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Trends 2023: Wachstum trotz Hindernissen

Sven Ullrich

Lange Zeit hing das Damoklesschwert bedrohlich über der Szene. Vor wenigen Monaten sauste es nieder. Inzwischen ist jedem klar, dass die fossile Energieversorgung keine Zukunft haben wird.

Das zeigt sich derzeit in allerlei Bemühungen, die Ökostromversorgung möglichst schnell und flächendeckend auszubauen. „Die Nachfrage nach Photovoltaikanlagen ist in allen Segmenten drastisch gestiegen“, weiß Maria Bauer, Projektentwicklerin bei Wi Energy. „Jedoch stellt gerade der Ausbau großer Dachfreiflächen für viele Unternehmen eine attraktive Möglichkeit dar, schnell und ohne langwierige Genehmigungsverfahren gemeinsam mit uns in die Planung und Umsetzung neuer Solaranlagen zu gehen. Auf diese Weise gelingt es vielen Firmen, ihre hohen Stromkosten schnell zu drosseln.“

Das gilt trotz der steigenden Kosten für die Solaranlagen. „Allgemein kann man festhalten, dass Solarstrom immer noch sehr attraktiv bleibt und der Preisvorteil gegenüber Netzstrom ungebrochen ist“, betont Patrik Danz, Vertriebsleiter von IBC Solar.

„Landwirte, die ihre Flächen für Photovoltaikprojekte verpachten, sind unter bestimmten Umständen steuerlich benachteiligt, da ihnen bei Hofübergabe der sogenannte Verschonungsabschlag nicht zusteht.“Amaya Hilpert, Abo Wind

Foto: Ernst Wrba Wiesbaden

„Landwirte, die ihre Flächen für Photovoltaikprojekte verpachten, sind unter bestimmten Umständen steuerlich benachteiligt, da ihnen bei Hofübergabe der sogenannte Verschonungsabschlag nicht zusteht.“
Amaya Hilpert, Abo Wind

Zwei Anlagen auf einem Dach

Positiv auf die Nachfrage nach gewerblichen und industriellen Dachanlagen werde sich auch die Anhebung der Grenze auswirken, bis zu der diese Anlagen eine festgeschriebene Einspeisevergütung bekommen, berichtet Danz. „Denn dort können nur Anlagen bis zu einer Leistung von einem Megawatt ohne Ausschreibung realisiert werden“, sagt er. Zwar sind die Vergütungen für den Überschussstrom der Eigenverbraucher relativ gering im Vergleich zu Volleinspeiseanlagen. Doch hier hilft die neue Regelung weiter, dass auf einem Dach eine Eigenverbrauchs- und eine Volleinspeiseanlage parallel betrieben werden können, auch wenn sie jeweils einen eigenen Zähler brauchen.

Doch auch im Bereich der großen Freiflächenanlagen sieht die Branche einen weiteren Ausbau. „Gerade viele Kommunen erkennen die Notwendigkeit, ihre Stromversorgung durch Photovoltaik zu ergänzen“, sagt Patrik Danz. „Der Trend zu großen Solarparks war schon vor der Novellierung des EEG zu erkennen und wird durch die Änderungen positiv gefördert“, erklärt Thorsten Blanke, Geschäftsführer von Belectric, mit Blick auf Freiflächenanlagen mit mehr als zehn Megawatt.

Foto: Jan Roeder

„In Bezug auf schwimmende Solaranlagen schränken die umgesetzten Restriktionen hinsichtlich der maximal nutzbaren Gewässeroberfläche und des Ufermindestabstands das Potenzial von Floating PV leider massiv ein.“
Marc Krezer, Baywa RE

Foto: Belectric

„Allerdings konterkarieren die aktuellen Entwicklungen zur Übergewinnabschöpfung in Verbindung mit stark gestiegenen Zinsen die Maßnahmen des EEG 2023. Dadurch wird die Finanzierung neuer Anlagen erschwert, weshalb ein Investitionsstopp in große Freiflächenanlagen droht.“
Thorsten Blanke, Belectric

Foto: Martini Media www_frankmartini-photography_de

„Moderne und leistungsfähige Komponenten in der Infrastruktur unserer Anlagen führen zu nennenswerten Effizienzsteigerungen und machen Solarparks im Kontrast zu den Veränderungen aktueller Energiepreise wirtschaftlich so attraktiv wie noch nie.“
Maria Bauer, Wi Energy

Preise weiter hoch

Schließlich ist die Photovoltaik auch im Bereich der großen Freiflächenanlagen immer noch die preiswerteste Technologie, Strom zu erzeugen – trotz der auch dort steigenden Kosten. „Denn gleichzeitig findet eine positive Entwicklung in puncto Leistungsfähigkeit unserer Anlagen statt“, sagt Maria Bauer von Wi Energy. „Moderne und leistungsfähige Komponenten in der Infrastruktur unserer Anlagen führen zu nennenswerten Effizienzsteigerungen und machen Solarparks im Kontrast zu den Veränderungen aktueller Energiepreise wirtschaftlich so attraktiv wie noch nie.“

Von kurzfristig sinkenden Preisen geht derzeit kein Projektentwickler aus. „Die Modulpreise sind gegenüber 2021 relativ stabil geblieben. Allerdings haben speziell die Abwertung des Euros gegenüber dem Dollar, die Turbulenzen an den Rohstoffmärkten sowie inflationsgetriebene Lohn- und Gehaltssteigerungen dazu geführt, dass Solarparks im Verhältnis heute wieder so viel kosten wie im Jahr 2018“, erklärt Thorsten Blanke von Belectric. „Für 2023 sehen wir die Preise auf dem aktuell hohen Niveau“, prognostiziert er. „Eine nennenswerte Reduzierung der Herstellungskosten sehen wir auf absehbare Zeit nicht, weil die Energiekosten vermutlich längerfristig hoch bleiben werden und damit auch bei den Rohstoffkosten keine Preissenkungen zu erwarten sind“, ergänzt Andreas Becker, Leiter der Projektentwicklung bei Juwi. „Zusätzlich lassen Auflagen, bürokratische Hürden und eine stärker als das Angebot wachsende Nachfrage die Preise steigen“, benennt Wojtek Swietochowski, Bereichsleiter Solartechnik und Umsetzung bei Abo Wind, einen zusätzlichen Preistreiber.

Foto: Fotostudio Klaus Gruber/Dolphin Photography

„Gerade viele Kommunen erkennen die Notwendigkeit, ihre Stromversorgung durch Photovoltaik zu ergänzen.“
Patrik Danz, IBC Solar

Langsame Genehmigungen bremsen

Doch es sind nicht die Preise, die den Zubaumotor stottern lassen. So warnt Thorsten Blanke die Bundesregierung davor, die Gewinne der Anlagenbetreiber abschöpfen zu wollen, während gleichzeitig die Zinsen steigen. „Dadurch wird die Finanzierung neuer Anlagen erschwert, weshalb ein Investitionsstopp in große Freiflächenanlagen droht“, sagt der Belectric-Chef.

Es lauert aber noch mehr Ungemach, vor allem im Bereich der großen Freiflächenanlagen. Denn während für die Photovoltaik auf dem Dach weniger Hürden bestehen, sieht das bei den Solarparks anders aus. „Die Verzögerungen resultieren aus schleppenden Bauleitplan- und Baugenehmigungsverfahren und aus deutlich verlängerten Lieferzeiten insbesondere für Netz­anschlusskomponenten“, nennt Andreas Becker von Juwi die wichtigsten Hürden bei der Planung und beim Bau von Solarparks. „Wir brauchen schnellere Genehmigungsprozesse und einen schnelleren Netzzugang“, ergänzt Wojtek Swietochowski.

Foto: juwi

„Die Verzögerungen resultieren aus schleppenden Bauleitplan- und Baugenehmigungsverfahren und aus deutlich verlängerten Lieferzeiten insbesondere für Netzanschlusskomponenten.“
Andreas Becker, Juwi

Drei Jahre bis zur Baureife

Bisher dauere die Entwicklung eines Projekts in Deutschland von der Identifizierung einer geeigneten Fläche bis zur Baureife häufig über drei Jahre, weiß Thorsten Blanke von Belectric. „Deutschland befand sich bei großen Freiflächen-Solarkraftwerken lange im Dornröschenschlaf. In den letzten beiden Jahren sind die Anfragen für Solarparks bei Gemeinden und Behörden dann stark gestiegen“, sagt er.

Doch seien die Gemeinden und Kommunen derzeit überfordert, die Anträge abzuarbeiten, was dazu führt, dass zu wenige baureife Projekte an den Ausschreibungen teilnehmen können. „Eine Vereinfachung der Genehmigungen und Bauleitverfahren wäre die Lösung“, sagt Thorsten Blanke. Dazu kommen noch weitere Ungereimtheiten und Hürden wie nicht einheitliche Standards beim Artenschutz oder unterschiedlichen Kartier- und Bewertungsmethoden für die Flächen und unverbindliche Flächenausweisungen in den Bundesländern.

So stellen vor allem in Bayern und Sachsen die Katasterämter keine Daten zur Verfügung. „Als Begründung wird hier fehlendes ‚berechtigtes Interesse‘ angeführt. Dadurch ist die Flächenakquise aufwendiger und nur in enger Zusammenarbeit mit den Gemeinden möglich“, kritisiert Amaya Hilpert, Abteilungsleiterin Projektentwicklung Solar Deutschland von Abo Wind.

Netzanschluss vereinfachen

Darüber hinaus sei es wichtig, wirtschaftliche Netzanschlusspunkte für neue Projekte zu schaffen, betont Marc Krezer, Leiter der Projektentwicklung Deutschland bei Baywa r.e. Solar Projects. „Nicht verfügbare oder nur schwer erreichbare Netzanschlusspunkte treiben die Kosten und die Unsicherheiten für den Photovoltaikausbau“, sagt er. „Auch Belange des Landschaftsschutzes hemmen teils die Projektentwicklung. Landwirte, die ihre Flächen für Photovoltaikprojekte verpachten, sind zudem unter bestimmten Umständen steuerlich benachteiligt, da ihnen bei Hofübergabe der sogenannte Verschonungsabschlag nicht zusteht“, erklärt Amaya Hilpert von Abo Wind.

Landwirte gehören zu den Investoren, die die Fläche gleich mitbringen und die in den Startlöchern stehen. Der Andrang bei den Photovoltaikanbietern auf der jüngsten Energy Decentral, der Messe für dezentrale Ökostromversorgung in der Landwirtschaft, hat das riesige Interesse offenbart. Tatsächlich sind in den letzten Jahren jede Menge Technologien entstanden, die eine Doppelnutzung von Flächen zulassen. So sei die Nachfrage nach Agri-PV-Anlagen drastisch gestiegen, berichtet Thorsten Blanke von Belectric.

Foto: ABO Wind

„Wir brauchen schnellere Genehmigungsprozesse und einen schnelleren Netz­zugang.“
Wojtek Swietochowski, Abo Wind

Landwirte fragen nach

Allerdings stehen auch hier Hindernisse im Weg. So sieht Marc Krezer von Baywa r.e. die Änderungen im EEG bezüglich der Agri-PV noch als unzureichend an. „Insbesondere hochaufgeständerte Agri-PV-Anlagen sind aufgrund ihrer speziellen Anforderungen sowie aufwendigeren Technik kapitalintensiver als normale Freiflächen-Solaranlagen“, betont er. „Hinzu kommen die gestiegenen Materialpreise. Der Bonus für Agri-PV im Rahmen der Ausschreibung ist daher deutlich zu niedrig angesetzt, um kommerzielle Projekte in der Breite anzustoßen.“

Wojtek Swietochowski kritisiert zusätzlich die uneinheitliche Definition, was Agri-PV ist, um zu einer Skalierung zu kommen. „In Frankreich spricht man schon von Agri-PV, wenn Kühe neben der Anlage grasen“, sagt er. Er sieht das Marktumfeld für hochaufgeständerte Agri-PV-Anlagen momentan als schwierig an.

Dazu kommen aber noch weitere neue Flächen wie etwa Gewässer. Konservative Berechnungen von Baywa r.e. ergeben ein Potenzial für Floating-PV-Anlagen auf industriell oder ehemals industriell genutzten, künstlichen Wasserflächen in Deutschland von über 20 Gigawatt.

Hürden für schwimmende Anlagen

Doch auch in diesem Bereich läuft es nicht reibungslos. „In Bezug auf schwimmende Solaranlagen schränken die Restriktionen hinsichtlich der maximal nutzbaren Gewässeroberfläche und des Ufermindestabstands das Potenzial von Floating PV massiv ein“, weiß Marc Krezer von Baywa RE.

Denn nur 15 Prozent des Gewässers dürfen für eine Solaranlage genutzt werden und diese muss 40 Meter Abstand zum Ufer haben. „Nach Umsetzung der Restriktionen fällt das mögliche Potenzial auf rund ein Gigawatt ab und aufgrund der dann massiv gedeckelten Anlagengrößen ist kaum ein Floating-PV-Projekt in Deutschland mehr wirtschaftlich darstellbar“, kritisiert Marc Krezer.

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