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Windforce hakt 2024-Tief als Jahr falscher Auktionsregeln ab und erwartet Wende

Die 24. Windenergiekonferenz Windforce markiere in ihrem nun 20-sten Jahr einen wichtigen Zeitpunkt, um mutige Entscheidungen für partnerschaftliches Handeln zwischen Branchenindustrie und Politik zu treffen. Das sagte der Vorstandsvorsitzende der Wirtschaftsorganisation WAB der Offshore-Windenergie und der Unternehmen für grünen Wasserstoff, Jens Assheuer, bei der Eröffnung der Zwei-Tage-Konferenz in Bremerhaven. Assheuer stellte beispielhaft vorweg, wo es gemäß Analyse der WAB für Europas Meereswindkraft zu Widersprüchen zwischen ihren Erwartungen und politischen Rahmenbedingungen gekommen ist. Dass „natürlich erzeugter sauberer Strom … als strategisches Gut erkannt, immer wertvoller wird“ gehe mit einer völlig entgegengesetzten Botschaft auf Beifallrufe bedachter Politiker einher: „Überall heißt es nun, Strom muss billig sein.“ Der in der neuen Unions- und SPD-Regierungskoalition angestrebte spezielle Industriestrompreis drei Cent pro Kilowattstunde sei nicht ohne staatliche Subventionen möglich. „Das ist nicht vernünftig“. Die 2024 in Deutschland erteilten Zuschläge für neue Windparkentwicklungs- und Betreiberrechte im Meer bei wirksam bezuschlagten Zahlungsangeboten von im Schnitt einer Million Euro pro neu installiertes Megawatt (MW) könnten mit den im Juni bezuschlagten 180.000 Euro pro MW fürs jüngste Offshore-Windkraft-Areal N-9.4 wettbewerblich kaum mithalten. „Nun herrscht die große Befürchtung: Die einen Anlagen werden gebaut, die anderen nicht.“ Zu erkennen sei: Bestehende „rein monetäre Ausschreibungen erhöhen nicht die Realisierungsfähigkeit“, sagte Assheuer.

Zugleich sieht der Vorstandschef der WAB, die die Windforce betreibt, die Offshore-Windkraft in Deutschland und auch sonst in Europa als enorm in ihrer Bedeutung gewachsen an: Offshore-Windkraft sei längst „kein reines Technikthema mehr“, sondern eines der Geopolitik, der Industriepolitik und der Versorgungssicherheit, sagte Assheuer. „Sie ist das Rückgrat unserer Energiewende“. Für den absehbaren raschen Anstieg des Strombedarfs in Deutschland gelte: „Offshore-Wind ist dafür die logische Antwort“. Der führende WAB-Vertreter verwies dabei auf den Willen der Unions-SPD-Koalition, Deutschland zum führenden Land der Rechenzentren für die Datenverarbeitung mit künstlicher Intelligenz zu machen. Offshore-Windstrom eigne sich dafür, weil er konstant, zuverlässig und mit hohen Volllaststunden entstehe.

Die Macher der Windforce ließen in ihrer Pressemitteilung keine Zweifel an den aktuellen Branchenproblemen: Verschobene oder ganz abgesagte Projekte in Deutschland und anderen Ländern Europas, wegen steigender Kosten und regulatorischer Unsicherheit. Preissteigerungen bei Turbinen, Kabel, Schiffen, und Fachkräften seien hierbei allerdings keine nur auf die Meereswindkraft beziehbare Probleme, „sondern Teil eines größeren, systemischen Problems der gesamten Energiewende“.

Tatsächlich waren in Deutschland im Windpark Borkum Riffgrund 3 aufgrund einer um ein Jahr verspäteten und erst im Juni erfolgten Errichtung der Umspannstation auf See 2024 schon alle Turbinen errichtet. Doch ohne Umspannstation werden sie bis zur Anbindung bis Anfang nächsten Jahres ein Jahr lang keinen Strom eingespeist haben. In den Niederlanden hatte die Regierung die Ausschreibung von zwei Gigawatt (GW) aufgrund mangelnden Bieterinteresses abgesagt, und will nun aber offenbar ein GW noch in diesem Jahr nachholen. In Dänemark, Estland und Litauen haben die Regierungen erfolglose Ausschreibungen zurückgezogen, wobei in Dänemark und Litauen die Regierungen inzwischen neue Ausschreibungsregeln entwerfen ließen.

Der Politikexperte des europäischen Windenergieverbandes Wind Europe, Pierre Tardieu, machte die gewaltigen Differenzen zwischen Erwartungen und Wirklichkeit der Offshore-Windkraft in Europa mit reiner Statistik deutlich. „Wie 2024 können wir uns keine Jahre mehr leisten“, sagte Tardieu. So war der Zubau von nur 2,6 Gigawatt (GW) neuer Offshore-Wind-Nennleistung der drittschlechteste Wert der vergangenen zehn Jahre. Die finalen Investitionsentscheidungen der Meereswindkraftinvestoren für Projekte in Europa stellten nur eine neue Summe an Investitionskapital von 7,9 Milliarden Euro bereit, nach 35,6 Milliarden Euro im Vorjahr. Doch die Situation bessert sich: Alleine im ersten Halbjahr 2025 kletterten die finalen Investitionszusagen für neue Offshore-Windkraft-Projekte in Europa auf einen Wert von schon 22,9 Milliarden Euro. Die Prognostiker des Verbands gehen nun davon aus, dass der Zubau etwas unterhalb der von den Regierungen des Kontinents vorgegebenen Ausbauziele vom heutigen europaweiten Bestand von 37 GW auf 84 GW im Jahr 2030 anziehe.

Für Tardieu ist eine weitere statistische Analyse allerdings bereits eine gewichtige Erklärung dafür, dass die Ausschreibungen so viel an Attraktivität für die Investoren verloren haben: Rund 60 Prozent der erfolgten Ausschreibungen hätten ein „negatives Bieten“ enthalten. Beim Negative Bidding stellen die Investoren oder projektierenden Unternehmen beispielsweise in Deutschland in einem vorgegebenen schrittweisen Verfahren immer höhere Zahlungen für ihr Recht zur Projektentwicklung in Aussicht, so lange, bis alle übrigen Bieter im Bieterwettbewerb passen. Die ersten solcher Ausschreibungsrunden hatten in Deutschland zu Zahlungen in Milliarden-Euro-Höhe pro Windpark geführt.

Wind Europe-Statistik zur in Europa vorhandenen Liefer- und Produktionskapazität von auf dem Kontinent wertschöpfenden Unternehmen, Windforce 2025.

Tilman Weber

Wind Europe-Statistik zur in Europa vorhandenen Liefer- und Produktionskapazität von auf dem Kontinent wertschöpfenden Unternehmen, Windforce 2025.

Standardisierung, smartere Ausschreibungsmodelle und eine gezielte Förderung der Lieferketten sowie einer europäischen Wertschöpfungskette – durch Zuschüsse insbesondere für Innovationen oder durch Bürgschaften für große Investitionen in die Produktionskapazitäten, so lauteten die Themen der Windforce 2025. Sie sollten die Antworten auf die Schwächephase in einer kritischen politischen Weltlage Europas diskutieren lassen. Auch insbesondere eine Zusammenarbeit Deutschlands mit den Nachbarländern beim nächsten maritimen Raumordnungsplan der Europäischen Union (EU) war ein Panel-Thema. Die 2027 neu entstehende Raumplanung könnte bei guter Zusammenarbeit dazu führen, dass die Nachbarländer ihre Windparks auf See nicht mehr so dicht nebeneinander bauen, dass diese sich nicht wie derzeit geschehend gegenseitig den Wind abschöpfen.

„Die Koordinierung unserer Aktivitäten in der Nordsee ist von entscheidender Bedeutung, um starke und widerstandsfähige Lieferketten zu schaffen“, sagte die Botschafterin des Windforce-2025-Partnerlandes Niederlande, Hester Somsen. Mehrfach machten die Vortragenden und Diskutierenden auf den beiden Veranstaltungsbühnen deutlich, dass die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Windkraftindustrie gegen die stark staatlich geförderte und aufgrund des großen Heimatmarktes unüberbietbaren Wettbewerbs chinesischer Unternehmen eines ihrer Hauptsorgen für die Zukunft bleibt. Mit speziellen qualitativen Ausschreibungskriterien wie weniger Ausstoß von Kohlendioxid für die Fertigung der Windenergieanlagen und insbesondere den Transport von Rohstoffen und Großbauteilen für ihre Herstellung, aber auch regionale europäische Beschäftigungsquoten, spricht sich die Branche seit wenigen Jahren bereits für spezifische Schutzmaßnahmen aus.

Der Geschäftsführer des Bremerhavener Stahlbau-Industrieunternehmens Steelwind Nordenham, Andreas Liessem, zeige sich dennoch zufrieden mit dem bereits erreichten Stand der Planungssicherheit für sein Unternehmen dank der langfristig ausgelegten deutschen Meereswindkraftpolitik und deren bleibende Ausrichtung auf die Ausbauziele. Das 2030-Ziel von 30 GW dürfte Deutschland aufgrund der Verzögerung mehrere Netzanschlüsse nun erst 2031 oder 2032 erreichen, sind sich Marktbeobachtende einig. Steelwind Nordenham stellt die säulenförmigen riesigen Stahlfundamente fürs Eintreiben in den Meeresboden für Windenergieanlagen her, sogenannte Monopiles. Die Aufträge deckten eine Produktion für nun 1,5 Jahre ab, der Mutterkonzern habe bereits einen Ausbau des Unternehmens gemäß den Möglichkeiten des in Bremerhaven letztlich beengten Standorts zugesagt. So könnte Steelwind Nordenham den Durchsatz an Stahltonnagen der eigenen Monopile-Fertigung um 10 bis 15 Prozent steigern. Mit künftig noch größeren Durchmessern der Stahlsäulen von nun 11,5 Metern statt wie zuletzt branchenweit rund 10 Meter maximal könne Steelwind Nordenham für mehr Ausbaukapazitäten die Fundamente liefern. Insgesamt genüge die Technik am Standort dafür, um künftig sogar bis zu 15 Meter Durchmesser zu ermöglichen.

Der Leiter des Offshore-Windturbinenportfolios für Deutschland beim Windturbinenunternehmen Siemens Gamesa, Stephan Buller, erteilte der vermeintlichen Idee einer auf einen Windturbinentyp geeinigten Technologie, die den Wettbewerb gegen chinesische Akteure stärke, eine Absage. Dazu sei die Technologie zu unterschiedlich. Vielleicht lasse sich eine gemeinsame Normung aber für die Transportrahmen zur Anfahrt der Großkomponenten erreichen, um damit Kosten zu sparen.

Der Associate Director für „2 GW large Projects Offshore Germany“ beim Übertragungsnetzbetreiber Tennet, Johannes Kammer, berichtete allerdings von einer von Netzbetreiberseite angeregten Wertschöpfungsinitiative für verschiedenste örtliche Unternehmen. Kammer leitet das Programm der technisch modernisierten Anschlussstationen für die Windparks im Meer. Diese benötigen nur von den Turbinen zuleitende 66-Kilovolt-Kabel, die dann direkt in die Umspannstation führen und von dort mit 320 Hertz und als Gleichstrom an Land umspannen.

So hätten die Netzbetreibenden ein Programm entwickelt, das von möglichen Partnern für den Bau der Umspannstationen immer auch Vorschläge für die Nutzung einer deutschen Werft verlangt. Ob daraus ab 2028 bei Tennet auch Aufträge zum Bau von Monopiles oder anderer Unterwasserstrukturen bei deutschen Werften entstehen bleibt abzuwarten.