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Windkraft in Schleswig-Holstein

Kieler Alarmruf: Brauchen schnelle Verfahren und Sonderzulassungen.

Tilman Weber

Die Kieler Landesvertretung für den Bundesverband Windenergie (BWE) hat vor einem bloßen Festhalten der Landesregierung Schleswig-Holsteins an ihrem Moratorium zum Windenergieausbau gewarnt und von dieser ein Sofort-Maßnahmenpaket gefordert. Am Donnerstag rief BWE-Landes-Geschäftsstellenleiter Marcus Hrach die Landesregierung dazu auf, angesichts einer erneut geplanten Verlängerung des Moratoriums bis Ende 2020 nun mit Ausnahmegenehmigungen neue Windparks zuzulassen. Zugleich müsse die Politik die Genehmigungsverfahren vereinfachen und beschleunigen.

Der Vorstandsvorsitzende des BWE Schleswig-Holstein (BWE SH) Horst Leithoff verwies hierzu auf im vergangenen Jahr nur noch 20 neu genehmigte Anlagen. Damit war bei den Neuzulassungen für weiteren Windparkzubau im Land erstmals seit Beginn des Moratoriums im Jahr 2015 der Fast-Nullpunkt erreicht: Seit der Zulassungsflut im Jahr 2014 mit Genehmigungen für Installationen weiterer Windparks mit 1,2 Gigawatt (GW) – also 1.200 Megawatt (MW) – hatte das Moratorium grünes Licht für weitere Projekte rasch seltener werden lassen. Nach einem kleinen Zwischenhoch im Jahr 2016 mit 280 neu genehmigten Anlagen brachen die Zulassungen nun soweit ein, dass womöglich das Nullwachstum für die Windstrom-Erzeugungskapazität im Land in Kürze droht.

Null- oder gar Minuszubau der Windkraft zeichnet sich ab

Die Rechnung ist einfach: Schon 2018 waren nur noch Anlagen mit insgesamt 147 MW neu ans Netz gegangen. Nach Abzug der ebenfalls im vergangenen Jahr vom Netz genommenen und abgebauten Altanlagen, die womöglich kaputt sind oder im Austausch gegen lukrativere neue Anlagen wichen, fiel der Nettozubau mit nur noch knapp über 100 MW gerade noch dreistellig aus. Die 20 neu genehmigten Anlagen aus dem vergangenen Jahr könnten indes selbst dann kein dreistelliges MW-Wachstum mehr garantieren, wenn sie in einem der nächsten Jahre allesamt ans Netz gingen und keine Altwindturbine den Betrieb einstellen müsste.

Weil allerdings ab 2021 überall im Bundesgebiet eine große Anzahl von Turbinen den Betrieb einstellen wird, deren Förderung durch eine erhöhte Einspeisevergütung gemäß Erneuerbare-Energien-Gesetz endet, zeichnet sich damit jetzt in Schleswig-Holstein das Null- oder gar Minuswachstum ab. Zumal in dem traditionellen Windkraft-Bundesland besonders viele Altwindparks stehen. „Die Branche braucht jetzt schnellstmöglich mehr Genehmigungen für den Bau von Windenergieanlagen“, betonte der BWE-SH-Vorstandsvorsitzende.

Neues Moratorium durch Jamaika-Koalition

Mit dem Moratorium hatte die Landesregierung 2015 auf ein Gerichtsurteil des Oberverwaltungsgerichts in Schleswig reagiert, das einzelne Regionalpläne in Bezug auf darin ausgewiesene Windparkentwicklungsflächen für ungültig erklärt hatte. Die Juristen hatten verlangt, diese Vorrangflächen seien bisher nicht konsequent nach in sich stimmigen, transparenten und klar überprüfbaren Kriterien ausgewiesen. Das müsse Schleswig-Holstein vor einer Ausweisung neuer Vorrangflächen korrigieren. Weil aber ungültige Vorrangflächen prinzipiell dazu führen, dass Windkraft gesetzlich plötzlich überall zugelassen ist, reagierte die damalige Landesregierung mit dem Moratorium: Neue Genehmigungen dürfen vorerst nirgendwo im Land erfolgen, bis die Regionalpläne korrigiert sind und neue Vorrangflächen gelten.

Das immer nur befristet zulässige Moratorium hatte die vorige Landesregierung und ihre Landtagskoalition aus SPD und Grünen bereits 2017 erstmals verlängert. 2018 setzte die neue Jamaika-Koalition von CDU, FDP und Grünen die zweite Verlängerung durch – und will nun laut Informationen des BWE die dritte Verlängerung aussprechen.

BWE: Brauchen jetzt Ausnahmegenehmigungen und schnelle Verfahren

Die bisher geltenden Moratoriumsregeln des Landes lassen allerdings Ausnahmegenehmigungen zu. Diese will der BWE nun zur Geltung kommen lassen: „Die Landesregierung muss bis Ende des Moratoriums Ausnahmen nach Paragraf 18a Landesplanungsgesetz erteilen, die einen ausreichenden Zubau von Windenergieanlagen ermöglichen, um die energie- und klimapolitischen Ziele des Landes zu erreichen“, forderte am Donnerstag Landesgeschäftsstellenleiter Hrach.

Um das Ziel der Jamaika-Koalition eines Ausbaus der Windenergie im Land auf 10 GW bis 2025 zu erreichen, sei ein Netto-Ausbau um jährlich 650 MW notwendig, betonte Hrach. Um das noch zu schaffen, müsse die Politik auch die Genehmigungspraxis vereinfachen und die Genehmigungsdauern von gemäß Bundesdurchschnitt 700 bis 800 Tagen auf 300 Tage reduzieren.

Doppel-Nachweise und redundante Gutachten vermeiden

Hrach betonte, möglicherweise seien „verlässliche Vereinbarungen über den Umfang einzubringender Antragsunterlagen zu treffen“. Zudem „sollten gültige Erkenntnisse aus vorliegenden Gutachten“ zu drohenden Gefahren durch Windparks auf Kleintiere am Boden sowie auf Vögel oder Fledermäuse „weiter genutzt werden, anstatt gänzlich neue Untersuchungen anzufordern“. Auch seien Nachforderungen weiterer Gutachten und Prüfauflagen in einem schon fortgeschrittenen Genehmigungsverfahren nun kritisch auf den Prüfstand zu stellen. Die Landesregierung müsse zudem Fristverlängerungen für Einwendungen durch sogenannte Träger öffentlicher Belange „auf ein notwendiges Mindestmaß zurückführen“. Und schließlich müsse die Bundesregierung das vor allem für den Stromnetzausbau geschriebene neue Planungsbeschleunigungsgesetz auf Erneuerbare-Energien-Projekte ausdehnen.