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Eine für Grundlast – die anderen für die Spitzenlast

Die Mehrheit der Menschen in Deutschland wohnt in Ballungsgebieten. Diese Zahlen hat die Arbeitsgemeinschaft Fernwärme AGFW mit dem Gutachten „Perspektive der Fernwärme“ im vergangenen Jahr auf den Tisch gelegt, um damit die wachsende Bedeutung von Hochtemperatur- und Großwärmepumpen allein in diesem Sektor zu belegen: Etwas mehr als ein Drittel, 30 Millionen der insgesamt 80 Millionen Bürger, verteilt sich auf rund 10.000 Kleinstädte und Landgemeinden. Rund ein zweites Drittel (26,5 Millionen) lebt in den 81 Großstädten mit mehr als 100.000 Gemeldeten und die restlichen 23 Millionen leben in den 619 Mittelstädten mit 20.000 bis 100.000 Einwohnern. In 95 Prozent der Großstädte existieren Fernwärmenetze. Sie decken dort 26 Prozent des Wärmeenergieverbrauchs. Für die Mittelstädte gelten die Zahlen 50 Prozent und 13 Prozent. Die Prognosen namhafter Institute (Prognos, Agora Energiewende) laufen auch darauf hinaus, dass der Fernwärmeverbrauch bis 2030 gegenüber 2018 um etwa 30 Prozent ansteigen wird und in den Maßnahmen die energieeffiziente und CO2-neutrale Hochtemperatur-Wärmepumpe zwangsläufig eine bedeutende Rolle spielen muss.

Der Blick auf die Fernwärme soll jedoch nur die Relevanz eines breiten Angebots von leistungsstärkeren Hochtemperatur-Wärmepumpen zusätzlich unterstreichen. Die technische Herausforderung im Heizungsbereich besteht darin, Wärmepumpen zu entwickeln, die Vorlauftemperaturen über die übliche 55-°C-Grenze hinaus von mindestens 70 bis 90 oder 100 °C liefern und in bestehende Wärmeverteilsysteme mit einer Temperaturspreizung von 5 bis 20 K nachgerüstet werden können.

Die Hersteller gehen die Aufgabe mit unterschiedlichen Verfahren an. Die reichen von Systemen mit nur einem Kältekreis und nur einer Verdichterstufe mit speziellen Kältemitteln bis hin zu Mehrstufenlösungen. Wesentlich sind die spezifischen Eigenschaften des Arbeitsmediums, also des eingesetzten Kältemittels. Die Fluide für Hochtemperatur-Wärmepumpen müssen thermisch stabil und auch in Bezug auf Heizleistung, Druckbelastung und Enthalpie für die vorgesehene Anwendung geeignet sein.

Temperaturanhebung in Stufen

Die Kaskadierung, also das Hintereinanderschalten von Wärmepumpen wird heute vielfach bei größeren Wärmepumpenanlagen angewendet. Denn während Wärmepumpen im kleineren Leistungsbereich über eine entsprechende Verdichtertechnik (Inverter-Technik, Modulation) verfügen, um die Heizleistung je nach Bedarf anzupassen, so kann die Wärmepumpenleistung bei größeren Bedarfsschwankungen nicht mehr allein über den Verdichter angepasst werden. Durch eine Kaskadenschaltung und eine weitgehende Leistungsmodulation erhöht sich die Jahresarbeitszahl und verbessert somit die Wirtschaftlichkeit.

Nicht-modulierende Wärmepumpen laufen im Betrieb immer mit 100 Prozent Leistung und schalten nach Erreichen der eingestellten Temperatur ab. Lediglich in Abhängigkeit der Temperaturen der Wärmequelle und der benötigten Vorlauftemperaturen des Wärmeabgabesystems schwankt auch die Heizleistung der Wärmepumpe. Schaltet man nun Wärmepumpen in einer Kaskade zusammen, so können einzelne Wärmepumpen zu- oder abgeschaltet werden und die Heizleistung verändern. Neben einer Steigerung der Wärmepumpeneffizienz erhöht sich aber auch die Ausfall- und Betriebssicherheit, da der Heizwärmebetrieb im Bedarfsfall problemlos von einer zweiten Wärmepumpe übernommen werden kann.

Variationen von Wärmepumpenkaskaden

Eine Wärmepumpenkaskade kann entweder bivalent-alternativ oder -parallel betrieben werden. Beim bivalent-alternativen Betrieb deckt eine Wärmepumpe die Grundlast bis zu einer festgelegten Außentemperatur. Wird diese unterschritten, wird die gesamte Heizlast von der zweiten Wärmepumpe getragen. Beim bivalent-parallelen Betrieb wird beim Unterschreiten der Bivalenztemperatur die zweite Wärmepumpe zur Spitzenlastdeckung hinzugeschaltet.

Bei Wärmepumpenkaskaden können beide Wärmepumpen für Raumwärme und Trinkwassererwärmung sorgen. Alternativ ist auch die getrennte Erwärmung von Heizungs- und Trinkwasser durch jeweils eine eigene Wärmepumpe möglich.

Wird mit der Wärmepumpenanlage sowohl gekühlt als auch geheizt, so können die Wärmepumpen innerhalb einer Kaskade einzeln jeweils nur zum Heizen oder zum Kühlen oder auch gemeinsam zum Heizen und Kühlen eingesetzt werden.

Wärmepumpenkaskaden können aber auch zur kombinierten zentralen und dezentralen Versorgung von zum Beispiel Neubaugebieten eingesetzt werden. Hierbei übernehmen eine zentrale Wärmepumpe die Grundlast und viele dezentrale Wärmepumpen einzelne Spitzenlasten der Häuser.

Kaskadierung und Wärmequellen

Die Entscheidung für oder gegen eine der vorgenannten Auslegungsoptionen richtet sich in der Regel nach der Verfügbarkeit von Luft-, Erd- und Grundwasserwärme und deren Erschließungs- als auch Betriebskosten. In der Praxis werden daher häufig folgende zwei Auslegungen von Wärmepumpenkaskaden eingesetzt:

1) Kombination von mindestens zwei Luftwärmepumpen: Diese Form der Kaskadierung von Luftwärmepumpen wird häufig in Gebäuden mit hohem Wärmebedarf und Lastspitzen eingesetzt, wenn nahezu kein Beitrag über Erdwärme möglich beziehungsweise wirtschaftlich ist.

2) Kombination von mindestens zwei Erdwärmepumpen mit zum Beispiel unterschiedlichen Erdwärmeübertragern: Eine solche Kombination wird meistens dann eingesetzt, wenn der am günstigsten zu erschließende Erdwärmeübertrager nicht die volle Wärmeversorgung erbringen kann.

Eine Kaskadierung von Wärmepumpen mit unterschiedlichen Umweltwärmequellen und insbesondere Erdwärmequellen macht zudem ein Wärmequellenmanagement notwendig, um nicht eine Wärmequelle überzustrapazieren. Dies kann jedoch auch als Vorteil genutzt werden, indem zum Beispiel in Übergangszeiten, in der nur eine Wärmepumpe erforderlich ist, die Wärmequellen aller Wärmepumpen auf ein Gerät geleitet werden und sich damit die Erdwärmequellentemperatur und die Wärmepumpen-Effizienz deutlich erhöhen können.

Eine Sonderform der Wärmepumpenkaskadierung stellt das Hintereinanderschalten zweier Wärmepumpenkreisläufe in einem Aggregat dar, um zum Beispiel in Altbauten mit hohen Vorlauftemperaturen eine monovalente Heizwärmeversorgung zu gewährleisten. Die beiden Kreisläufe sind dabei durch einen Wärmeübertrager thermisch miteinander verbunden, der zwei Funktionen übernimmt. Zum einen dient der Wärmeübertrager als Verflüssiger der ersten Wärmepumpe und zum anderen als Verdampfer der zweiten Wärmepumpe. Aufgrund der unterschiedlichen Medientemperaturen müssen in den jeweiligen Wärmepumpen jedoch unterschiedliche Kältemittel eingesetzt werden. Beide Wärmepumpen müssen zudem dauerhaft zusammen in Betrieb sein, da nur die zweite Wärmepumpe Wärme an das Heizungssystem abgibt.

Alexander Sperr,
Referent Normung & Technik beim Bundesverband Wärmepumpe (BWP)

BWP

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