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Kommentar zur EnEV-Novelle

Wieder eine Chance verpasst

Viel Mühe hat sich die Bundesregierung bei der Novelle der Energieeinsparungsverordnung (EnEV) nicht gegeben. Sie steckt vielmehr ihre Kraft in die Novelle des EEG und in den Versuch, auch die letzten Geschäftsmodelle für den regenerativen Strom zu zerstören. Aber immerhin ist die neue EnEV seit 1. Mai dieses Jahres in Kraft. Ohne die Einwände des Bundesrates wäre aber der entscheidende Punkt vollkommen unter den Tische gefallen und damit das Ziel der EnEV komplett verfehlt. Denn es ist der Länderkammer zu verdanken, dass wenigstens die ältesten der Heizkessel, die in deutschen Kellern noch vor sich hinköcheln, ausgetauscht werden müssen. Anlagen, die vor 1985 in Betrieb gingen, müssen jetzt endlich erneuert werden. Bisher galt das Jahr 1978 als Stichtag.

Galgenfrist für alte Heizkessel

Für einen wirksamen Klimaschutz reicht das aber bei weitem nicht aus. Schließlich gilt die neue Verpflichtung erst ab dem Jahr 2015 und nach Ansicht der Heizungsbranchen sind Kessel, die älter als 15 Jahre sind, technologisch völlig veraltet. „Heizungen, die älter als 20 Jahre sind, können nicht auf dem aktuellen Stand der Technik sein und verbrauchen mehr Energie als nötig“, weiß Helmut Jäger, Geschäftsführer des Herstellers von Solarheizsystemen Solvis, die 30-Jahre-Regelung. „Das betrifft etwa 30 Prozent aller Heizkessel in Deutschland.“ Der neue Stichtag erfasse lediglich 13 Prozent aller völlig veralteter Heizkessel, die in deutschen Heizungskellern noch vor sich hin köcheln, kritisiert mit vollen Recht Hermann Falk, Geschäftsführer des Bundesverbandes Erneuerbarer Energien (BEE).

Mit der neuen Regelung sichert die EnEV zwar theoretisch eine jährlich fortschreitende Erneuerung des Heizungsbestandes in der Bundesrepublik ab. Doch durch die vielen Ausnahmen wir das konterkariert. Schließlich fallen rund elf Millionen alte Niedertemperaturheizungen nicht unter die Austauschpflicht, entsprechen aber auch nicht dem Stand der Technik. Außerdem bietet die EnEV einen Ausnahmetatbestand für Ein- und Zweifamilienhäuser. „Dieses Schlupfloch führt dazu, dass viele veraltete Kessel, die aus Klimaschutz- und Kostengründen längst ausgetauscht werden müssten, weiterhin Bestandsschutz genießen können“, kritisiert der Bundesverband Solarwirtschaft (BSW Solar). „Für die Branche bleibt die EnEV insbesondere im Gebäudebestand hinter den Erwartungen und den Erfordernissen der Energiewende zurück.“ Damit verschärft die Bundesregierung den Sanierungsstau in den deutschen Heizungskellern noch weiter, statt endlich den kleinen Klimakillern den Gar aus zu machen. So wird die Bundesrepublik ihre selbst gesteckten Klimaschutzziele für das Jahr 2020 nicht erreichen.

Eigentliches Ziel komplett verfehlt

Dabei hat gerade dieses Segment ein hohes Potenzial, die Energiewende voranzutreiben. Durch die Debatten um die Solarstromvergütung und die EEG-Umlage ist die Energiewende im Wärmesektor völlig in Vergessenheit geraten. Dabei hat gerade dieses Segment ein großes Potenzial, die Energiewende voran zu treiben und die Klimaschutzziele zu erreichen. Das hat das vergangene Jahr gezeigt. Schließlich ist der gestiegene Ausstoß an Treibhausgasen in der Bundesrepublik auf den höheren Bedarf an Wärme während des langen Winters zurückzuführen. Das wird sich in diesem Jahr zwar ändern, weil der Winter kurz und warm war. Doch kann sich die Bundesregierung kaum darauf verlassen, dass das immer so sein wird. Dazu kommt noch, dass der Bedarf an Wärmeenergie in den Haushalten viel höher ist, als der Stromverbrauch. Drei Viertel des Endenergieverbrauchs eines deutschen Haushalts geht auf den Wärmebedarf und die Nutzung von Autos zurück. Wenn die Bundesregierung weiterhin die Energiewende im Wärmesektor mit angezogener Handbremse betreibt, wird dieser Bedarf auch weiterhin hauptsächlich mit fossilen Brennstoffen gedeckt. Dabei gibt es inzwischen viele Möglichkeiten, das zu ändern. Doch die werden nicht genutzt, weil die Hausbesitzer keinen Druck seitens der Politik spüren.

Branche macht ihre Hausaufgaben

Auf diese Weise wird auch die Solarthermiebranche nicht von der Stelle kommen. Sicherlich hat die Branche ihre eigenen Hausaufgaben zu machen und sie tut es auch. Derzeit trifft sie sich im Kloster Banz in Bad Staffelstein. Dort wird nicht nur die politische Lage beurteilt. Vielmehr stehen die neusten Entwicklungen auf dem Programm. Die Hersteller und Systemanbieter wollen dem Kunden Vertrauen in die Produkte geben. Den ersten Schritt hat die Branche mit der Einführung der Solar Keymark bereits getan. Damit bekommen die Kunden und Installateure jetzt eine Größe an die Hand, mit der sie den Ertrag, den die verschiedenen Kollektoren bringen, vergleichen können. Das Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme (ISE) arbeitet zusammen mit dem Institut für Thermodynamik und Wärmetechnik (ITW) der Universität Stuttgart sowie namhaften Kollektor- und Komponentenherstellern an der Entwicklung beschleunigter Alterungstests für Solarkollektoren und deren Komponenten. Die Freiburger und ihre Partner wollen damit die Anlagen unter extremen klimatischen Bedingungen prüfen. Das kann für die Branche in Deutschland von entscheidender Bedeutung sein kann. Schließlich müssen sich die Solarthermiker ihre Märkte in anderen Ländern und Regionen suchen, wenn sie die deutsche Politik nicht haben will. So bieten beispielsweise küstennahe und sonnenreiche Gebiete ein großes Potenzial für die Nutzung thermischer Solarenergie. Gleichzeitig sind die Anlagen dort besonders hoher UV-Strahlung, Feuchtigkeit und salzhaltiger Luft ausgesetzt. Die Folge: Die Solarkollektoren degradieren und altern schneller. „Frühzeitig Forschung und Entwicklung zu betreiben, deren Ergebnisse die Alterungsbeständigkeit von Solarkollektoren und Komponenten sicherstellt, ist der Branche ein wichtiges Anliegen, bei dem wir sie unterstützen können“, weiß Karl-Anders Weiß, Gruppenleiter „Gebrauchsdaueranalyse“ am Fraunhofer ISE. Die Forscher werden dabei reale Belastungsdaten unter anderem für Feuchte, UV-Strahlung, Temperatur- und Salzkonzentration ermitteln. Die Bandbreite reicht dabei von Tests an alpinen, gemäßigten und maritimen Standorten bis hin zu Messungen an ariden und tropischen Standorten. Die Teststände stehen auf der Zugspitze, in Freiburg und Stuttgart, auf Gran Canaria, in der Wüste Negev in Israel und in Indien. Zusätzlich werden die Sonnenkollektoren und Komponenten beschleunigten Bewitterungsprüfungen im Labor unterzogen. Anhand der ermittelten Daten entwickeln die Forscher validierte Alterungstestverfahren, die Aussagen über die thermische Leistungsfähigkeit während der Lebensdauer der Kollektoren ermöglichen.

Der Wunsch allein reicht nicht

Ob solche Forschungsarbeiten und Zertifikate der Branche wieder neues Leben einhauchen können, bleibt noch abzuwarten. In Deutschland braucht sie sich aber von der Politik keine Unterstützung zu erhoffen. Das zeigt die EnEV-Novelle ganz klar. So wird die Solarthermie hierzulande weiter um ihr Überleben kämpfen müssen. Da kann es auch passieren, dass die alten Hasen in der Branche unter die Räder kommen, wie das Beispiel Wagner amp; Co. Solartechnik zeigt. Der Systemanbieter im mittelhessischen Cölbe musste Ende April den Weg zum zuständigen Amtsgericht in Marburg antreten und Antrag auf Einleitung eines Insolvenzverfahrens stellen. „Leider hat sich der Markt für Solarstrom- und -heizsysteme in den vergangenen Monaten nicht so positiv entwickelt, wie wir dies in unserem Sanierungskonzept angenommen hatten“, begründet die Geschäftsleitung den schweren Schritt. „Angesichts anhaltender Verluste konnte deshalb die weitere Finanzierung unseres Geschäftsbetriebs auf Basis der bestehenden Strukturen nicht mehr sichergestellt werden.“ Zwar sind in Cölbe noch nicht alle Messen gesungen. Doch wird es für das Urgestein der deutschen Solarbranche nicht einfacher, wieder ins Geschäft zu kommen, wenn es die Bundesregierung nicht endlich ernsthaft angeht, die Klimaschutzziele auch wirklich erreichen zu wollen. Der Wunsch allein reicht da nicht. Da muss auch ein entsprechender Wille her. (Sven Ullrich)