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PPA: Hedgen für gute Marktposition

Auch der langfristige Trend ist günstig für die Grünstromlieferverträge, wie Andy Sommer als Teamleader Fundamental Analysis and Modelling beim europaweit führenden Grünstromvermarkter Axpo aus der Schweiz im Webinar von ERNEUERBARE ENERGIEN und Axpo verdeutlichte. Diese setzen sich in der Branche als Power Purchase Agreements (PPA) zwischen Konzernen oder Stromhändlern auf Abnehmerseite und Grünstromerzeugern durch. Anfang Dezember gründeten die Verträge auf neuen Höchstnotierungen: Auf den für die PPA-Preisbildung maßgeblichen Future-Märkten bei Lieferungen für 2022 und 2023 ergab sich nach einem extremen Preisanstieg ein Niveau von 180 Euro pro Megawattstunde (MWh). Das werde sich zwar 2024 und 2025 mit wachsenden Importen zusätzlicher Flüssiggasvolumen aus etwa USA oder Katar wieder auf rund 80 Euro normalisieren, sagte Sommer. Allerdings hatte der Forward-Preis ein Jahr zuvor 50 Euro betragen. Ein aktuell extrem hoher Gaspreis aufgrund nicht mehr aufgefüllter Gasspeicher in Europa gilt als ein Preistreiber.

Die Axpo-Experten informierten im von ERNEUERBARE-ENERGIEN-Chefredakteurin Nicole Weinhold moderierten Webinar „Tipps und Tricks für wirtschaftlich lukrative Abschlüsse“ am 8. Dezember über die Stellschrauben, mit denen sich PPA-Preisabschlüsse gezielt beeinflussen lassen. Johannes Pretel, Head of Origination Deutschland, sieht 90 Prozent des PPA-Lieferpreises durch den vom Stromhandel getriebenen spezifischen Marktpreis des grünen Stroms bestimmt. Die übrigen 10 Prozent lassen sich durch kluge Strategien gestalten. Allerdings sollten Grünstromerzeuger „nicht zu sehr und zu viel Zeit damit verbringen zu versuchen, den Markt zu schlagen“, warnte der Experte für den deutschen Strommarkt. Sie sollten lieber die in ihren Händen liegenden Stellhebel verstehen und nutzen. „Zu nutzen heißt für uns immer zu hedgen, also sich im Markt zu positionieren“, sagte Pretel.

Durch Hedgen sichern Stromerzeuger wie auch Stromgroßabnehmer ihre Risiken ab, die PPA-Verträge mit sich bringen. Einhegen, wie das Hedgen auf Deutsch heißt, lassen sich diese Risiken beispielsweise durch Windstrom-Futures oder Wetterderivate an den Börsen: Fallen Stromernten oder Wind und Sonnenschein bis zu einem Fälligkeitsdatum unter ein vorher bestimmtes Niveau, bekommt das Strom erzeugende Unternehmen den Verlust ausgeglichen. Überschreiten sie es, erhält das Derivate oder die Futures ausgebende Unternehmen, zum Beispiel die Strombörse EEX, den Extragewinn.

Hedgen lässt sich auch im PPA selbst. Die Axpo-Experten empfehlen, dass die Grünstromerzeuger zuerst entscheiden, ob sie 100 Prozent ihrer Erzeugung hedgen oder eine Teilmenge. Zu bedenken sind Risiken wie vor allem auch extreme Preisschwankungen infolge sogenannter Kannibalisierung der Erneuerbaren – wenn diese ihre Kilowattstunden-Werte durch die zeitgleiche Einspeisung großer Stromvolumen bildhaft erklärt auffressen, wie Axpos Head of Origination Deutschland erklärte. Aber auch den umgekehrten Effekt gibt es: „Fällt die Windstromproduktion plötzlich von 39 auf 19 Gigawatt Einspeisung“, schilderte Pretel eine Situation aus Anfang 2021, verdoppelt sich der Strompreis schonmal von 100 auf 200 Euro pro MWh. Zu kalkulieren ist für die Gesamtlaufzeit des Stromliefervertrages: „Wie viel Prozent ist ein Solarstromprofil in der Einspeisung weniger wert als ein Grundlastband.“ Das von Axpo hierzu skizzierte Szenario geht vom Rückgang des Strommarktwertes bei Photovoltaik (PV) von knapp 90 auf vielleicht 40 Prozent des Grundlastband-Wertes bis 2040 aus – also des gesichert produzierten Stroms aus restlichen konventionellen Kraftwerken.

Insbesondere für die Stromhändler sind die Kannibalisierungseffekte ein Risiko. Produzierten beispielweise PV-Anlagen zu wenig Strom, müssten sie diese Mengen in einem Moment nachkaufen, in dem der Stromhandelspreis in die Höhe schnellt, erklärte es Pretel. Grünstromerzeuger wiederum könnten ein spezielles Interesse an eher kürzeren Laufzeiten mit den aktuell höheren MWh-Preisen haben. Es gebe in der Branche erste Gespräche mit deutschen Banken über die Finanzierung drei- bis fünfjähriger Laufzeiten. Doch halten Geldinstitute hierzulande noch an Laufzeiten von am besten zehn Jahren fest, um schlechte Wetterjahre eher auszugleichen.

Speicher und Elektrolyseure zur Herstellung grünen Wasserstoffs aus überschüssigem Grünstrom dürften erst Ende des Jahrzehnts bei mehr Wirtschaftlichkeit der Grünstrom-Elektrolyse durch „materielle Effekten in die nächste Dekade hinein wirksam sein“, argumentierte Modellierungsteamleiter Sommer. Denn erst Elektrolyse-­Großanlagen könnten die Kannibalisierungseffekte merklich dämpfen. Wasserstoff lässt sich rückverstromen oder als Treibstoff im Verkehr oder in Industrieprozessen vermarkten.

Drei wichtige Stellschrauben im PV-Projekt

Janosch Abegg, Senior Originator bei Axpo, verwies die Seminarteilnehmer auf drei zentrale Tipps und Tricks zur Verabredung lukrativer PPAs. Er wertet die Laufzeit als erste Stellschraube, empfiehlt aber, vor ihrer Bedienung eigene langfristige Strategien abgewogen zu haben: Bei fünfjährigen Stromlieferverträgen mit eingepreistem höheren Marktwert des Grünstroms, so es Kurzzeit-PPAs geben wird, dürften die Banken mehr teures Eigenkapital als Absicherung verlangen. Eine Alternative seien Projekte mit Verlängerungsrechten der Strom­abnehmer, beispielweise zehn Jahre PPA-Laufzeit in Verbindung mit einer Option auf weitere fünf Jahre. Dies sichere dem PV-Anlagenbetreiber eine höhere Vergütung als bei einem 15-jährigen PPA. Und der Strompreis für die Option auf fünf Jahre mehr bestimme der Grünstromlieferant vorweg gemäß seiner Marktwertprognose und Finanzmodelle.

Abeggs zweiter Stellschraubentipp ist das Abregeln bei negativen Preisen. PV-Unternehmen könnten dem PPA-Käufer begrenzt auf 100 oder 200 Stunden die Rechte zum Abregeln der Anlagen im Falle negativer Handelspreise einräumen und auf dessen Kompensationszahlungen verzichten. Energiehandelsunternehmen wie Axpo ließen im Gegenzug die Risikoabschläge für Negativpreise weg, wenn viel Grünstrom den Handelspreis ins Minus drückt. Dann Strom zum PPA-Preis abzunehmen, brächte ihnen Verluste ein. Eingehegte Abregelung sei für Banken besser kalkulierbar als Marktwerte für Kompensationen.

Die Abkehr vom „sturen pay-as-produced-Ansatz“ beschrieb Abegg als dritte Stellschraube. Weil die Erzeugung eines PV-Parks im Jahres- und Tagesverlauf gut berechenbar sei, lasse sich die Vergütung am fixen Einspeiseprofil der Anlagen ausrichten. So seien 90 bis 95 Prozent der Erzeugung preislich bestimmt. Die übrigen 5 Prozent Extremausschläge sind zu den Spothandelspreisen zu vergüten. Der Käufer könne das Risiko nun besser hedgen. Dies könne sich „sehr günstig auf den PPA-Preis auswirken“. Auch ein Eigenverbrauchsanteil des Grünstromlieferanten lässt sich im Axpo-PPA vereinbaren. Tilman Weber

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