Die dritte Novelle der Erneuerbaren-Energien-Richtlinie, die sogenannte RED III brauchte anderthalb Jahre, um auf die Welt zu kommen. Nur: Eine europäische Richtlinie lebt damit noch nicht. Um lebendiges Recht zu werden, bedarf es ihrer Umsetzung durch die Mitgliedstaaten in deren nationales Rechtssystem. Deshalb wies die RED III die Mitgliedstaaten an, spätestens bis zum 21.05.2025 die zur Umsetzung erforderlichen Rechtsvorschriften in Kraft zu setzen. In Deutschland trat mit leichter Verspätung am 15.08.2025 das „Gesetz zur Umsetzung von Vorgaben der Richtlinie (EU) 2023/2413 für Zulassungsverfahren nach dem Bundes-Immissionsschutzgesetz und dem Wasserhaushaltsgesetz, zur Änderung des Bundeswasserstraßengesetzes, zur Änderung des Windenergieflächenbedarfsgesetzes und zur Änderung des Baugesetzbuchs“ in Kraft. Das sei eine 1:1-Umsetzung der europäischen Vorgabe, so die Gesetzesbegründung, und bedeutet: Man habe das umgesetzt, was die RED III verlangt, nicht mehr und nicht weniger. Bei Lichte betrachtet dürfte der Gesetzgeber die Richtlinienvorgaben aber eher nur „mehr oder weniger“ umgesetzt haben.
Beschleunigungsgebiete
Das gilt zum einen für die „Beschleunigungsgebiete“. Sie sind das zentrale Instrument der RED III, um Genehmigungsverfahren zu beschleunigen. Art. 15c RED III verpflichtet deshalb die Mitgliedstaaten, solche Gebiete planerisch auszuweisen. Dabei hätten solche Beschleunigungsgebiete für jede Form der erneuerbaren Energien, z. B. auch Solarenergie, umgesetzt werden können. Der neue Paragraf (§) 249c BauGB und § 28 Abs. 2 ROG verpflichten die kommunalen und regionalen Planungsträger aber allein zur Ausweisung von Beschleunigungsgebieten für die Windenergie. Zudem ermöglicht das Umsetzungsgesetz mittels Öffnungsklausel den Bundesländern, diese Ausweisungspflicht per Landesgesetz ins Ermessen der Planungsträger zu stellen, sobald die bis 2032 zu erreichenden Flächenbeitragswerte nach dem WindBG erreicht sind. Eine derartige „Befristung“ der Pflicht zur Ausweisung von Beschleunigungsgebieten sieht die RED III nicht vor. Der Umsetzung von Art. 15c könnte also kein langes Leben beschieden sein.
Keine Genehmigungsfiktion, keine UVP, dafür Öffentlichkeitsbeteiligung
Innerhalb dieser „Beschleunigungsgebiete“ ist nach Art. 16a RED III lediglich ein „Screening“ der Umweltauswirkungen eines Vorhabens durchzuführen. Ermittelt dieses keine höchstwahrscheinlich erheblichen, unvorhergesehenen, nachteiligen Umweltauswirkungen, so sollen nach der RED III Vorhaben als „unter Umweltgesichtspunkten genehmigt“ gelten. Zwar ist das Screening-Verfahren in § 6b WindBG dem Grunde nach umgesetzt, aber die Genehmigungsfiktion nicht. Vielleicht sah sich der Gesetzgeber dazu nicht veranlasst, weil er gleichzeitig von der Ausnahmemöglichkeit des Art. 16a Abs. 5 RED III Gebrauch machte und bei zu erwartenden nachteiligen Umweltauswirkungen eines Windenergieanlagen-Vorhabens innerhalb von Beschleunigungsgebieten eine UVP erspart. Nur ordnet er dabei wiederum abweichend nicht nur Minderungsmaßnahmen an, sondern zusätzlich eine Öffentlichkeitsbeteiligung. Die RED-III verlangt aber in diesen Fällen selbst bei nachteiligen Umweltauswirkungen allein die Anordnung von Minderungsmaßnahmen und keine Öffentlichkeitsbeteiligung.
§ 2 EEG
Schon 2022 hatte der deutsche Gesetzgeber in § 2 EEG verankert, dass die erneuerbaren Energien im überragenden öffentlichen Interesse liegen und der öffentlichen Sicherheit dienen. Die Anerkennung eines solchen überragenden öffentlichen Interesses verlangt jetzt Art. 16f RED III zwingend, und zwar „bis zum Erreichen der Klimaneutralität“. Ausgerechnet das Umsetzungsverfahren nutzte der deutsche Gesetzgeber, um § 2 EEG teilweise ein Ende zu setzen: Durch eine Änderung des WindBG besteht nunmehr an Vorhaben außerhalb von Windenergiegebieten kein überragendes öffentliches Interesse mehr, sobald die Flächenbeitragswerte des WindBG erreicht sind – nicht etwa Klimaneutralität. Zwar ermöglicht Art. 16 f RED III die gesetzliche Anerkennung eines überragenden öffentlichen Interesses an den Erneuerbaren Energien auf „bestimmte Teile des Hoheitsgebietes“ oder „bestimmte Arten von Technologie“ zu beschränken. Das aber nur „in hinreichend begründeten Einzelfällen“, welche nach den Erwägungsgründen allenfalls beispielsweise bei „Gründen der nationalen Verteidigung“ vorliegen.
An alldem wird deutlich: Der Gesetzgeber hat jedenfalls einzelne Richtlinienvorgaben teilweise gar nicht erst zum Leben erweckt – oder ihnen sogleich wieder den Todesstoß versetzt.