„Das Backloading lebt immer noch“, teilt Groote mit. Es ist ein Verweis darauf, dass das EU-Parlament mit der konservativen Mehrheit unter Führung der Europäischen Volkspartei (EVP) das Instrument im April noch abgelehnt hatte. Manche Konservative hatten dem Vorhaben allerdings noch eine zweite Chance eingeräumt und es zur weiteren Diskussion in den Umweltausschuss verwiesen.
Das so genannte Backloading sieht vor, dass 2015 neun Millionen Zertifikate zwischenzeitlich aus dem Emissionsrechte-Handel herausgenommen werden, um die für jeweils eine Tonne CO2-Ausstoß geltenden Rechtetitel wieder aufzuwerten. Weil der Markt in der Vergangenheit von zu vielen Zertifikaten überschwemmt worden ist, sind die Preise längst so weit abgestürzt, dass der Handel zusammengebrochen ist. So ist es für die Unternehmen billiger, über die ihnen eingeräumten Emissionsrechte hinaus CO2 auszustoßen und Zertifikate zu kaufen, als den CO2-Ausstoß zu reduzieren. Und dies gilt auch nur, wenn sie nicht ohnehin genügend Zertifikate für ihren hohen Ausstoß auf Vorrat besitzen.
Der im Juni erreichte Kompromiss zielte darauf ab, dass sechs Millionen Zertifikate in einen Fonds fließen, aus dem Maßnahmen der Industrie zur Reduzierung ihrer Abgase gefördert werden. Zuletzt gingen die Beobachter davon aus, dass schon ab 2016 die Zertifikate wieder zurück in den Handel gebracht werden. In der ersten Abstimmungsversion hatte das Backloading noch die Rückführung erst ab 2019 vorgesehen. Doch laut Mitarbeitern von Ausschussberichterstatter Groote ist gemäß dem jetzt verabschiedeten Plan noch nicht einmal der Zeitplan sicher.
Verhandlungen der EU-Staaten müssen folgen
Der weitere Fortgang der Reform ist zudem noch nicht in trockenen Tüchern. So müssen auch die Regierungschefs zustimmen. Die Abstimmung im Ausschuss war nur knapp mit 344 zu 311 Stimmen für den Kompromiss ausgegangen. Deutschland will laut einer Aussage Angela Merkels vom Mai den Kompromiss voranbringen, doch voraussichtlich erst nach der Bundestagswahl. Die Bundesregierung zeigte sich innerhalb des Kabinetts bisher selbst nicht einig. Manche Lände sprechen sich zudem generell gegen das Backloading aus. Für eine Zustimmung braucht es mindestens 255 Stimmen im Europäischen Rat, der Runde der Regierungschefs der 28 Nationen der Europäischen Union (EU). Nach jetzigem Stand sind 16 Nationen mit 191 Stimmen für den Kompromiss, drei mit 43 Stimmen dagegen. Mit einem Stimmgewicht von 111 sind die übrigen inklusive Deutschland noch unentschieden.
Die Reaktionen auf das Backloading sind gemischt. Einzelne Unterstützer wie die Windturbinenfirma Vestas oder der Europäische Windenergieverband EWEA begrüßen den Kompromiss. Er gebe Vertrauen in den Zertifikate-Handel zurück, heißt es von der EWEA. Andere Befürworter, aber natürlich auch weiterhin die Gegner des Backloadings üben aber auch Kritk: Der Schritt sei zu klein, um den Handel wieder in Gang zu setzen, twittert die Grünen-Energiewende-Epxertin Bärbel Höhn. Der CDU-EU-Parlamentarier Herbert Reul lamentierte über eine „Wendehals-Entscheidung“.
(Tilman Weber)