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Regenerativmarkt Taiwan

Grüne Wende in Buddhas Reich

Die Luft ist erfüllt vom Qualm Hunderter Räucherstäbchen und dem Gesang schwarz gekleideter Buddhisten. Bunt verzierte Holzdrachen schmücken kleine Simse und Vorsprünge in dem Tempel. Überall Licht, Kerzen, auf einem reich mit Blumen geschmückten Altar sammeln sich Geschenke für die Heiligen: Obst, Kuchen, Süßigkeiten. Die Gläubigen drängen sich hier dicht an dicht und beten konzentriert. Karl-Eugen Feifel erklärt die Bedeutung der verschiedenen Figuren im Tempel. „Die dort an der Tür sind die Wächter.“ Er lebt seit über zehn Jahren in Taipeh, der Hauptstadt von Taiwan, hat mit einer Taiwanerin eine Familie gegründet. Die Sprache hatte er hier schon viele Jahre zuvor im Rahmen seines Sinologie-Studiums gelernt.

„Zusätzlich habe ich in Deutschland Physik studiert und von 1996 bis 2004 für Nordex als General Manager für die Region Asien-Pacific in Peking gearbeitet. Ich bin dann nach Taiwan zurück, um Windparks zu projektieren“, erzählt Feifel. Tatsächlich erscheint die Insel im Südchinesischen Meer mit ihrer windreichen Küste dafür bestens geeignet: Feifels Firma Infravest Wind Power Group hat ihre Windparks direkt ans Meer gestellt, wo es so stark weht, dass einem die Wagentür beim Aussteigen mit einem Ruck aus der Hand gerissen und man beim Gehen immer wieder vom Weg gedrängt wird. „Das sind hier quasi Offshore-Bedingungen“, ruft der Windparkplaner gegen die Böen an.

Die Flügel der Enercon-Turbinen vom Typ E-70 kreisen in gleichmäßigen Bewegungen – zusammen mit dem Meer eine schöne Kulisse. „Hier kommen die Leute sogar zum Heiraten her, weil Windparks etwas Besonders sind“, lacht Feifel. Wie man bei so viel Wind allerdings die Brautfrisur im Griff behält, bleibt ein Rätsel.
Infravest hat von den 650 Megawatt (MW) installierte Windleistung im Land 380 Megawatt verbaut – hauptsächlich an der Nordwestküste des Landes. „Zweiter großer Planer ist der staatliche Energieversorger Taipower. Und viel mehr Projektierer gibt es nicht“, erzählt Feifel. „Für die meisten ist das Planen hier zu bürokratisch. Außerdem sind die Gewinnerwartungen zu niedrig.“ Und auch die langfristige Finanzierung, die dafür erforderlich ist, sei in Taiwan unüblich.

Karl-Eugen Feifel beim Besuch eines seiner Windparks. - © Foto: Nicole Weinhold
Karl-Eugen Feifel beim Besuch eines seiner Windparks.

Gleichwohl, Infravest hat sich auf diesem Feld spezialisiert. Windparks mit 600 MW hat das Unternehmen in der Pipeline, dazu noch fünf Off­shore-Projekte. Seit 2012 setzt die Firma zudem auch Solarprojekte um. „In diesem Jahr werden es rund fünf bis zehn MW Photovoltaik, die wir auf gepachteten Dächern vor allem aus der Landwirtschaft errichten“, so der Unternehmer. Freiflächen-Solarparks seien wegen Widerständen in der Regierung derzeit noch kein interessantes Geschäftsfeld.

Energiesparen als Kernidee

Wie sieht die Regenerativförderung aus? So viel vorweg: Taiwan ist kein Vorreiter beim Ausbau erneuerbarer Energien und die deutsche Energiewende gilt hier nicht als Vorbild. Das Land hängt zu 99 Prozent von Energieimporten ab. Für Taiwans Präsidenten Ying-Jeou Ma ist das kein Problem. Er erklärte gerade bei der Eröffnung der grünen Industriemesse Tigis in Taipeh, diese Importabhängigkeit sei ein Vorteil, denn so könne man selbst wählen, welche Energie importiert werden solle. Ziel ist es, für die CO2-Bilanz weniger Kohle und mehr Flüssiggas einzukaufen. Gleichzeitig sprach er sich für einen entschlosseneren Ausbau der Erneuerbaren aus.

Die Anreize für den Bau von Solar- und Windparks basieren seit 2009 auf einem Einspeisegesetz. Die Preise werden jährlich von einem Preisfindungs-Komitee festgesetzt. Für die Windkraft an Land sind es in diesem Jahr umgerechnet etwa 7,5 Cent pro Kilowattstunde. Offshore soll es gut doppelt so viel geben. Zudem gibt es eine Art Sprinterbonus: Die Kilowattstunden, die vor einen bestimmten Datum erzeugt werden, bekommen einen kleinen Zuschlag.

Trotz der Fördergesetze fällt immer wieder auf: Die Erneuerbaren liegen hier nicht im Fokus der Entwicklungen. Stattdessen will die Regierung den Stromverbrauch durch Effizienzmaßnahmen bremsen. Industrie 4.0 – nicht Energiewende – ist hier in aller Munde. Seit 2012 sollen Strompreiserhöhungen Unternehmen und Privathaushalte zum Energiesparen motivieren. Durch verstärkten Einsatz von LED-Leuchten, verbesserte Geräte-, Gebäude- und Produktionstechnologien könnte reichlich Strom gespart werden – so die Hoffnung. Auf der grünen Industriemesse Tigis stellten entsprechend zahlreiche Firmen effiziente Technologien vor: energiesparende Lüftungssysteme, supereffiziente Lichtquellen, Dämmstoffe und Wandfarbe, die vor der Hitze im Sommer schützen.

Durch Effizienz soll der Strombedarf von 241,3 Terawattstunden (TWh) im Jahr 2012 bis 2030 nur auf etwa 310,6 TWh steigen – ohne die Maßnahmen würden es voraussichtlich 352,6 TWh werden.

Fast wie Offshore: Idealer Küstenstandort in Taiwan. - © Foto: Nicole Weinhold
Fast wie Offshore: Idealer Küstenstandort in Taiwan.

Das Land muss seine Klimaziele im Zuge der internationalen Klimaverhandlungen umsetzen. Taiwans CO2-Fußabdruck pro Person lag 2013 bei zwölf Tonnen. Zum Vergleich: In China liegt er bei sieben Tonnen, in Deutschland bei zehn Tonnen. Der CO2-Ausstoß ist in Taiwan bis 2010 rasant gestiegen, dann leicht gesunken. „Wir müssen unser Bestes geben, um unsere CO2-Produktion zu reduzieren“, so Ma. Die Regierung hat im August dieses Jahres das Photovoltaik-Ausbauziel für 2030 von 6,2 auf 8,7 Gigawatt angehoben.
Gleichwohl haben sich die Vorzeichen für den Ausbau erneuerbarer Energien durch die Einführung von Ausschreibungen zur Ermittlung der Vergütungshöhe in jüngerer Zeit eher verschlechtert.

Vielleicht kommt demnächst etwas Schwung in das Thema, wenn Wahlen anstehen. Denn die Opposition, der gute Chancen eingeräumt werden, strebt einen entschlosseneren Regenerativausbau an. 
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