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US-Windparks vor Instandhaltungswende

Tilman Weber

Am 20. November jubelte der Blogger des Amerikanischen Windenergieverbandes AWEA, John Hensley, mit Blick auf die Stromgestehungskosten der Windkraft: Rechtzeitig sei zum Truthahn-Stopfen fürs nationale Thanksgiving-Fest das alljährliche Geschenk für die Energiebranche eingetroffen. Windenergie sei nämlich ausweislich des Lazard-Reports über die Stromkosten schon wieder billiger geworden.

Die Studiendaten, auf die der Senior Director für Recherche und Analyse beim US-Windverband so stolz ist, täuschen allerdings darüber hinweg, dass nicht doch in der nationalen Windszene noch starkes Potenzial für weitere Kostensenkungen verborgen liegt. Besonders der Windpark-Wartungsdienst steht deshalb derzeit vor einem Modernisierungsschub – was den US-Windmarkt nun auch für europäische Instandhaltungsdienstleister interessant werden lässt.

Stromgestehungskosten in USA sehr niedrig

Tatsächlich weist der Lazard-Report seit 2009 jedes Jahr neu gesunkene Werte für die Kosten jeder produzierten Kilowattstunde (kWh) Windstrom aus, die bei Berechnung aller Investitionen und Betriebsausgaben bis zum Abbruch eines Windparks anfallen. Demnach variieren die Kosten für nicht durch steuerliche Subventionen geförderten Windstrom nun nur noch auf einem Niveau pro kWh von 2,9 bis 5,6 US-Cent. Im Vorjahr hatten die US-Windparks laut dem internationalen Finanzdienstleister Lazard den Strom noch zu Gestehungskosten von 3 bis 6 US-Cent erzeugt. Auch die Preisspanne zwischen kostspieligeren Windparks – eher kleinere Turbinenfelder sowie Windparks an weniger windreichen Standorten – und den am günstigsten Wind verstromenden Anlagenparks verringerter sich. Lag sie 2016 und 2017 laut Lazard noch bei 3,0 US-Cent sank die Differenz der geringsten und höchsten Stromgestehungskosten ohne Subventionen staatenweit auf 2,7 US-Cent.

Weil zur US-amerikanischen Windkraft-Förderpraxis aber eine Steuererleichterungsregel gehört, ist der US-Windstrom sogar noch billiger. 1,4 bis 4,7 Cent pro produzierter kWh fallen bei steuerlich subventionierten Windparks über die Laufzeit hinweg gerechnet an. Im internationalen Vergleich ist die Windenergie damit unvergleichlich günstig. Selbst Australien und Brasilien, die dem Level der US-Stromgestehungskosten noch am nächsten kommen, produzieren Windstrom gemessen an Mindest- und Höchstwerten der Stromgestehungskosten um 30 bis 50 Prozent teurer.

Allerdings: Die niedrigen Stromgestehungskosten kommen laut den Anmerkungen zur Berechnungsmethode vor allem deshalb zustande, weil die Windparks in den USA dank bester Windverhältnisse die weltweit höchsten Auslastungsgrade versprechen – und weil ihre Investoren bislang weniger Rendite erwarten. Außerdem lässt der Markt mit einer Nachfrage nach sehr großen Windparks durch die pro Auftrag hohen Stückzahlen niedrigere Turbinenpreise zu. So berechnet Lazard für einen Windpark mit für US-Verhältnisse besonders hohen Stromgestehungskosten von 5,56 Cent pro kWh rund 1.550 US-Dollar pro installiertem Kilowatt (kW). Zum Vergleich: Eine vom Fraunhofer-Institut Anfang 2018 veröffentlichte Studie kommt auf Windpark-Investitionskosten pro installiertem kW in Deutschland von 1.500 Euro (siehe verlinktes Dokument, S.10), wenn es sich um ein noch vergleichsweise niedriges Investment handelt – also günstige Turbinen- und Windparkpreise.

Kosten der Instandhaltung von Windparks

Nur bei den Wartungs- und Betriebskosten sieht es anders aus: Hier liegen die Annahmen für Windparks mit verhältnismäßig hohen Stromgestehungskosten in den USA laut der Lazard-Studie im Vergleich zu den Annahmen der Fraunhofer-Studie über die durchschnittlichen Kosten für Windkraft an Land in Deutschland auf ähnlichem Level.

Weil nun aber zunehmend größere Kapitalgesellschaften und amerikanische Weltkonzerne in den Windmarkt einsteigen und auch alte Windparks aufkaufen, erhöht sich der Druck auch auf den Service. Denn die neuen Gesellschaften wollen die Rendite erhöhen – und haben das Kapital dazu, beispielsweise die Infrastruktur für einen zeitgemäßeren Service mit digitalisierter Steuerung auszubauen.

Dass sich etwas tut im Wartungs- und Instandhaltungs-Bizz in den USA, hat so beispielsweise auch das Bremer Unternehmen Deutsche Windtechnik ausgemacht. Der größte herstellerunabhängige Wartungsdienstleister der deutschen Windbranche gründete bereits Ende 2017 eine neue Unternehmens-Einheit für den Einstieg in den US-amerikanischen Markt.

Auch die Bremerhavener RTS Wind AG wittert eine Chance, wie Stefan Lücking, Prokurist des Unternehmens betont. Für den deutschen Marktführer ist RTS Wind AG ein Dienstleister, der die Wartungs- und Installationsteams des ostfriesischen Windturbinenherstellers Enercon ergänzt. Wartungen in Windparks an Land mit Turbinen anderer Windenergieanlagen-Hersteller leistet RTS Wind bisher nicht. Als Rotorblatt-Reparaturdienst ist RTS allerdings auch unabhängig von einzelnen Herstellern für wechselnde Kunden mit Einzelaufträgen tätig.

„Jetzt richten wir unseren Blick zunehmend auf den amerikanischen Kontinent“ sagt Lücking, ohne genauer zu erklären warum. Klar ist aber, dass Partner Enercon zwar aus Überzeugung nicht in den USA, aber seit Jahren in Kanada mit großen Projekten erfolgreich ist und auch den Instandhaltungsservice großer Anlagenparks dort bestreiten muss. Auf die Frage, ob RTS für Enercon auch in Kanada aktiv wurde – und von dort aus womöglich gleich den US-Markt als Expansionsgebiet für RTS Wind mit sondierte, antworten beide Unternehmen nicht. Allerdings sagt Lücking nun: „Gestartet sind wir in diesem Jahr mit ersten Rotorblattwartungen und Rotorblattbegutachtungen in kanadischen und amerikanischen Windparks.“

Außerdem verweist er auf das Offshore-Geschäft der Bremerhavener, die zuletzt für den inzwischen zum Konzern Siemens Gamesa gehörenden Windturbinenbauer Adwen sowie für Windturbinenhersteller GE beim Aufbau von Meereswindturbinen mitmischten. Beide Unternehmen, Siemens Gamesa und GE, gehören zu den drei chancenreichsten Wettbewerbern für die Ausstattung der ersten großen US-Offshore-Windparks ab 2020. Stefan Lücking betont nun: „Konzeptionell setzen wir jetzt schon die Grundlagen zum Aufbau und zur Wartung der demnächst vor der amerikanischen Ostküste entstehenden Offshore Windturbinen.“

7,5 Milliarden-Dollar-Markt ab 2021

Interessant wird der Wartungsdienstleistungs-Markt schon allein aufgrund seiner Größe: Die Staaten-weiten Ausgaben für Betrieb und Wartung von Windparks allein an Land werden laut einer Berechnung des Marktanalysedienstes IHS Markit von derzeit schon 6 auf 7,5 Milliarden US-Dollar im Jahr 2021 steigen.

Michael Scheel erkennt einstweilen für seinen Arbeitgeber noch keine Notwendigkeit zum Handeln. Es habe genug Herausforderungen im weiterhin spannenden europäischen Markt. „Sobald sich der Markt dort soweit weiter entwickelt hat, dass er uns braucht in punkto Fehleranalyse und elektronische Steuerung“, sagt der Leiter des Hauptkomponententauschs beim Uckermärker Service-Unternehmen und Projektentwickler Enertrag, werde es hingegen interessant. Scheel kennt den Markt von früher. Von 2009 bis 2012 war er für den kleinen nordwestdeutschen Windturbinenbauer Powerwind als Chef des Service für Europa und USA zum Aufbau einer Wartungsdiensteinheit in den Vereinigten Staaten. Die Einheit sollte dort die 900-Kilowatt-Anlagen von Powerwind instand halten, die Powerwind damals in Inselnetzen zur Selbstversorgung insbesondere in Schulen installiert hatte.

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