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Leben und Arbeiten unter extremen Bedingungen

Susa Schreiner, Petzl

Neben dem Bau von Offshore-Windkraftanlagen ist vor allem deren Wartung und Instandhaltung mit Herausforderungen verbunden. Odila Gärtner, Service Leaderin bei Vattenfall, hat in einem Gespräch mit dem Hersteller von Persönlicher Schutzausrüstung gegen Absturz (PSAGA) Petzl von den hohen Ansprüchen erzählt, die der Arbeitsort und das Wetter an Seilzugangstechniker:innen stellen. Sicherheit und Konzentration ist das A und O.

In den deutsch-dänischen Gewässern der Nordsee betreibt Vattenfall die Offshore-Windparks Dan Tysk und Sandbank. Beide gemeinsam können bei guten Bedingungen mit ihren insgesamt 152 Windturbinen eine Leistung von zweimal 2 x  288 Megawatt (MW) erzeugen und somit insgesamt 800.000 Haushalte versorgen. Fällt eine Windkraftanlage wegen technischer Defekte aus, entsteht ein monetärer Verlust in Höhe von einem Mittelklasse-Neuwagen – pro Tag. Entsprechend liegt die gesamte Aufmerksamkeit der Windparkbetreiber bei der Verfügbarkeit der Anlage, die in guten Zeiten bei nahezu 100 Prozent liegt. Eine Leistung, die nur über den Bereich Wartung, Instandhaltung und Reparatur erreicht werden kann. Dafür sind Spezialisten gefragt, die mit Arbeiten in der Höhe (Höhenarbeit) oder gar Seilzugangstechnik vertraut sind.

Leben unter extremen Bedingungen

Odila Gärtner ist Service-Leaderin für die beiden oben genannten Windparks und damit Verantwortliche für den Einsatz und die Sicherheit der Servicetechniker. Die KFZ-Mechatronikmeisterin ist selbst ehemalige Technikerin und Gutachterin für Windkraftanlagen. Zudem ist sie Seilzugangstechnikerin mit FISAT Level 3, hat das komplette GWO-Paket und zusätzliche Ausbildungen als Atemschutzträgerin und Emergency-Response-Team-Leader sowie die Unterweisung als HDA (Helicopter Deck Assistance). Seit 2015 arbeitet und lebt sie im Zwei-Wochen-Rhythmus inmitten der Nordsee – zum Festland sind es rund 90 Kilometer. Ein CTV (Crew Transfer Vessel) bringt die gebürtige Hamburgerin sowie ihre Servicetechniker-Kollegen in 3 bis 3,5 Stunden auf dem Seeweg alle 14 Tage zur OAP (Offshore Accomodation Platform) – ihrer Wohn- und Büroplattform. Per CTV geht es dann täglich – sofern Wind und Wellen es zulassen – zu den Windkraftanlagen.

Eine Arbeitsschicht dauert zwölf Stunden pro Tag. Es sind lange und anstrengende Tage auf einer Anlage. Der Arbeitstag der Techniker beginnt um 6.30 Uhr mit dem täglichen Toolbox-Talk, einer kurzen Besprechung zum Arbeitstag mit den Aufgaben und Besonderheiten sowie sicherheitsrelevanten Informationen. Die Projektsprache ist Englisch. Die Crews auf den Anlagen bestehen oft aus deutschen und dänischen Technikern. Es gibt aber auch rein deutsche Teams und rein dänische Teams sowie eine Handvoll anderer Nationalitäten laut der Service Leaderin. Nach dem Meeting das 5 bis 15 Minuten täglich in Anspruch nimmt, machen sich die Techniker fertig. Pünktlich um 7 Uhr kommt das erste CTV und holt die Techniker ab. Der kürzeste Weg zwischen Wohnplattform und Arbeitsplatz Anlage liegt bei einem Kilometer Distanz – der längste hat eine Anfahrtszeit von rund 20 Minuten.

First-Aid und Höhenrettungsausbildung

Zusätzlich zur beruflichen Qualifikation müssen alle Techniker, die auf Windkraftanlagen arbeiten, über umfangreiche First-Aid-Ausbildungen verfügen. Ein weiteres Hauptaugenmerk liegt im Bereich Höhenrettung.

Das oberste Gebot bei der Arbeit an einer Windkraftanlage lautet Kommunikation. Der ständige Austausch mit den Kollegen über sämtliche Arbeitsschritte an einem langen Tag schlaucht. Dazu kommt die überdurchschnittliche Dauer einer hohen Konzentrationsleistung bei der Arbeit. Wellen, Gischt und Wind zehren zusätzlich an Nerven und Körper. Auch die Komplexität der Aufgaben ist für den einen und anderen Servicetechniker zu Beginn herausfordernd. Noch mal schnell mit dem Firmenwagen zum Baustoffhandel geht nicht. Tüfteln, ein lösungsorientiertes und dabei sicheres Arbeiten zählen zu den besonderen Fähigkeiten die der Techniker mitbringen muss.

90 Kilometer sind es ungefähr zum Festland von der Offshore Accomodation Platform aus, auf der Odila Gärtner zwei Wochen lebt, bevor sie zwei Wochen frei hat.

Arbeitsausrüstung wiegt zehn Kilogramm

Die körperlich anstrengende Arbeit inklusive umfangreicher PSAGA kennen Höhenarbeiter und Seilzugangstechniker. Im Offshore-Arbeitsdienst kommt zur PSAGA bei schwierigen Wetterbedingungen manchmal noch der Überlebensanzug hinzu. Er schützt bei eisigen Temperaturen und Wind vor dem Auskühlen und sichert letztlich das Überleben, sollte man ins kalte Wasser stürzen. Gut zehn Kilogramm Gewicht tragen die Techniker insgesamt am Körper – inklusive Helm, Absturzsicherungssystem wie Läufer, Falldämpfer und Positionierungsseil, sowie Arbeitsschuhen und Überlebensanzug.

Im Gespräch mit Odila Gärtner wird schnell klar, warum Vorbereitung, umfangreiche Ausbildung und zuletzt auch soziale Kompetenz zu den Auswahlkriterien eines Servicetechnikerns auf eine Windkraftanlage gehören. Sollte bei der Arbeit doch einmal etwas schief gehen, ist die schnellste Hilfe, die man bekommen kann, die der eigenen Kolleg:innen.

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