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Interview

„Ein PKW wird im Risiko höher eingestuft als eine WEA“

Katharina Wolf

Anfragen im Bundestag, Mahnungen der Technischen Überwachungsvereine: Die Diskussion um Risiken, die von Windenergieanlagen ausgeht, ebbt nicht ab. Doch wie schätzen Versicherungsfachleute das Thema ein? Erneuerbare Energien hat bei Marcel Riedel, Abteilungsleiter Erneuerbare Energien beim Enser Versicherungskontor nachgefragt.

Wie groß ist Ihrer Einschätzung nach das Risiko, das von Windenergieanlagen ausgeht? Was kostet beispielsweise eine Haftpflichtversicherung für eine Anlage?

Eine Versicherungsprämie soll dem Risiko gerecht werden. Das Risiko setzt sich wiederum aus der Bewertung von Eintrittswahrscheinlichkeit und potenziellem Schadenausmaß zusammen. Eine Betriebshaftpflicht-Police für den Betrieb der WEA beim EVK, die bereits ab dem ersten Spatenstich die Bauherrenhaftpflicht beinhaltet, kostet im Jahr rund 100 Euro zuzüglich Versicherungssteuer. Dieser geringe Betrag deckt Personen- und Sachschäden bis 10 Millionen Euro und beinhaltet bereits umfangreiche Deckungsinhalte für zivil- und öffentlich-rechtliche Schadenersatzansprüche für Umweltschäden. Für etwa 60 Euro erhält man dieselbe Deckung mit 5 Millionen Euro Versicherungssumme.

Eine gesetzliche Haftpflichtversicherung gibt es für Betreiber von Windenergieanlagen übrigens nicht. Da wird der PKW in Deutschland im Risiko höher eingestuft.

Das lässt darauf schließen, dass das Risiko eher gering ist. Wie viele Versicherungsfälle haben Sie denn in den letzten Jahren gehabt?

Die Schadenerfahrungen aus den letzten 23 Jahren haben gezeigt, dass die Eintrittswahrscheinlichkeit für einen Haftpflicht-Schaden gering ist. Wir betreuen circa 4.600 Windenergieanlagen. Neben den Maschinenbruchversicherungen haben wir fast die gleiche Anzahl an Haftpflichtpolicen. Im Verhältnis dazu haben wir in den 23 Jahren zusammen keine 40 Haftpflicht-Schadenfälle begleitet.

Oder um es anders zu verdeutlichen: Für Maschinenbruch-Schäden beschäftigt das EVK einen spezialisierten Schadeningenieur. Dies ist für die Haftpflicht-Schäden aufgrund der geringen Menge nicht notwendig, sondern wird über den qualifizierten Kundenbetreuer vorgenommen.

Was wäre denn ein typischer Schadenfall für die Haftpflichtversicherung?

Während der Bauphase sind das vor allem beschädigte Mähwerke durch Baurückstände. Nur ein geringer Anteil der Schäden fällt überhaupt auf den Betriebszeitraum. Ein typischer Schadenfall könnte dann zum Beispiel ein Sachschaden an einem geparkten PKW durch Eisabwurf sein.

Werden Haftpflichtversicherungen mit steigendem Alter der Maschine teurer?

Eindeutig nein. Die Risikobewertung sieht viele Faktoren vor, die vom Alter unabhängig sind. Eisabwurf beispielsweise kann natürlich auch bei jungen Anlagen stattfinden.

Wäre es denn aus Ihrer Sicht sinnvoll, häufigere unabhängige Prüfungen für WEA einzuführen werden?

Der PKW, dessen Risiko für die Gesellschaft in Form einer Pflichtversicherung größer eingeschätzt wird, muss alle zwei Jahre zum Tüv. Sonstige zwischenzeitliche Wartungen erfolgen nur zur Erhaltung von Garantien oder aus Eigeninteresse.

Eine Windenergieanlage hat gemäß Herstellervorgaben umfangreiche Prüfrhythmen, die durch Wartungs-, in den meisten Fällen sogar Vollwartungsverträge umgesetzt werden. Sichtprüfungen von Rotorblättern und Blitzdurchgangsmessungen sowie Zustandsorientierte Prüfungen der Gesamtanlage werden allein durch die Genehmigung der typenzertifizierten Anlage und gezielten Auflagen in der BImschG-Genehmigung in Form von Wiederkehrenden Prüfungen gewährleistet. Unabhängig von Gewährleistungsansprüchen werden die WEA über die gesamte Betriebsdauer gewartet.

Auch wenn die Branche unter verstärkten Kostendruck gerät, so ist der Wartungsstand durch Vollwartungsverträge weiterhin hoch. Und die geringe Anzahl der Schadenfälle verdeutlicht, dass dies auch zielführend und erfolgreich ist. Die Statistiken zeigen keine auffälligen Ursachen für die Schadenfälle auf, die im Vergleich von einem unabhängigen Prüfer definitiv erkannt worden wären.

Mehr zum Thema Sicherheit von Windenergieanlagen, die Bedenken des Tüv sowie Reaktionen aus der Branche lesen Sie in der aktuellen Ausgabe von Erneuerbare Energien.