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Wechsel von den trägen Turbinen zu schnellen Umrichtern 

„Sichere Netzwerklösungen für stabilen Betrieb netzgekoppelter Batteriespeichersysteme“ lautet Ihre Botschaft zur Solar- und Speichermesse The Smarter E. Solche Netzwerklösungen erlaubten „eine skalierbare und sichere Kommunikation“ zwischen Batteriecontainern, Power Conversion Systems – also den zwischen Batterie und Netz hin und zurück als Wechsel- und Gleichrichter wirkenden PCS, und dem Energiemanagementsystem sowie dem Umspannwerk. Inwiefern würde diese elektronische Kommunikation, gäbe es mehr davon, künftige Netzüberlastungen durch wegbrechende Photovoltaikeinspeisung wie nun in Spanien geschehen zumindest abmildern?

Martin Jenkner: Die Ursachen des Black-outs Ende April in Spanien sind im Moment immer noch nicht klar und ich möchte die aktuelle Diskussion nicht mit weiteren Vermutungen anheizen. Es kommt jedoch in diesem Zusammenhang eine wichtige Diskussion in Gang: Wie gehen denn Übertragungsnetzbetreiber mit der Herausforderung um, dass mit dem steigenden Anteil von Photovoltaik weniger Versorgungsstabilität durch die Trägheit rotierender Turbinen zur Verfügung steht? Schließlich haben PV-Anlagen keine rotierenden Elemente, sie gehen über Wechselrichter ans Netz, deren Verhalten keine nennenswerte Trägheit kennt …

Martin Jenkner_Head of Energy Segment_Moxa Europe

Moxa

Martin Jenkner_Head of Energy Segment_Moxa Europe

Im Gegensatz also zu rotierenden großen Kraftwerksturbinen, die bei plötzlichen Laständerungen den Frequenzänderungen binnen Sekundenbruchteilen durch ihre Trägheit bis zu zehn Sekunden lang entgegenwirken, als Momentanreserve, bis Reservekraftwerke mehr Leistung nachliefern oder Kraftwerke ihre Leistung stark reduzieren.

Martin Jenkner: Ich finde, dass in diesem vermeintlichen Nachteil eigentlich ein Vorteil steckt, denn Wechselrichter lassen ja grundsätzlich Phase, Frequenz und Amplitude frei ansteuern. Der immer häufiger verwendete Begriff der „netzbildenden Wechselrichter“ beschreibt das gut. Meiner Meinung nach wird diese Technologie die Art, wie in Zukunft unsere Energienetze stabilisiert werden, dramatisch verändern. 

Hört sich paradox an: Mit Photovoltaik also das Netz stabilisieren?

Ich denke da eigentlich eher an Batteriespeicher, denn die können ja nicht nur einspeisen, sondern auch Energieüberschuss abfangen. Das wird immer relevanter, denn in Europa werden über die nächsten Jahre mehr als 20 GW Speicherleistung pro Jahr ans Netz gehen. Und alles natürlich über Wechselrichter beziehungsweise PCS. Für Batteriespeicher tun sich zurzeit sowieso ständig neue Einsatzgebiete auf. Sowohl durch fallende Batteriepreise als auch durch immer leistungsfähigere Wechselrichter erschließen sich immer mehr Anwendungen. Die Europäische Energiespeichervereinigung EASE listet allein 18 Anwendungen für Batteriespeicheranlagen auf, die sich mit netzdienlichen Diensten befassen. Viele davon helfen, Übertragungsnetze im Sekundenbereich zu stabilisieren. Das ist sehr beeindruckend. Ich habe den Eindruck, dass sich hier ganz neue Welten im Regelmarkt auftun.

Sie nennen „eine zuverlässige Überwachung und Steuerung der Energieströme für maximale Rentabilität, Zuverlässigkeit …“ als besondere Stärke künftiger 100-Prozent-Erneuerbaren-Systeme. Was ist die Schwierigkeit dabei, ein entsprechend geeignetes Kommunikationssystem einzurichten?

Martin Jenkner: Was sich als eine einzelne Batteriespeicheranlage mit zum Beispiel 200 Megawatt Maximalleistung dem Übertragungsnetzbetreiber präsentiert, ist ja in Wirklichkeit eine Anlage aus um die Hundert einzelnen Batteriecontainern und einer vergleichbaren Anzahl von Wechselrichtern. Damit all diese Wechselrichter dem Kommando des Netzbetreibers folgen, müssen sie zuverlässig angesteuert werden können. Man muss die PCS-Systeme der Batteriecontainer auf Kommando zeitsynchron und zuverlässig ansteuern. Das ist nicht trivial, denn für höchste Zuverlässigkeit müssen Sie redundante Kommunikationssysteme aufsetzen, damit nach dem Ausfall einer Kommunikationsverbindung eine alternative Kommunikationsverbindung aktiv wird. Diese Kommunikationssysteme müssen für die Kunden aber auch erschwinglich sein. Die Leistungsfähigkeit typischer IT-Redundanzprotokolle wie zum Beispiel RSTP stößt da schnell an ihre Grenzen. Wir setzen dann unser proprietäres, also eigenes Redundanzprotokoll ein, das sich über rund zwei Jahrzehnte in den unterschiedlichsten industriellen Anwendungen bewährt hat. Wir wenden das in riesigen, ringförmigen Kommunikations-Netzwerken an, die aus Hunderten von Switchen bestehen können. Einzelne Linkausfälle werden trotz dieser Netzwerkgröße in wenigen Millisekunden durch Ersatz-Links kompensiert. So konnte Moxa schon vor ein paar Jahren den damals weltweit größten Energiespeicher mit über einem Gigawatt Leistung mit redundanter Kommunikation ausstatten. Hunderte von PCS-Systemen mit ihren Containern wurden so in ein zuverlässiges Kommunikationssystem aus Hunderten von Switchen integriert. Der Betreiber hat damit auch unter widrigen Betriebsumständen immer volle Kontrolle über seine Anlage.

Wieso ist das so wichtig? Und: Mit einer Visualisierung der Redundanzprotokolle wollen Sie besonders kurze Zeiten zur Netzwerkwiederherstellung erreichen, sagen Sie! Wie ist das technisch zu verstehen?

Martin Jenkner: Wenn ein Netzbetreiber in einer kritischen Netzsituation einer Speicheranlage sagt, dass sie entsprechend eines Grid Codes binnen zwei Sekunden auf volle Leistung hochfahren soll, muss diese nicht nur den Befehl schnell umsetzen, sie muss auch automatisiert bei einem Ausfall eines Kommunikationssystems sofort einen Ersatzpfad im Kommunikationssystem übernehmen lassen. Das müssen Sie sich wie bei einem Auto vorstellen, dass bei einem im Rennen auftretenden Platten den Ersatzreifen innerhalb des Bruchteils einer Sekunde bei voller Fahrt tauschen lässt. Das Einspringen einer Ersatzkommunikationsleitung muss aber im laufenden Betrieb so schnell und reibungslos erfolgen, dass die Speicheranlage und ihre Betreiber gar nicht mitbekommen, dass sie bildhaft gesprochen einen Platten hatten.

Gibt es seitens der Moxa-Technik auch Obergrenzen für diese gewünschte Verfügbarkeit?

Martin Jenkner: Selbst bei den größten Anlagen sehen wir noch keine Grenzen, denn unsere Ringstrukturen lassen sich kaskadieren und verschachteln. Das ist wie ein Baukasten. Das „Problem“ ist eigentlich eher: Nach dem Reifenwechsel – dem Wechsel von einer Kommunikationsverbindung zur nächsten – muss das Netzwerk den Betreibenden mitteilen, dass es den Reifenwechsel vorgenommen hat und die Betreibenden bei der nächsten Ausfahrt, einer Erzeugungspause der Photovoltaikanlage zum Beispiel, sich mit einem neuen Ersatzreifen ausrüsten müssen. Doch der Anlagenbetreiber bekommt aufgrund des reibungslosen Ersatzes eines defekten Pfads überhaupt nicht mit, dass er schon in Anführungszeichen „mit dem Reservereifen fährt“. In seinem Scada-System sind schließlich alle PCS-Systeme im Rahmen der Abfrageintervalle dauernd erreichbar gewesen.

Wir liefern dazu unsere Netzwerk-Management-Software MXView, die visuell darstellt, wo der Netzwerkausfall aufgetreten ist, und die dies auch an darüber liegende Managementsysteme zum Beispiel per Syslog weiterreicht. Es müssen also nicht Hunderte von Switchen und Verbindungen einzeln untersucht werden.

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