorspannung fügt die Elemente des Lagers unter Druck zusammen. Generell kann über die Vorspannung des Lagers eine homogenere Lastverteilung und ein steiferes Systemverhalten erreicht werden, auch das Schlupfverhalten des Wälzlagers wird hierdurch beeinflusst.

Eine richtig eingestellte Vorspannung kann zu einer längeren Lebensdauer führen. Im Gegensatz dazu kann aber auch eine zu große Vorspannung wiederum negative Folgen haben und die Lebensdauer reduzieren, da Lasten, Reibung und Wärmeentwicklung erhöht werden.

Simulation der Axial­kräfte in einem Lager – der Lasten, die gegen die Fliehkraft des Rotationskörpers wirken

Bild: Fraunhofer IWES

Simulation der Axial­kräfte in einem Lager – der Lasten, die gegen die Fliehkraft des Rotationskörpers wirken

Aktuator mit axialer Lastsuperposition

Da für die Lager von Windenergiegetrieben keine konstanten Bedingungen herrschen und immer eine andere Vorspannung optimal wäre, prüfen die Iwes-Wissenschaftlerinnen und Iwes-Wissenschaftler die Idee, über einen Aktuator (Dy-Rex-Aktuator) eine weitere, zusätzliche Kraft auf das Lager aufzuprägen. Diese wirkt axial auf einen der beiden Lagerringe und beeinflusst somit die Vorspannung des Lagers. Ausgestaltet ist der Aktuator in Gestalt einer um die Lager geformten Hülse, in die wir über eine Hydraulik Lasten einleiten. Ziel ist es, die Hülse wie eine Kupplung zwischen Lasten und Lagern einzusetzen, die ein gleichmäßigeres Ansteigen und Absenken der Lasten ermöglicht.

Den letzten entscheidenden Baustein für das Projekt bildet die dynamische Regelung der axialen Lastsuperposition, die den Namen des Projektes ergibt. Um das Verständnis dieser dynamischen Vorgänge zu vertiefen, sind sowohl Mehrkörpersimulationen als auch Versuche mit variierender Vorspannung geplant.

In Dy-Rex wird vor allem die Machbarkeit der axialen Lastsuperposition erforscht. Weitere interessante Fragestellungen wie eine Übertragbarkeit in ein reales Getriebe will das Iwes im Anschluss in Zusammenarbeit mit der Industrie erarbeiten. 

Autor:Karsten Behnke, Projektleiter,Fraunhofer Iwes

Nadja Mahjoub Fotografie - Fraunhofer Iwes

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