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Wiederkehrende Turbinen-Prüfung

Turbinen-Prüfung fehlen Standards

Der zügige Ausbau der Windenergie hat seine Schattenseiten. In der Anfangszeit forderte der Markt in immer kürzeren Intervallen neue Anlagengrößen, ohne den ausreichenden Zeitraum für den Test von Prototypen oder Nullserien einzuhalten. Dies führte – insbesondere beim Erreichen der Megawattklasse – zu einer Vielzahl vermeidbarer Mängel bis hin zu kostspieligen Serienschäden an Hauptkomponenten wie Rotorblatt und Getriebe. Ob Betreiber, Hersteller oder Versicherung – letztlich zahlte die gesamte Windbranche buchstäbliches Lehrgeld für diese überstürzte Entwicklung.

Im Bereich der Kraftfahrzeuge soll seit 1951 durch die Hauptuntersuchung gemäß Straßenverkehrs-Zulassungs-Ordnung sichergestellt werden, dass keine Kraftfahrzeuge mit Sicherheitsmängeln am deutschen Straßenverkehr teilnehmen. Daher wird die Hauptuntersuchung in Deutschland nicht von Behörden, Werkstätten oder Herstellern, sondern von staatlich anerkannten Prüforganisationen vorgenommen. Ein System, das von der Unabhängigkeit der Prüfer profitiert, sollte auch die Grundlage der Prüfung von Windenergieanlage sein.

Prüfpflicht

In Deutschland ergibt sich die Prüfpflicht von Windenergieanlagen aus:
1. Baugenehmigung
2. Typenprüfung und der damit in Verbindung stehenden gutachterlichen Stellungnahmen zur Maschine
3. der Richtlinie für Windenergieanlagen vom Deutschen Institut für Bautechnik (DIBt) vom Oktober 2012
4. Berufsgenossenschaftlichen Vorschriften (BGV) A1, Unfallverhütungsvorschrift – Grundsätze der Prävention
5. Betriebssicherheitsverordnung – Teilbereiche der Anlage
Die fachgerechte Prüfung der Windenergieanlage ist ein wichtiger Baustein für den Erhalt von Werten und zur Vermeidung von Gefahren. Mit der ordnungsgemäßen Durchführung der Wiederkehrenden Prüfung (WKP) kommt der Unternehmer seiner rechtlichen Pflicht nach. Dadurch gewährleistet er nicht nur die Arbeitssicherheit – er erhöht auch die Einsatzbereitschaft seiner Maschine und minimiert das Ausfallrisiko. Gerade bei größeren Anlagen sollten Stillstandszeiten aus energetischen und finanziellen Gründen verkürzt werden. Man sollte hier nicht nur vordergründig die kurzfristigen Einsparpotenziale einer einfachen, reduzierten Prüfung sehen, denn der Nutzen aus einer fachkundigen und unabhängigen Wiederkehrenden Prüfung liegt um ein Mehrfaches höher.

Unabhängigkeit wahren

Sachverständiger Veltrup bei der Arbeit. - © Foto: Veltrup
Sachverständiger Veltrup bei der Arbeit.

Die Prüfung der Windenergieanlagen ist grundsätzlich eine Unternehmerhaftung. In der Praxis sollte der Unternehmer die Prüfung aus Gründen der Unabhängigkeit nicht selbst durchführen. Er kann diese Verantwortung durch Übertragung seiner Fürsorgepflicht delegieren. Dafür benennt er jemanden, der für die ordnungsgemäße Durchführung und Dokumentation der Prüfung die Verantwortung übernimmt und dafür haftet. Der Unternehmer hat auch die Pflicht festzustellen, ob der Prüfer in eigener Verantwortung seine Prüfung vornimmt und somit Ansprüche an die Glaubwürdigkeit und Objektivität erfüllt oder ob er einseitiger Beeinflussung oder fachlicher Weisung unterliegt. Dies könnte zum Beispiel der Fall sein, wenn der Mitarbeiter der technischen Betriebsführung oder des Serviceunternehmens gleichzeitig die Wiederkehrende Prüfung der Anlage vornimmt.

Wiederkehrende Prüfungen sind in regelmäßigen Intervallen durch Sachverständige an Maschine und Rotorblättern sowie an der Tragstruktur (Turm und zugängliche Bereiche der Fundamente) durchzuführen. Die Prüfintervalle ergeben sich aus den gutachterlichen Stellungnahmen zur Maschine, die Bestandteil der Typenprüfung sind. Sie betragen höchstens zwei Jahre, dürfen jedoch auf vier verlängert werden. Dafür muss ein Sachkundiger, der vom Hersteller autorisiert ist, eine laufende – mindestens jährliche – Überwachung und Wartung der Windenergieanlage durchführen.

Sollte der Hersteller die Wartung nicht in eigener Verantwortung durchführen, ist es für den Prüfer kaum nachvollziehbar, ob die Herstellerfirma das Wartungsunternehmen entsprechend autorisiert hat. Eine Festlegung des Prüfintervalls ist somit kaum möglich.

Umfang der Prüfung

Der Umfang der Wiederkehrenden Prüfung beinhaltet die gesamte Maschine einschließlich der elektrotechnischen Einrichtungen des Betriebsführungs- und Sicherheitssystems sowie der Rotorblätter im Hinblick auf einen mängelfreien Zustand. Dabei müssen die Prüfungen nach den Vorgaben in dem begutachteten Wartungspflichtenbuch und gegebenenfalls weiteren Auflagen in den übrigen Gutachten und der Baugenehmigung durchgeführt werden. Es ist sicherzustellen, dass die sicherheitsrelevanten Grenzwerte entsprechend den begutachteten Ausführungsunterlagen eingehalten werden.

Für den Turm und das Fundament (Fundamentkeller und Sockel) ist mindestens eine Sichtprüfung durchzuführen. Die einzelnen Bauteile, besonders die Rotorblätter, sind aus unmittelbarer Nähe zu untersuchen. Es ist zum Beispiel zu prüfen, ob die Turmkonstruktion im Hinblick auf die Standsicherheit Schäden wie Korrosion, Risse, Abplatzungen in den tragenden Stahl- und Betonkonstruktionen aufweist. Zu prüfen ist auch, ob unzulässige Veränderungen gegenüber der genehmigten Ausführung bestehen, zum Beispiel bezüglich der Vorspannung der Schrauben, der zulässigen Schiefstellung, der erforderlichen Erdauflast auf dem Fundament. Gerade die Ermittlung, ob die zulässige Schiefstellung des Turms eingehalten wird, ist nur mit messtechnischem Aufwand möglich.

Für die Wiederkehrende Prüfung sind durch den Prüfer mindestens die folgenden Unterlagen einzusehen:

Wartungspflichtenbuch
Prüfberichte der bautechnischen Unterlagen für Turm und Gründung
Auflagen im Maschinen-, Last- und Bodengutachten
Baugenehmigungsunterlagen
Bedienungsanleitung
Inbetriebnahmeprotokoll
Berichte der früheren Wiederkehrenden Prüfungen und der Überwachungen und Wartungen
Dokumentation von Änderungen, Reparaturen an der Anlage und Genehmigungen
Abschließend muss vom Sachverständigen im Rahmen des Prüfberichts eine schriftliche Aussage über den aktuellen Zustand der Anlage getroffen werden. Insbesondere geht es um die Frage, ob Auffälligkeiten bestehen, die Anhaltspunkte dafür bieten, dass die Standsicherheit der Anlage ganz oder teilweise gefährdet ist, oder ob unmittelbare Gefahren von der Maschine und den Rotorblättern ausgehen.

Erhebliche Sicherheitsrelevanz

Das Condition Monitoring System hat diesen Schaden übersehen. Der Zahnabbruch stand kurz bevor. - © Foto: Veltrup
Das Condition Monitoring System hat diesen Schaden übersehen. Der Zahnabbruch stand kurz bevor.

Die Überprüfung von Transformatoren in Gondeln stellt erhebliche Sicherheitsanforderungen an das Personal. Ein Riss in der Transformatorisolation ließe sich zum Beispiel ohne das Betreten des Transformatorraumes gar nicht feststellen. Die profane Nutzung einer Wärmebildkamera ohne die Begehung des Transformatorraums könnte selbst einen erheblichen Schaden nicht erkennen. Der fachkundige Blick in das geöffnete Getriebe sollte immer Grundlage der Prüfung sein, auch wenn ein Condition-Monitoring-System integriert ist. Hierzu ein Beispiel: Der Abbruch eines Zahns auf 75 Prozent der Zahnbreite stand kurz bevor. Das Monitoring-System hatte in diesem Fall den erheblichen Schaden nicht erkannt.

Wiederkehrende Prüfungen sollten mindestens die folgenden Grundlagen berücksichtigen:
- „Grundsätze für die Wiederkehrende Prüfung von Windenergieanlagen“, Bundesverband WindEnergie, Fassung vom 29.10.12
- Richtlinie für Windenergieanlagen, „Einwirkung und Standsicherheitsnachweise für Turm und Gründung“, Deutsches Institut für Bautechnik, Fassung Oktober 2012
- DIN EN 61400 „Windenergieanlagen
- DIN EN 50308 „Windenergieanlagen, Schutzmaßnahmen, Anforderungen an Konstruktion, Betrieb und Wartung“
- Anlagenspezifikation, Wartungshandbuch, Windenergieanlage-Dokumentation vor Ort
- Betriebssicherheitsverordnung (BetrSichV), die deutsche Umsetzung der Arbeitsmittelrichtlinie 89/655/EWG, später ersetzt durch Richtlinie 2009/104/EG,
- Berufsgenossenschaftliche Regeln wie zum Beispiel BGI 657

Qualifikation des Sachverständigen

Regeln für die Eignung und Qualifikation des Sachverständigen für Windenergieanlagen gibt es zahlreiche. Entsprechend Paragraph 36 der Gewerbeordnung sind die öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen zur unabhängigen, weisungsfreien, persönlichen, gewissenhaften und unparteiischen Leistungserbringung verpflichtet. Die besondere Fachkunde des Sachverständigen wird von einem Prüfungsgremium beurteilt.

Entsprechend den allgemeinen Berufsregeln von 2012 und den Anforderungen an den Sachverständigen des Bundesverbands Windenergie von 2007 sollten die Sachverständigen unter anderem Folgendes erfüllen: Sie arbeiten neutral, sie handeln unabhängig, weisungsfrei, persönlich und unparteiisch und sind allein ihrem Gewissen verpflichtet.
Die Sachverständigen dürfen nicht in eigenen Angelegenheiten tätig werden, also nicht, wenn das Ergebnis der Sachverständigentätigkeit für oder gegen sie verwendet werden kann. Sie dürfen in keinem Abhängigkeitsverhältnis stehen, welches die Tätigkeit beeinträchtigen könnte (zum Beispiel Angestelltenverhältnis zu Hersteller, Betriebsführer, Instandhaltungsunternehmen, Betreiber).

Fazit: Werden die vorgenannten Anforderungen von den Prüfern erfüllt, wird gewährleistet, dass die Wiederkehrende Prüfung hohe Ansprüche an die Qualifikation, Aus- und Weiterbildung, Gesundheit und Arbeitssicherheit stellt. Langfristig wird sich für den Unternehmer eine umfassende, fachkundige und unabhängige Wiederkehrende Prüfung positiv darstellen. Kurzfristige geringe Einsparungen, die bei einer einfachen, reduzierten Prüfung möglich sind, werden sich nicht langfristig auszahlen. W

Dieser Fachbeitrag von Martin Veltrup, Öffentlich bestellter und vereidigter Sachverständiger der IHK Oldenburg für Windenergieanlagen, und Christoph Weiermann,
Sachverständiger für Windenergieanlagen und Schäden an Getrieben von Windenergieanlagen, Windexperts Prüfgesellschaft mbH , ist in der Printausgabe von ERNEUERBARE ENERGIEN vom März erschienen. Wenn er Ihnen gefallen hat, bestellen Sie jetzt ein kostenloses Probeabo.