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Als die Einladung für die Veranstaltung am 20. Oktober 2022 an die Fachwelt herausging, waren die Erwartungen sehr hoch. Der grüne Wirtschaftsminister Robert Habeck sollte die Revolution in der Digitalisierung der Energiewende verkünden. Den Höhepunkt markierte die Aussage, dass der Minister sich die intelligenten Zähler mit der Post schicken lassen und diese dann ohne weiteres selbst installieren und in Betrieb nehmen könne. Allen im Raum war völlig klar, dass diese Aussage jeglicher Grundlage entbehrte. Die Veranstaltung machte einmal mehr deutlich, wie sehr die Auffassungen in Bezug auf den Smart-Meter-Rollout auseinandergehen.

Die Historie

Als die Diskussion über ein künftiges Energiesystem mit hohem Anteil an erneuerbaren Energien begann, gab es ein klares Zielbild. In den modernen Prosumer-Haushalten, die über eine Photovoltaikanlage und möglichst einen Speicher verfügen, sollten elektrische Geräte und Verbraucher wie Heizungs- oder Lüftungsanlagen sowie Ladepunkte für die Elektromobilität derart miteinander verknüpft werden, dass daraus ein intelligentes, aktiv steuerbares Energiesystem entsteht, das Netzbetreiber nutzen, um das Netz abzusichern. Gas, Wärme und Wasser sollten per Smart Meter automatisiert abgelesen und abgerechnet werden können. Der Endverbraucher sollte seinen aktuellen Verbrauch kennen und entsprechend sparen können. Kein intelligentes Messsystem kann diese Funktionen bis heute erfüllen.

Sicherheitskriterien werden heruntergestuft, um mehr Anbieter in den Markt zu bringen

Zwei Sicherheitsaspekte

Es müssen zwei voneinander getrennte Sicherheitsdimensionen betrachtet werden: die Sicherheit in der kritischen Infrastruktur des Energiesystems und die im Grundgesetz verankerte Unversehrtheit der Wohnung. Beide Aspekte werden in der Fachdiskussion unscharf voneinander getrennt. Wenn über die automatisierte Steuerung von Anlagen eine Sabotagemöglichkeit entsteht, etwa durch Manipulation der Prognosewerte in Erzeugung und Verbrauch, können netzkritische Werte überschritten werden. Ein Stromausfall wäre die Folge. Die Steuerungseinheiten und die Datenübertragungswege müssen also effektiv von äußeren Eingriffen abgeschirmt werden. Aus diesem Grund hat das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnologie (BSI) klare Sicherheitskriterien erstellt. Die ernüchternde Realität ist, dass kein einziger der zertifizierten Gateway-Hersteller diese Kriterien vollumfänglich erfüllen kann. Im Gegenteil, die Sicherheitskriterien werden heruntergestuft, um mehr Anbieter in den Markt zu bringen. Für IT-Sicherheitsexperten ist das gerade mit Blick auf Russland und den Cyber-War mit USA und China unhaltbar.

Der zweite Sicherheitsaspekt ist in Artikel 13 Grundgesetz definiert. Die Wohnung ist unverletzlich. Mit dem intelligenten Messsystem wird an der Privatsphäre der Bürger operiert. Die Argumentation, Bürger hätten Alexa in ihrer Küche und gingen nicht sparsam mit ihren Daten um, verfängt hier nicht. Der Bürger darf privat entscheiden, seine Daten mit allen Menschen und den großen Marketingkonzernen zu teilen. Die gesetzlich verordnete Pflicht für den Einbau eines intelligenten Zählers, der Daten aus der Wohnung über eine unsichere Verbindung in den für alle zugänglichen Keller sendet, von wo aus ein geschickter Hacker die Daten über das Internet auslesen, manipulieren und willfährig nutzen kann, verletzt Artikel 13 des Grundgesetzes auf das Schärfste. Es geht um das Vertrauen in unser digitales Zusammenleben. Binden wir künftig die Bereiche Smarthome, Smart Living, Healthcare, Homebanking und andere relevante Lebensbereiche mit ein, wird klar, dass das Gateway ein Sicherheitstor ist, durch das nur die Daten gehen, die der Nutzer dafür als geeignet erachtet. Kein bisher auf dem Markt befindliches Konzept greift diesen Sicherheitsaspekt auf.

Was ist neu?

Mit dem neuen Gesetz werden die oben genannten Problemfelder nicht gelöst. Neu ist, dass keine Grenzen für den gestaffelten Rollout mehr gelten. Man darf also sofort mit einem agilen Full Rollout beginnen. Zudem entfallen Markterklärung und Drei-Hersteller-Regel. In der Folge können so neue Konzepte entstehen und eingesetzt werden, die einem Mehrzweck-Gateway näherkommen. Die Kosten werden gerechter verteilt, der Netzbetreiber trägt bis zu 80 Euro pro Jahr mit. Das neue Gesetz konkretisiert und vereinheitlicht die Verantwortlichkeiten und die Kosten von Standard- und Zusatzleistungen, um bundesweit bessere Vergleichbarkeit zu erlangen. Die Lieferketten und weitere Sicherheitskriterien fallen und sollen den Rollout günstiger machen. Ein neues Projektmanagement im Bundeswirtschaftsministerium fasst die Player und zuständigen Behörden zusammen, um bessere Koordination und einheitlichere Ergebnisse zu erzielen. Gleichzeitig wird die Branche aufgefordert, neue und verbesserte Konzepte zu entwickeln. Es geht also in die richtige Richtung. Nur beim Thema Sicherheit gibt es eine risikoreiche Abschwächung.

Was bedeutet das für die Kommunen?

Die Kommunen haben in jeder Hinsicht mehr Spielraum. Wer keinen Handlungsdruck hat, kann die kommenden zwei bis drei Jahre nutzen, um mit dem Netzbetreiber ein solides Rollout-Konzept zu entwickeln, das echte Mehrwerte für die Bürger beinhaltet. Es sind vielversprechende und sichere Multi-Service-Gateways in der Entwicklung, die in drei Jahren für einen Rollout zur Verfügung stehen und einen greifbaren Nutzen für den Kunden darstellen. Kommunen, die jetzt unter Zeitdruck stehen und einen möglichst schnellen Rollout umsetzen müssen, haben die Möglichkeit, auf preiswertere Systeme zuzugreifen und sie in einem agilen Rollout kostensparend in die Fläche zu bringen. Dabei werden die Bürger kostenmäßig entlastet. Im schlimmsten Fall müssen die heute ausgerollten Gateways in wenigen Jahren ausgetauscht werden.

Als Fazit kann man sagen, der Neustart der Digitalisierung der Energiewende bietet viele gute Chancen. Jetzt kommt es darauf an, diese intelligent zu nutzen.

Lars Waldmann,
Geschäftsführer, EW-Con GmbH

Foto: ew-con GmbH

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