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Sonderweg in der EU

Nicole Weinhold

Jörn Bringewat von der Kanzlei von Bredow Valentin Herz erklärt, woran die Agri-PV derzeit in Deutschland krankt. Er referiert zum Thema Agri-PV in einem Webinar des BWE am 24. September.

Was ist bei der Planung von Agri-PV zu beachten?

Jörn Bringewat: Bei der Projektierung gilt: Ich habe grundsätzlich die gleiche Situation wie bei normalen Freiflächen-Anlagen. Erforderlich ist die Flächensicherung. Zudem muss ich mich mit der Gemeinde auseinandersetzen, in deren Gebiet ich das Vorhaben plane. Ein Bebauungsplan muss aufgestellt werden. Ohne den geht es nicht. Um sicherzustellen, dass die weitere Nutzung auch so funktioniert, wie sie soll, wird im Rahmen der Bauleitplanung das Nebeneinander von Landwirtschaft und PV nachvollziehbar dargestellt.

Woran könnte es hapern?

Jörn Bringewat: Die Frage ist was ich voraussetze. Im Rahmen der Planaufstellung lege ich fest, was mit der Gemeinde vor Ort passiert. Bei normalen PV-Freiflächen wird der gesamte PV-Parkbereich aus der landwirtschaftlichen Nutzung herausgenommen. In der Regel wird dann der ganze Parkbereich gleichzeitig für Ausgleichsmaßnahmen genutzt. Da werden Grüngürtel angelegt, PV-Biotope, et cetera. Das funktioniert bei Agri-PV nicht mehr. Das ist relevant für die Planungsumsetzung, weil es das Planungsermessen der Gemeinde betrifft. Wenn sie sich dafür entscheidet, muss der PV-Park so geplant werden, dass gleichzeitig landwirtschaftliche Nutzung möglich ist. Dafür muss die Gemeinde erstmal klarstellen, dass sie das Nebeneinander von Landwirtschaft und PV aufrechterhalten will.

Ist es aufwändiger, Agri-PV zu planen?

Jörn Bringewat: Es kommt auf die Flächenverfügbarkeit an. Wenn ich im PV-Park selbst keinen Platz für Ausgleichsflächen habe, aber die PV einen umfangreichen Ausgleichsbedarf auslöst, weil doch immer noch ein Teil des Bodens verändert wird, muss ich am Ende dafür sorgen, dass ich andere Flächen zur Verfügung habe.

Gibt es weitere Hürden?

Jörn Bringewat: Man müsste nochmal prüfen, inwieweit die hohe Aufständerung sich wirtschaftlich darstellen lässt. Aufgrund der Konstruktion ist es relativ teuer. So rechnet sich Agri-PV offenbar kaum. Für die Gemeinde ist es etwas, das die Sache vereinfacht, wenn das eine das andere nicht stört. Sprich: Die Verschattung durch die Solaranlage ist egal oder vielleicht sogar positiv, wenn die unter den Modulen angebauten Pflanzen sogar Schatten brauchen.

Hauptproblem der Agri-PV ist momentan, dass die Agrarprämien wegfallen, weil Deutschland die entsprechende Agrar-Prämienverordnung aus unserer Sicht EU-rechtswidrig umgesetzt hat. Darin steht sinngemäß: Auf Flächen, auf denen PV stattfindet, ist keine Landwirtschaft möglich. Dazu gibt es gerade ein laufendes Verfahren am VGH München in der Berufungsinstanz. Das erstinstanzliche VG Regensburg hat gesagt: Diese Regelungen in der sogenannten Direktzahlungs-Durchführungsverordnung, die Prämienberechtigung, die PV und Landwirtschaft gegenseitig ausschließt, sei europarechtswidrig.

Diejenigen, die das betrifft, warten nun auf die Berufungsentscheidung des VGH München. Der muss entscheiden, ob das europarechtskonform ist oder nicht. Die Entscheidung ergeht wohl erst Ende 2021 oder sogar erst 2022, und dann muss man schauen, ob sie rechtskräftig wird. Bis eine Entscheidung am VGH München fällt, wird nach unserer Einschätzung da gar nichts passieren.

Aber es gibt ja trotzdem noch viele, die jetzt Projekte umsetzen.

Jörn Bringewat: Wir beraten auch viele Planer, die jetzt an solchen Projekten arbeiten. Das sind allerdings auch oft Projektentwickler, die wirtschaftlich eine gewisse Flexibilität in der Darstellung der Kosten haben. Aufgrund der gestiegenen Rohstoffpreise ist Agri-PV jedenfalls kein Sahnegeschäft.

Noch ein Thema dabei: Inwiefern raumordnerische Vorgaben Agri-PV einschränken können. Wobei das eine Frage ist, die generell PV-Freiflächen betrifft. Der zweite Umstand ist: Wenn ich davon ausgehe, dass PV-Anlagen raumbedeutsam sein können, dann können regionalplanerische Vorgaben eine Bedeutung haben. Häufig finden sich in Regionalplänen Festlegungen, die PV-Freiflächenanlagen in großen Bereichen ausschließen sollen. Diese Vorgaben haben allerdings vielfach keine echte ausschließende Bedeutung. So müssten sie maximal im Rahmen der Bauleitplanung berücksichtigt werden. Die Raumordnungsbehörden der Länder haben allerdings eine andere Rechtsauffassung als wir, was dann bei der Aufstellung der Bauleitpläne für großen Ärger sorgt.

Was empfehlen Sie Planern?

Jörn Bringewat: Sich ansehen, ob da rechtliche Bedenken bestehen und sich dann eine Gemeinde suchen, die sich nötigenfalls auch aktiv dagegen wehren will, oder die den Bebauungsplan aufstellen will, um das dann durchzuziehen. Die Regionalplanungsbehörden müssen verstehen, dass ihre Kompetenzen eingeschränkt sind und eine echte ausschließende Wirkung für PV-Freiflächenanlagen sehr schwer zu erreichen ist. Hier ist allerdings noch viel zu tun, da die Regionalplanungsbehörden bisher wenig Einsicht zeigen.

Wann wird das Urteil aus München ­erwartet?

Jörn Bringewat: Frühestens Ende des Jahres. Die Frage der wirtschaftlichen Darstellbarkeit bleibt aber auf jeden Fall bestehen. Generell ist Agri-PV wirtschaftlich gesehen scheinbar kaum ein Thema. Diejenigen, die das jetzt machen, sind eher Gruppierungen, die die Kapazitäten haben und das aus Begeisterung für die Idee machen. Die freien PV-Entwickler sagen derweil: Das lässt sich nicht rechnen.

Die Idee ist ja nicht verkehrt.

Jörn Bringewat: Stimmt. Es ist schon unsäglich, dass man in Deutschland diese Entscheidung gegen die EU-Regelung getroffen hat. Die EU lässt es den Mitgliedstaaten eigentlich offen, zu regeln, dass sich PV und Landwirtschaft nicht ausschließen. Und Deutschland hat daraus gemacht: PV schließt Landwirtschaft immer aus. Die Regelung ist erst etwa fünf Jahre alt. Es gibt eine Entscheidung aus dem Jahr 2016 zu einer normalen Freifläche. Damals hieß es: die Agrarprämie gibt es noch. Es wirkt, als wollte man politisch wohl verhindern, dass die Landwirte gleichzeitig die Agrarprämie bekommen und an der PV verdienen. Das wäre eine Art doppelte Subventionierung. Das war vielleicht damals vor fünf Jahren die Idee, ist aber für Agri-PV unzutreffend, weil die PV-Projektierer nur ein Bruchteil der PV-Fläche nutzen und entsprechend weniger Pacht zahlen könnten. Wenn man diesen deutschen Sonderweg abschaffen würde, hätte Agri-PV eine Chance. Europarecht lässt zu: Bei Agri-PV geht beides, Agrarprämien und PV.

Floating- und Agri-PV

Online-seminar: Am 24. September veranstaltet der BWE ein Webinar mit zwei Trendthemen in der PV. Jörn Bringewat gehört zu den Referenten.

Weitere Informationen: bwe-seminare.de