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TU Darmstadt

Wie viel Anbaufläche wird für Biokraftstoffe gebraucht?

Das Projekt Govila untersucht die Frage, ob und wie Deutschland künftig Biokraftstoffe bzw. deren Rohstoffe produzieren oder importieren kann, ohne dadurch Landnutzungsänderungen oder indirekte Landnutzänderungen (LUC oder iLUC) auszulösen. Die Erarbeitung erfolgt auf Basis einer ausführlichen Situationsanalyse durch vor-Ort-Untersuchungen und Delphi-Analysen in den Regionen. Die TU Darmstadt betrachtet hierbei die folgenden Bedarfs-Szenarien: Heutige Rechtslage in der EU (RED/FQD), heutige Rechtslage in Deutschland (Bundesimmissionsschutzgesetz und VO), veränderte Rechtslage aufgrund der laufenden Rechtsetzung (diverse Subszenarien entlang der wahrscheinlichen Kompromissfindung). Die relevanten Szenarien bilden die Grundlage für die modelltechnische Ermittlung der zu erwartenden LUC-Effekte und der damit verbundenen Kohlenstoffflüsse. Hierbei werden die LUC/iLUC-Effekte simuliert, die von der EU-Biokraftstoffgesetzgebung und ihrer nationalen Umsetzung in Deutschland hervorgerufen werden. Eingesetzt wird ein Verbund der Modelle Mirage des Internationalen Forschungsinstituts für Agrar- und Ernährungspolitik IFPRI und Landshift (Universität Kassel). Mittels dieser Modellkombination ist eine Berechnung und lokale Zuordnung der LUC/iLUC-Effekte möglich. Die Szenarien sind derzeit in der Entstehungs-und Bearbeitungsphase. Aus verschiedenen Studien geht ein zusätzlicher Flächenbedarf von rund 2,5 bis 3,5 Millionen Hektar an Ackerfläche bis 2020 für die Biokraftstoffgewinnung hervor. Dieser Flächenbedarf ist anteilig für den in Europa diskutierten iLUC-Effekt verantwortlich. Im Projekt Govila wird untersucht, wie sich dieser Flächenbedarf verändern würde, in Abhängigkeit künftiger politischer Entwicklungen in Europa und in wichtigen Importländern wie Brasilien, Indonesien oder der Ukraine (Agrarpolitik, Landnutzungspolitik, Klimaschutzpolitik).

Treibhausgas-Nettoquote

© Foto: privat

„Wir sind mitten in der Untersuchung, es gibt bisher noch keine Ergebnisse. Was man gegenwärtig allenfalls sagen kann, ist eine erste Bewertung der Biokraftstoffziele im Vergleich“, sagt Yalda Cikovani. Hier zeigt sich, dass die Treibhausgas(THG)-Nettoquote, wie sie im deutschen Recht verankert ist, eine sehr effiziente Regelung ist. 2020 werden in Deutschland die Biokraftstoffe das Rennen machen, welche die besten THG-Kosteneffizienzen aufweisen.

„Darüber, welche Szenarien für die geringste CO2-Belastung sorgen, können wir noch keine Ergebnisse präsentieren. Aber man muss bei Importen aus Ländern wie Brasilien oder Indonesien, wenn man den LUC-Effekt bei der Berechnung der THG-Einsparungen mit einbeziehen will, die realen Landnutzungsverhältnisse betrachten. Hier gehen wir mit Govila neue Wege“, so Cikovani. „Wenn man die gesetzliche Situation – was LUC anbelangt – für 2020 berechnen will, betreibt man Zukunftsforschung. Unsere Analyse für die relevanten Länder zeigt, wenn man ein erstes Zwischenfazit ziehen will, dass es nicht nur ein einziges mögliches Zukunftsszenario gibt. Folglich werden wir am Ende auch nicht mit nur einem einzigen LUC-Wert aufwarten können.“

Betrachtet werden in den Szenarien unterschiedliche Indikatoren. Für die ökonomische Entwicklung werden Weltbankindikatoren genutzt. Betrachtet wird etwa die Entwicklung der Ernteerträge oder Parameter, die für die Erweiterung der Agrarflächen in den einzelnen Ländern von Bedeutung sind. „So untersuchen wir, um ein konkretes Beispiel zu nennen, welche Bedeutung dem Moratorium für neue Lizenzen zur Waldrodung in Indonesien zukommt“, berichtet die Wissenschaftlerin. Ein weiteres wichtiges Parameter können auch die klimapolitischen Selbstverpflichtungen im Agrar- und Forstsektor sein.

Nicht zu Lasten der Ernährung

Die Teller-Tank-Problematik ist nicht direkter Gegenstand der Forschung. „Aber indirekt kommt man natürlich mit der Teller-und Tankdiskussion in Berührung, weil wir ja nicht mit Scheuklappen Forschung betreiben sollte. Es gibt in unserem Team und sicherlich auch bei unseren Projektpartner eine klare Grundhaltung. Wenn aufgrund von Flächenengpässen der Anbau von Biomasse zu Lasten der Versorgung der Bevölkerung mit Nahrungsmitteln gehen wird, sollten wir diese Entwicklung nicht fortführen“, so Cikovani. „Wir beschäftigen uns in unseren Szenarien in den relevanten Ländern intensiv mit Effizienzsteigerungspotenzialen in der Agrarwirtschaft und mit aufgegebenen oder verloren gegangenen ehemaligen Agrarflächen.“ (Nicole Weinhold)