Ein Teil des Stroms aus dem riesigen Solarpark bei Bundorf fließt sektorgekoppelt in Wärme und Mobilität.
Die Wärmeversorgung von Kommunen soll künftig regenerativ sein. Dazu sind clevere Konzepte notwendig. Die ersten sind bereits realisiert.
Sven Ullrich
Während andere Gemeinden und Städte noch damit beschäftigt sind, ihre Wärmeversorgung der Zukunft zu planen, ist man in Bundorf bereits fertig. Die unterfränkische Gemeinde hat schon mit dem Umstieg auf die stromgeführte Wärmeversorgung begonnen, als diese in der Politik noch lange kein Thema war. Das Konzept wurde im Jahr 2021 erstellt, also noch vor der Energiekrise nach dem Überfall Russlands auf die Ukraine.
Großen Solarpark gebaut
Es ist das erste Projekt, das in dieser Art durchgezogen wurde. „Wir haben im Rahmen der Bundesförderung für effiziente Wärmenetze BEW die Fördernummer eins bekommen“, erklärt Pascal Lang, Vorstandsvorsitzender der Energiegenossenschaft Egis.
Die Genossenschaft hat zusammen mit der Gemeinde und dem Solarprojektierer Maxsolar das komplette Konzept realisiert. Dabei ging es nicht um die Wärmeversorgung, sondern um die gesamte Sektorenkopplung. Das heißt, es wurden in jedem Ortsteil von Bundorf auch Normal- und Schnellladesäulen für Elektroautos installiert.
Im Zentrum des Energiekonzepts steht ein riesiger Solarpark mit einer Leistung von 125 Megawatt. „Wir wollten den Solarpark ursprünglich gar nicht so groß bauen. Doch die Gemeinde hat vorgegeben, das gesamte vorhandene Areal für die Photovoltaik zu nutzen, um eine bessere Integration ins Landschaftsbild zu erreichen“, erinnert sich Pascal Lang.
Die Gemeinde hat vorgegeben, das gesamte vorhandene Areal für die Photovoltaik zu nutzen.
Leistung für Wärmepumpen
Tatsächlich betreibt Egis einen Teil des Solarparks mit einer Leistung von 30 Megawatt als Bürgerenergieprojekt. Die restlichen 95 Megawatt betreibt Maxsolar im normalen Einspeisebetrieb. Von den 30 Megawatt der Egis reichen wiederum 1,5 Megawatt aus, um fast die gesamte Wärmeversorgung von Bundorf abzudecken.
Dazu ist der Solarpark über eine Direktleitung mit der Heizzentrale am Ortsrand gekoppelt. In dieser Heizzentrale sind zwei Luft-Wasser-Wärmepumpen mit Kohlendioxid als Kältemittel installiert. Mit einer Wärmleistung von jeweils 100 Kilowatt können sie die Grundlast abdecken. „Wir haben die Solarparkleistung, die die Wärmeversorgung übernimmt, etwas überdimensioniert. So kommen wir zwar im Sommer an die Grenze der Leistungsaufnahme. Aber im Frühjahr und im Herbst haben wir noch ausreichend Leistung, um die Wärmepumpen so lange wie möglich mit Solarstrom zu versorgen“, sagt der Egis-Vorsitzende.
Sonnenstrom üppig nutzen
Überschüssigen Ökostrom nutzt ein Elektroheizstab mit einer Leistung von 300 Kilowatt, der in der Heizzentrale installiert ist und – genauso wie die Wärmepumpen – seine Wärme in einen großen Pufferspeicher mit einem Volumen von 75.000 Litern schiebt. Bei sehr tiefen Temperaturen deckt ein Hackschnitzelkessel mit einer Leistung von 200 Kilowatt den Spitzenbedarf an Wärme ab. „Eigentlich würde der Sonnenstrom auch noch länger ausreichen, um die Wärmeversorgung zu leisten. Allerdings sind die Wärmepumpen etwas zu klein geraten. Das würden wir bei einem nächsten Projekt anders machen“, berichtet Pascal Lang.
Häuser ans Wärmenetz angeschlossen
Herzstück ist ein Nahwärmenetz, das über den Pufferspeicher von den beiden Wärmepumpen, dem Elektroheizstab und der Hackschnitzelanlage versorgt wird. Das gesamte Netz ist für den Anschluss von 45 bis 50 Häusern ausgelegt.
Derzeit sind 23 Häuser ans Wärmenetz angeschlossen. Dies hat vor allem wirtschaftliche Gründe. „So liegen einige Häuser sehr weit am Ortsrand, und es wäre ein riesiger Aufwand gewesen, ein langes Wärmerohr dorthin zu verlegen“, sagt Pascal Lang. „Doch in Bundorf wird derzeit ein Neubaugebiet entwickelt, das ebenfalls angeschlossen wird. Bei dieser Gelegenheit wäre es eine Überlegung, auch die Häuser am Ortsrand mit anzubinden.“
Außerdem haben einige Bewohner Holzheizungen und schon für die nächsten Jahre Holz eingelagert. Sie haben sich zunächst gegen die Teilnahme an der Fernwärme entschieden, trotz des durchaus attraktiven Preises. Dieser setzt sich aus einer Grundgebühr von 700 Euro im Jahr und einem Arbeitspreis von 7,99 Cent pro Kilowattstunde zusammen. Dazu kommen noch Kosten für die Messung der Energiemengen von 80 Euro pro Jahr. „Damit erreichen wir einen Mischpreis von etwa zwölf Cent pro Kilowattstunde“, erklärt der Egis-Vorsitzende.
Ziel ist es, eine zukunftssichere, klimaneutrale und dezentrale Energieversorgung ohne fossile Grundlastkraftwerke aufzubauen.
Kosten gering halten
Diese Kosteneffizienz ist gerade bei solchen kleinen Projekten enorm wichtig. Entsprechend wird die gesamte Anlagensteuerung weiter verfeinert. So sollen in Zukunft die Kosten für Leistungsspitzen aus dem Stromnetz beim Einschalten des Elektrokessels gesenkt werden. Eine Software soll dabei die Leistung des Kessels drosseln. Die volle Leistung kann dann per Hand hochgeregelt werden. Solche Optimierungen im laufenden Betrieb sind entscheidend für die Wirtschaftlichkeit kleiner Netze.
Viel größer planen es derzeit die Stadtwerke Wunsiedel (SWW). Hier müssen rund 20.000 Haushalte versorgt werden. Dazu kommen noch Industrie- und Gewerbebetriebe. Mit dem „Wunsiedler Weg Energie“ verfolgt das Unternehmen die vollständige Integration erneuerbarer Energien, die Kopplung von Strom-, Wärme- und Gasnetzen sowie den Aufbau intelligenter Speicher- und Steuerungssysteme. „Ziel ist es, eine zukunftssichere, klimaneutrale und dezentrale Energieversorgung ohne fossile Grundlastkraftwerke aufzubauen“, betont Marco Krasser, SWW-Geschäftsführer.
Das Wunsiedler Konzept besteht aus zehn Megawatt Windkraft und 40 Megawatt Photovoltaik. Außerdem liefern noch eine Biomasseanlage mit einer Leistung von 750 Kilowatt sowie ein Holzvergaser mit einer Leistung von zwei Megawatt Energie. Mit diesen Anlagen ist das gesamte Konzept jetzt schon auf der Stromseite autark. In naher Zukunft beginnen die SWW auch mit dem Bau eines Wärmenetzes in der Kernstadt. Derzeit existieren bereits Wärmenetze in den Ortsteilen Schönbrunn und Breitenbrunn sowie in der eigenständigen Kommune Neusorg. Insgesamt sind an diesen Netzen derzeit gut 260 Haushalte angeschlossen.
Wasserstoff als Energiespeicher
Wenn das Wärmenetz in Wunsiedel fertig ist, wird es möglich sein, die Haushalte der Stadt komplett mit regenerativer Wärme zu versorgen. Doch realistisch werden etwa 50 Prozent der in Wunsiedel verbrauchten Wärme regenerativ über das Wärmenetz geliefert, da sich nicht alle Haushalte an dieses Netz anschließen lassen, schätzt Marco Krasser.
Diese Wärme wird durch die Biomassekraftwerke, aber auch durch die Sektorkopplung bereitgestellt. Ein zentraler Bestandteil ist grüner Wasserstoff, der mit einer eigenen Elektrolyseanlage produziert wird. Sie ist schon in Betrieb. „Der Wasserstoff dient als chemischer Energiespeicher und kann wieder in Wärme und Strom umgewandelt werden“, beschreibt Marco Krasser den Ansatz. „Zusätzlich wird die bei der Elektrolyse entstehende Abwärme direkt in das Wärmenetz oder in industrielle Prozesse eingespeist. Dadurch werden Sonnen- und Windenergie nicht nur in Strom, sondern über Umwandlungs- und Speicherprozesse auch effizient in nutzbare Wärme überführt.“
Wärmepumpe geplant
Zusätzlich planen die SWW für das Wärmenetz im Stadtgebiet Wunsiedel eine große industrielle Wärmepumpe. Diese Wärmepumpe mit einer Leistung von drei Megawatt wird ebenfalls die Abwärme der Elektrolyseanlage nutzen. „Aus unserer Sicht geht es um mehr als nur einzelne Netzanschlüsse“, betont Krasser. „Wir müssen die Energiezukunft von Grund auf neu denken. Das bedeutet, nicht mehr in Sektoren oder Sparten isoliert zu planen, sondern von Beginn an übergreifend zu agieren. Dadurch reduzieren wir die Kosten, verringern den Netzausbau und den Energietransport und steigern gleichzeitig die Resilienz des Gesamtsystems.“
Gesteuert wird das gesamte Energiesystem mittels eines digitalen Zwillings, der mit künstlicher Intelligenz ständig optimiert wird. In ihn fließen die Daten zum Verbrauch und zu den erzeugten Strommengen ein. Außerdem betreiben die Stadtwerke eine eigene Plattform, über die Energiemengen gehandelt werden.
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