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Auf Holz gebaut

Katharina Wolf

Es ist eine Premiere – wieder mal. Mit der Hasslacher Gruppe wagt sich erneut ein Unternehmen an einen Holzturm für Windenergieanlagen. Lange hatten sich die Österreicher bedeckt gehalten, was ihre konkreten Pläne angeht, doch jetzt präsentiert Werner Mussnig, Geschäftsführer der Hasslacher Green Tower, das neuartige Konzept für den hölzernen Turm.

2012 hat Timbertower einen Turm gebaut

Es ist schon eine Weile her, dass eine Windenergieanlage auf einem Holzturm errichtet wurde – Ende 2012 hatte das Start-up Timbertower an der nördlichen Stadtgrenze von Hannover, gut sichtbar von der Autobahn A2, eine 1,5-Megawatt-Anlage von Vensys auf einen 100 Meter hohen Prototyp gesetzt. Doch das Unternehmen konnte trotz des hoffnungsvollen Starts und Projekten in der Pipeline nicht nachlegen.

Dass elf Jahre später die Zeit reif ist für einen neuen Versuch, davon ist Mussnig überzeugt. Vorteile bietet das Material genug: Holz spart Emissionen, kann regional verarbeitet werden, ist langlebig, recyclebar, unkompliziert zu transportieren und – nicht zuletzt wichtig für die Akzeptanz – sympathisch. Und tatsächlich sprechen einige Argumente dafür, dass Hasslacher dort Erfolg haben könnte, wo Timbertower scheiterte.

73 Meter soll der hölzerne Teil eines Hybridturms mit 137 Meter Nabenhöhe werden.

Über 100 Jahre Erfahrung mit Holz

Zum einen steht hinter der Holzturmentwicklung kein Start-up, sondern eine Firmengruppe mit 2.000 Mitarbeitern, die seit mehr als 100 Jahren nichts anderes tut, als sich mit dem Werkstoff Holz zu beschäftigen. Gebaut hat das Unternehmen Brücken, Kirchendächer, Aussichtstürme und sogar ein Hochhaus in Wien, alles aus Holz. Man ist also geneigt, Mussnig zu glauben, wenn er sagt: „Wir kennen unseren Werkstoff.“

Zum anderen habe Hasslacher bei der Entwicklung des Turms auf bewährte Materialien und Technologien gesetzt und die Wirtschaftlichkeit zum obersten Prinzip gemacht, betont er. „Für uns war die Entwicklung des Holzturms Innovation genug.“ Dieser besteht aus einer Fachwerkslösung, die die Lasten entlang der Konstruktion abgeleitet. Höhen bis 160 Meter seien daher kein Problem und Material spare man auch, so Mussnig. Geschützt wird das Holz über eine hinterlüftete Lamellenlösung, ebenfalls ein im Holzbau bekanntes und standardisiertes Konzept.

So soll der Hybridturm aus Stahl- und Holzgittermast von Hasslacher aussehen.

Illu: Hasslacher Gruppe

So soll der Hybridturm aus Stahl- und Holzgittermast von Hasslacher aussehen.

Vier relativ kleine Einzelfundamente

Um den Turm möglichst witterungsunabhängig errichten zu können, will Hasslacher auf der Baustelle nicht kleben, sondern schrauben: Die Ver­bindungen im Holzbau werden mittels eines bewährten Stahldübelsystems vorgefertigt. „Auf der Baustelle wird nur noch Metall mit Metall verschraubt, sodass wir zum Aufbau auch keine Spezialkräfte brauchen“, so Mussnig. Punkten will das Unternehmen auch mit dem Fundament: Der Turm benötige vier relativ kleine Einzelfundamente von insgesamt rund 360 Kubikmetern statt eines Flächenfundaments.

Im Unterschied zu Hasslacher setzt Modvion auf eine ­Vollholzlösung aus verklebten Modulen.

Illu: Modvion

Im Unterschied zu Hasslacher setzt Modvion auf eine ­Vollholzlösung aus verklebten Modulen.

2 Megawatt soll eine Anlage von Vestas haben, die voraussichtlich 2024 auf einem 100 Meter hohen Holzturm von Modvion installiert wird.

Erste Typenzertifizierung liegt vor

Mittlerweile ist ein wichtiger Meilenstein erreicht: Die erste Typenzertifizierung liegt vor, gemeinsam mit der Westfalenwind-Gruppe will Hasslacher ein Pilotprojekt in Etteln südlich von Paderborn errichten. Allerdings wird hier noch kein Vollholzturm gebaut, sondern eine Hybridversion aus einem 73 Meter hohen Holzteil mit einem circa 60 Meter hohen Stahlaufsatz, auf dem sich in 137 Meter Nabenhöhe eine Vensys 126 mit 3,8 Megawatt (MW) drehen soll. „Es wurde bewusst auf einer bereits entwickelten und marktüblichen Windenergieanlage aufgesetzt, um das Konzept schnell in den Markt zu bringen“, sagt Westfalenwind-Geschäftsführer Michael Obst.

Richtig schnell ging es allerdings nicht: „Leider war der Zertifizierungsaufwand deutlich langwieriger als zu Beginn eingeschätzt. Der Werkstoff Holz in Verbindung mit einer Energieanlage hat viele Grundlagennachweise erfordert, für die aufwendige Tests durchgeführt werden mussten.“ Insbesondere der Witterungsschutz musste detailliert nachgewiesen werden. Bis die Anlage steht, wird es wegen der Lieferfristen von Vensys noch ein bisschen dauern.

2024 soll es so weit sein. Bis dahin will auch der zweite Anbieter von Holztürmen in Europa seine ersten Prototypen errichtet haben. Das schwedische Start-up Modvion plant, noch in diesem Jahr einen 100 Meter hohen Holzturm für eine aufgearbeitete Vestas V90 mit 2 MW Leistung in Schweden zu errichten – das erste kommerzielle Projekt für das 30-Mitarbeiter-Unternehmen im Auftrag des Energieversorgers Varberg Energi. Im Unterschied zu Hasslacher setzen die Schweden auf eine Vollholzlösung aus verklebten Verbundholzmodulen.

Auf der Baustelle wird nur noch Metall mit Metall verschraubt, sodass wir zum Aufbau keine Spezialkräfte brauchen.

Werner Mussnig, Geschäftsführer Hasslacher Green Tower

Vattenfall ist potenzieller Kunde

Eine 6-MW-Anlage von Vestas soll dann folgen – der Hersteller hat 2021 eine Minderheitsbeteiligung an dem Start-up erworben. Einzelheiten dazu will Modvion allerdings noch nicht verraten. „Für diesen Turm wollen wir alle Zertifizierungen erhalten, damit wir unser Geschäft ausbauen können“, sagt Modvion-­Sprecherin Sara Woodgate. Parallel dazu sollen Produktionskapazitäten mit einem zweiten Werk für die Serienproduktion ausgebaut werden. Potenzielle Kunden seien Energieversorger wie Vattenfall, mit dem schon ein Letter of Intent für intensivere Zusammenarbeit abgeschlossen wurde, oder Enel Green Power.

„Wir planen auch Projekte mit Turmherstellern in Richtung Verbundwerkstoffe“, berichtet er. Zudem seien auch Anlagenhersteller und Projektentwickler interessiert. „Alle wollen ihre CO2-Emissionen reduzieren“, so Mussnig. Laut einer Studie der TU München reduziert schon die Produktion des Hasslacher Hybridturms den CO2-Ausstoß gegenüber aktuellen Turmkonzepten um bis zu 1.000 Tonnen. Dieser Wert könne künftig noch verbessert werden, wenn ab 2025 die ersten Vollholztürme errichtet werden, erklärt Mussnig.

Dieses Argument überzeugte letztlich auch Westfalenwind. „Für uns – ein regional aktives Unternehmen, das laufend neue Technologien sucht, um dem erklärten Ziel des Klimaschutzes und der Erzeugung sauberer Energie näherzukommen – bedeutet dies eine tolle Lösung für einen weiteren Schritt Richtung sauberer Energie und nachhaltiger Produkte“, so Geschäftsführer Obst. Er ist offen für eine weitere Zusammenarbeit, wenn das Pilotprojekt errichtet, ausgewertet und der Turm weiterentwickelt wird: „Im Zuge dieses Prozesses stehen wir dann gerne weiter als Kunde und Betreiber solcher Anlagen mit Holzturm parat“, sagt Obst.

1.000 Tonnen weniger in die Luft geblasenes Treibhausgas CO2 ließen sich maximal mit der Produktion des Hasslacher Hybridturms im Vergleich zur Produktion eines Turmes aktueller Baukonzepte erreichen. Das besagt eine Studie der TU München.

Teilabschnitt eines Holzturms von Modvion in der Produktion

Foto: Modvion

Teilabschnitt eines Holzturms von Modvion in der Produktion

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