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Wachstum – so schnell es geht

Nicole Weinhold

Wie stehen die Aussichten für Speichertechnologien in diesem Jahr? Beatrice Schulz, im Bundesverband Energiespeichersysteme (BVES) Referentin Marktbeobachtung und Analyse, und Katja Esche, Referentin Kommunikation, sehen den Wandel des Energiesystems in vollem Schwung: Von fossilen zu erneuerbaren Energien, von zentralen Kraftwerken zu dezentralen PV- oder Wind-Erzeugungsanlagen. „Passive Verbraucher werden zu aktiven Prosumern, versorgen sich weitgehend selbst und stellen überschüssige Energie für andere Haushalte bereit“, so Schulz. Die erfolgreiche Energiewende benötige neben der erneuerbaren Energieerzeugung vor allem zeitliche und örtliche Flexibilität. Das mache Energiespeicher zur Schlüsseltechnologie für die Energiewende, die Nachhaltigkeit, Wirtschaftlichkeit und Versorgungssicherheit zugleich ermöglicht.

„Diese Entwicklungen sowie die Trends zur Systemintegration und Selbstversorgung treiben den Einsatz der Speichertechnologien voran. Die Marktzahlen beweisen: Im Heimspeichermarkt erleben wir derzeit ein gewaltiges Wachstum. Rund 100.000 Hausspeicher kamen im Jahr 2020 neu hinzu“, erklärt Esche.

Gleiches gelte für den Bereich Industrie und Gewerbe. Der Druck auf die Industrie zur Einhaltung der Klimaschutzvorgaben wachse immer weiter. Mit dem Ergebnis, dass viele selbst beginnen zu handeln, wenn sich sonst nichts tut. „Im Industriebereich kann ein Großteil der Dekarbonisierung nur über Wärme erreicht werden. Wärmespeicher machen die Nutzung von Ab- und Prozesswärme möglich, verstetigen die erneuerbare Wärmeerzeugung und sorgen dafür, dass umweltfreundliche Energie flexibel und effizient in der Wärmeversorgung, der Mobilität und der Industrie eingesetzt wird“, so Esche.

Batteriespeichersysteme finden bereits heute in verschiedenen Bereichen von Industrie und Gewerbe Anwendung. Im Zuge der steigenden Nachfrage nach E-Mobilität und dem Ausbau von PV-Anlagen wird der Bedarf nach Ansicht der Expertinnen des BVES weiter steigen.

Der Einsatz von Wasserstoff, insbesondere im Industriebereich, werde durch die Wasserstoffstrategie der Bundesregierung derzeit wirksam vorangetrieben. Technologien wie Power-to-X ermöglichten grünen Strom langfristig zu speichern und in andere Stoffe wie z.B. Wasserstoff umzuwandeln und so zu einem späteren Zeitpunkt zu nutzen. Zusätzlich zur Energiespeicherung böten sie die Möglichkeit, der Industrie grüne Rohstoffe bereitzustellen und tragen zur flexiblen Sektorenkopplung bei.

„Doch nicht nur die Nachfrageseite gibt deutlich Signale: Investoren und Versicherer setzen größtenteils nur noch auf zukunftsfähige klimafreundliche Assets“, so Schulz. Und auch im Hinblick auf den viel zu langsam vorankommenden Netzausbau spreche alles für Speicher.

Wo Licht ist, fallen auch Schatten. Derzeit wird das Potenzial von Speichern noch nicht voll realisiert. „Das größte Hindernis dafür ist der unpassende rechtliche Rahmen: Das deutsche Energierecht kennt die Energiespeicherung als selbstständiges Element des Energiesystems nicht. Dies ist der Hauptgrund für überbordende Bürokratie, doppelte Abgaben und Steuern sowie erschwerte Betriebs­bedingungen von Speichern“, so Schulz.

Dabei habe die EU bereits den Grundstein gelegt: Die Elektrizitätsbinnenmarktrichtlinie hat Energiespeicherung rechtlich definiert und ihre Rolle anerkannt. Deutschland folge nun langsam. Auch der Koalitionsvertrag der neuen Bundesregierung bringe Hoffnung: Eine eigenständige Definition für Energiespeicher werde darin explizit gefordert. Wenn korrekt umgesetzt, biete die Definition eine solide Basis für die weitere Regulatorik, die den Energiespeichereinsatz effizient sowie wirtschaftlich macht und damit die Energiewende voranbringt, so der BVES.

Senec-Chefin Aurélie Alemany erwartet 30 Prozent Wachstum weltweit.

Foto: SENEC

Senec-Chefin Aurélie Alemany erwartet 30 Prozent Wachstum weltweit.

Tesvolt: Rasantes Wachstum

Wie sieht Tesvolt den deutschen Speichermarkt 2022? „Der Markt wird weiterhin in allen Bereichen rasant wachsen“, sagt Daniel Hannemann, der zusammen mit Simon Schandert die Geschäftsführung von Tesvolt inne hat. „Einerseits, weil der Preis für Strom und Wärme aus fossilen Energiequellen immer weiter steigt und für Betriebe bezahlbare und planbare Energiekosten immer mehr in den Vordergrund rücken“, so der Anbieter für Batteriespeicher. „Andererseits stehen in vielen Bundesländern Investitionsförderprogramme zur Verfügung, auch in Kombination mit Ladeinfrastruktur.“ Die neue Koalition wolle Stromspeicher als eigenständige Säule des Energiesystems endlich rechtlich definieren.

„Voraussetzung dafür ist allerdings, dass genügend Batteriespeichersysteme auf dem Markt verfügbar sind. Das ist aktuell die größte Herausforderung für Hersteller, weil es durch die Pandemie nach wie vor Lieferengpässe bei einzelnen Komponenten gibt. Wir konnten uns zum Glück frühzeitig Batterien unseres strategischen Partners Samsung SDI für die kommenden Jahre sichern. Damit sind wir trotz der in vielen Branchen bestehenden Rohstoffknappheit unabhängig und lieferfähig“, so Hannemann.

ERNEUERBARE ENERGIEN wollte wissen, wieviel Speicherleistung Tesvolt in diesem Jahr ausliefern will. „Unsere Planung geht davon aus, dass wir im laufenden Jahr nochmal 60 Prozent mehr Speicherleistung ausliefern als in 2021“, so Co-Chef und Mitgründer Simon Schandert. „Im ­Februar werden wir unsere automatisierte Fertigung erweitern, eine neue Lagerhalle ist bereits im Bau. Wir werden knapp 100 neue Mitarbeiter einstellen, sodass wir mehr als 200 Tesvoltianer sein werden.“

Tesvolt erzielt inzwischen über 40 Prozent ­seines Umsatzes im Ausland. „Wir verstärken unseren internationalen Vertrieb weiter, in 2022 ist auch der Markteintritt in Nordamerika geplant“, so Schandert. Aktuell hat Tesvolt in Europa bei gewerb­lichen Energiespeichern einen Marktanteil von rund 20 Prozent, in Deutschland liegt der Marktanteil im Kernsegment der Batteriespeicher in den Größenklassen von 30 Kilowattstunden (kWh) bis zu einer Megawattstunde (MWh) sogar bei 49 Prozent. Weltweit hat Tesvolt mehr als 2.500 Speicher­projekte realisiert.

Senec: Autarkie weiterhin im Trend

Aurélie Alemany, Vorsitzende der Geschäftsführung der Senec GmbH, betont, der Trend zu maximaler Autarkie bei der Hausenergieversorgung werde sich fortsetzen. „2021 ist der deutsche Heimspeicher-Markt um 40 Prozent stark gewachsen – auch für 2022 gehen wir von einem ungebremsten Wachstum von circa 30 Prozent aus. Und das nicht nur in Deutschland, dem aktuell größten Markt in Europa, sondern weltweit.“

Alemany bewertet die Rahmenbedingungen in Deutschland „ausgesprochen positiv“. „Das Bekenntnis im Koalitionsvertrag zu erneuerbaren Energien, aber auch die Aussage, dass Speicher eine „zentrale Rolle” im Energiemarktdesign spielen, geben uns viel Rückenwind“, so die Senec-Chefin. „Klares Trendthema: Wie gelingt es, mehr Solarstrom zur Unterstützung von Heizung und Warmwasserbereitung zu verwenden? Aktuell vernetzen wir unsere Heimspeicher immer häufiger mit Wärmepumpen und Heizstäben.“ Weitere innovative Technologien von Drittanbietern werden laut Alemany dazukommen und in das Senec.360-Ökosystem eingebunden.

E-Mobilität bedeute heute die Kombination aus solaroptimiertem Laden, smartem Stromspeicher, PV-Anlage und Wallbox. „Perspektivisch geht es um die Nutzung des E-Autos als Zwischenspeicher, um erneuerbare Energien noch umfangreicher zu ­nutzen. Bis es zum bidirektionalen Laden kommt, wird es allerdings noch dauern“, sagt die Senec-Chefin.

Franz-Josef Feilmeier, Geschäftsführer der Fenecon GmbH, sieht Stromspeichersysteme und offenes, ­intelligentes ­Energiemanagement als zentrale Pfeiler der Energiewende.

Foto: FENECON

Franz-Josef Feilmeier, Geschäftsführer der Fenecon GmbH, sieht Stromspeichersysteme und offenes, ­intelligentes ­Energiemanagement als zentrale Pfeiler der Energiewende.

Fenecon: Energiemanagementsysteme

Franz-Josef Feilmeier, Geschäftsführer der Fenecon GmbH, einem führenden Hersteller von Stromspeichersystemen, blickt positiv auf den weiteren Jahresverlauf: „Die Speicherbranche wird 2022 den Durchbruch erleben. Nicht nur bei klassischen Heimspeichern zur einfachen Erhöhung des Eigenverbrauchs aus PV-­Anlagen, sondern nunmehr als zentrales Instrument einer 100-Prozent-Energiewende. Um die – endlich EEG-​Umlage- und bürokratiefreie Sektorkopplung zu einem echten Mehrwert für den Anwender zu machen, sind Speicher mit intelligenten und auf das Projekt anpassungsfähigen Energiemanagementsystemen gefragt.“

Sie müssen laut Feilmeier beispielsweise ­mehrere Ladepunkte, Wärmepumpen und die mit dem Smart-Meter-Einstieg und Atom- und Kohle-​Ausstieg unweigerlich vor der Tür stehenden variablen Stromtarife in einem wirklichen Energiewende-System kombinieren können. Das funktioniere nicht über Hersteller-eigene Lösungen, dafür brauche es Plattformen. „Beispielsweise ist die von vielen Herstellern gemeinsam entwickelte Energiemanagement-Plattform OpenEMS dank der gesicherten Unabhängigkeit für den Anwender und der Ein­fachheit in der Projektumsetzung eine optimale Lösung dafür“, so der Fenecon-Chef.

Speicher werden nach seiner Einschätzung dort zum Normalfall, wo man früher das Netz ausgebaut hätte. „Anstatt wie bisher Kupfer in der Erde zu vergraben, Trafos zu bauen und Baukostenzuschüsse zu be­zahlen – nur um dann höhere Lastspitzen aus dem Netz abrufen zu können, stellen leistungsstarke Gewerbespeicher an Ladeparks oder Industrie­gebäuden die flexiblere, schnellere und günstigere Lösung dar“, sagt Feilmeier. Auch hier komme dem Energiemanagement – beispielsweise in Form eines dynamischen Multi-­Ladepunkt-Managements – eine große Bedeutung zu.

Dabei werde es in Zeiten steigender Kosten und von Materialengpässen die zentrale Herausforderung für Hersteller sein, ausreichend hochwertige Speichersysteme für die vielen Heim-, Gewerbe- und Ladeparkprojekte zur Verfügung zu stellen.

Katja Esche,
Kommunikation, BVES

BVES

Beatrice Schulze,
Marktbeobachtung und Analyse, BVES

BVES

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