Springe auf Hauptinhalt Springe auf Hauptmenü Springe auf SiteSearch
Analyse zu Energiewendediskurs

Sauber argumentiert

"Sauber" als schöneres Wort für konservative Ohren?

Das Attribut "erneuerbar" für Wind-, Solar-, Bioenergie und Co. erzeuge bei nicht so informierten Zuhörern und damit in der öffentlichen Meinung ein eher unangenehmes Gefühl, sagte Elisabeth Wehling. Bei der Preisverleihung zum jährlichen AEE-Journalistenwettbewerb erklärte die Mittdreißigerin und an amerikanischen Universitäten arbeitende Linguistin im Rahmen einer Podiumsdiskussion ihre These: Erneuerbar klinge, als ob immer wieder Arbeit in diese Art der Energiegewinnung gesteckt werden müsse. Sauber hingegen frische insbesondere den Herzschlag bei konservativen Menschen zu freudiger Beschleunigung auf.

Die schon am 31. Oktober veranstaltete Preisverleihung für die jährlich von AEE vergebene Auszeichnung an über Energiewende berichtende Journalisten erlebte keine weitere Diskussion über Wehlings Vorschlag. Die Moderation wollte offenbar keine thematischen Nebengleise in der Podiumsdiskussion eröffnen. Die Diskussionsteilnehmer – neben Wehling eine Journalistin vom Berliner Tagesspiegel, ein PR-Profi und der ehemalige Technik-Vorstand des Frankfurter Stadtwerks Mainova – sollten sich nämlich allgemeiner über die richtigen Wege zur Verbesserung beim Verständnis für die Energiewende auseinandersetzen.

EU-Kommission für Clean Energy - mit uneindeutigen Absichten

Dennoch hatte Wehlings Vorstoß bei einigen Zuhörern der Diskussion durchaus zu kritischen Fragen geführt, die im Anschluss bei der AEE eingegangen waren. Tatsächlich ist der Begriff „Saubere Energie“ längst im europaweiten politischen Diskurs angekommen, ohne sich bisher durchgesetzt zu haben. Allerdings führen ihn einflussreiche politische Kreise im Mund: Die Europäische Kommission als die politische Geschäftsführungsorganisation der Europäischen Union (EU) schreibt sich zunehmend häufig die Nutzung von „clean energy“ auf die Fahnen. Doch unter sauberer Energie verstehen viele Europapolitiker, aber auch einzelne Erneuerbare-Energien-Verbände wie in Großbritannien beispielsweise auch Atomkraft oder neue Kohlekraftwerke mit verminderten Kohlendioxidemissionen. Dazu gehören dann auch neue Kohlemeiler, deren Konzept – im internationalen Sprachgebrauch Carbon Capture and Storage oder kurz CCS genannt – die unterirdische Verpressung von chemisch aus den Rauchgasen herausgewaschenem Kohlendioxid in Stollen vorsieht. Gemeinsam ist diesen Clean-Energy-Vertretern, dass sie nicht die volle Energiewende wollen, sondern eine nur eine Modernisierung des Energiesystems, das dann Wind-, Solar- und Bioenergie oder auch andere regenerative Erzeugungsarten wie Geothermie als Ergänzung zu einem weitgehend CO2-freien konventionellen Kraftwerkspark vorsieht. Die Debatte über langfristige Entsorgungsprobleme beispielsweise radioaktiven Mülls aber auch des verpressten Kohlestoffs findet hingegen ohne Europas Clean-Energy-Verfechter statt.

Erneuerbar ist mehr als sauber

Elisabeth Wehling ist keiner Verbindung mit Energiewende-Gegnern oder mit der konventionellen Energiewirtschaft verdächtig. Ihr Hauptthema, zu dem sie auf Einladung deutschsprachiger Tages- und Wochenzeitungen sowie Fernsehsender seit gut einem Jahr tatsächlich herumgereicht wird, ist das sogenannte „Framing“ politischer Debatten durch kluge Wortwahl. Doch der Anglizismus verdeckt, dass die politische Besetzung von Begriffen schon immer ein gezieltes Instrument von Parteien war. Ihren Vorschlag zur Übernahme der Bezeichnung saubere Energie übersieht zudem die vorangegangenen Framing-Versuche der politischen Gegner der deutschen 100-Prozent-Energiewende. Dass die Linguistin künftig außerdem lieber von Klimakatastrophe reden lassen will als von Klimawandel, hat leider dasselbe Manko: Durch die starke Betonung des Klimaarguments wird die Reduzierung des CO2-Ausstoßes zum alles andere unterordnenden Argument. Die Energiewende aber, verbunden mit dem Austausch fossiler Energiequellen gegen erneuerbare Energiequellen, beinhaltet schon begrifflich den Wechsel von einer zentralen zu einer dezentralen Energieversorgung und von durch Verbrauch verschwindenden Energiequellen mitsamt all ihrer problematischen fossilen Rückstände hin zu Energiequellen, die sich minütlich aus sich selbst heraus erneuern und zu jedem biologischen Kreislauf dazugehören: Luft (Wind), Sonne und auch nachwachsende Pflanzen oder besser nachkommender Pflanzenabfall.  

(Tilman Weber)