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Windbranche erwartet Impulse von ihrer Leitmesse

In einer Situation der „rasant wechselnden politischen Bedingungen“ für die weltweite Energiewende erwarte er von der Wind Energy Hamburg „nützliche Impulse und Lösungen“, betonte Bernd Aufderheide, Geschäftsführer der Messegesellschaft HMC, am Freitagmittag auf einer Pressekonferenz in der Hansestadt. Es gehe um „Ideen dazu, was möglich sein wird“ mit einer technologisch immer besseren Windenergie und unter künftigen politischen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen. Auch die Chancen der digitalen Steuerung von Windstromerzeugung werde an Ständen und in Konferenzsälen eine wichtigere Rolle spielen denn je, deutete Aufderheide an.

Die Messe wird zusammen mit der Konferenz Wind Europe vom 25. bis 28. September rund 1.400 Aussteller, 250 Referenten und bis zu 35.000 weitere Besucher versammeln. Inhaltlich haben die Ausstellungsveranstalter drei Schwerpunkte der Produkt- und Dienstleistungsschau ausgemacht und heben diese durch die Hallenordnung hervor: Dynamische Märkte, Smart Energy und Kosteneffizienz. Die vom europäischen Windenergieverband Wind Europe veranstaltete gleichnamige Konferenz lässt hingegen an jedem der vier Tage ein anderes Thema bearbeiten. Hier sind es vier Fokusthemen. So stehen am Dienstag die weitere Elektrifizierung der Energieversorgung und die Sektorkopplung auf dem Programm, am Mittwoch Digitalisierung und neue Technologien, am Donnerstag das Marktumfeld für die Windkraftindustrie und am Freitag neue Märkte ebenso wie neue Grenzen der Expansion der Windbranche.

Das weltgrößte Branchentreffen werde so international sein wie nie, betonte Aufderheide. Es werde die gesamte globale Industrie der Windkraft abdecken. Konkret werden erstmals Aussteller aus 40 verschiedenen Ländern kommen.

Mittels einer Videobotschaft verwies Wind-Europe-Geschäftsführer Giles Dickson ebenfalls auf die rasanten Veränderungen, die für den Erfahrungsaustausch der Branche im September prägend sein werden. „Windenergie beschreitet neue Wege“, sagte Dickson wiederholt. Der Zubau von Windparks finde in mehr und mehr Ländern statt und drücke die Kosten weiter nach unten, erklärte Europas Branchensprecher. Dabei bezog sich Dickson auf die Dynamik von fast flächendeckend in den Mitgliedsstaaten der Europäischen Union zuletzt eingeführten Ausschreibungen als Instrumente, um unter hohem Wettbewerbsdruck die Projektierer im Wettstreit um begrenzte Ausschreibungsvolumen mit immer geringeren Vergütungsforderungen gegeneinander antreten zu lassen.

Die gewachsene Bedeutung der Windkraftbranche als Lieferant nicht nur nachhaltig erzeugter sondern auch kostengünstiger Elektrizität sehen die Konferenzmacher von Wind Europe in Besuchen von Politikern in Hamburg und hochrangiger Vertreter wichtiger Energieorganisationen verkörpert. So wird der Chef der Weltenergieagentur IEA, Fatih Birol, die Konferenz eröffnen. Wind Europe erwarte zudem den Besuch vieler Vertreter von Regierungen, betonte Dickson.

Auch der Generalsekretär des Weltwindenergierats GWEC, Steve Sawyer, hält die rasch sinkenden Preise für die Einspeisung aus neuen Windparks als Treiber einer rasanten Ausbreitungsgeschwindigkeit. Sawyer zitierte die Ergebnisse der jüngsten GWEC-Prognose für die kommenden Jahre: Mit Brasilien, Argentinien und Mexiko sieht er alleine in Süd- und Mittelamerika drei wichtige Märkte mit sehr interessanten Auktionen, die im Wesentlichen eine solide Pipeline von drei Gigawatt neuer Windpark-Kapazitäten in Südamerika alleine in diesem Jahr garantieren dürften. Für Indien seien bis Mitte der 2020-er Jahre Zubauvolumen von bis zu sechs, acht oder zehn Gigawatt jährlich zu erwarten. Die USA mit ersten Offshore-Projekten, die bisher schlafenden Riesen Saudi-Arabien und Russland oder auch mit einer „dramatischen Entwicklung“ Taiwan stünden unmittelbar davor, bisher überhaupt nicht in Angriff genommene Potenziale nun ernsthaft zu erschließen.

Laut der Hamburger Messe geht die wahrgenommene Ausbreitungsdynamik der Windkraft einher mit dem Besuch mehrerer internationaler Delegationen wie je einer aus Argentinien, China, Taiwan und Mexiko oder möglicherweise auch einer aus Südafrika: für das führende Windenergie-Land des Kontinents versuchen die Organisationen noch eine solche Delegation vorzubereiten. „Fast 50 Prozent der rund 1.500 Standbetreiber“, sagte HMC-Chef Aufderheide, „kommen dieses Mal aus dem Ausland.“ 22 nationale oder regionale Pavillons trügen zudem dem Interesse an den vielen Großräumen weltweit Rechnung, in denen der Windparkzubau gerade stark Fahrt aufnimmt, skizzierte Aufderheide.

Die wachsende Bedeutung der Offshore-Windkraft bildet die Messe mit einem Anteil von 40 Prozent aller Messestände ab, die wenigstens zu einem Teil irgendwie auch an der Installation oder am Betrieb der Turbinen im Meer beteiligt sind. Drei der neun Hallen sollen speziell mit Offshore-Windkraft-Ausstellern bestückt werden.

Der Vorstand des Bremer Windparkprojektierers WPD, Gernot Blanke, verwies am Freitag allerdings auch auf die Tücken der oft stoßweise verlaufenden nationalen Windkraftoffensiven. So hätten sich in Europa zuletzt nur Frankreich und Deutschland als die am meisten stabilen Länder erwiesen, was einen steten Zubau neuer Windturbinen betrifft. Italien, Spanien und Polen hingegen stünden aufgrund jüngster Auktionsrunden nach zuvor Jahren teils komplett eingestellten Zubaus wieder vor einer Gigawatt-Ausbauphase. In Finnland gehe das bisherige, für regelmäßigen Zubau von rund 500 Megawatt verantwortliche System eines festen Einspeisetarifs Ende des Jahres in ein Ausschreibungssystem über. Ende 2018 sollen gut 1,5 Gigawatt neue Windkraft ausgeschrieben werden, doch nachfolgende Tender stehen bislang nicht fest und lassen weitere Aussichten ungewiss sein. Dafür seien Taiwan, Südkorea und Japan sehr interessante Märkte. In Indien wiederum sei unklar, wie viel der erstmals ausgeschriebenen Windparkprojekte nach sehr niedrig bezuschlagten Vergütungswerten tatsächlich gebaut würden. Allerdings sei der Markt groß genug für ein dennoch weiteres kräftiges Wachstum. China hingegen, für immerhin die Hälfte des jährlichen globalen Windpark-Zubaus verantwortlich, sei aufgrund staatlicher Zugangsbeschränkungen für Projektierer kein Markt. Zu Südamerika verwies Blanke auf mehrere für WPD derzeit spannende Märkte.

Am GWEC-Generalsekretär war es allerdings, an Tender in einigen Ländern zu erinnern, die unzureichende Präqualifizierungsbedingungen hatten. Dies könne dazu führen, dass Projekte trotz eines Zuschlags teils gar nicht gebaut würden.

Der Politik-Chef des europäischen Windenergieverbandes EWEA, Pierre Tardieu, warnte davor, den Trend zu technologieneutralen Ausschreibungen weiter zu verfolgen. Die Auktionen müssten stattdessen „Technologie-Körbe“ ausschreiben, betonte dieser: Erzeugungsvolumen für einander zeitlich ergänzende Erneuerbare-Energien-Anlagen wie Windkraft und Photovoltaik. Dabei müssten gewisse Zubaumengen für die jeweils verschiedenen Technologien reserviert sein, damit die Erneuerbaren in sinnvoller Relation zueinander zum Ausbau kämen.

Der langjährige Chefentwickler von Windturbinenbauer Siemens, Henrik Stiesdal, erinnerte schließlich an den bisherigen technologischen Wandel. Der habe dazu geführt, dass die jährliche Auslastung der Windenergieanlagen dank immer längerer Rotorblätter und höherer Nabenhöhen von anfangs 23 bis 24 auf bis zu 33 Prozent gestiegen sei. Durch weitere technologische Fortschritte halte er künftig Kapazitätsfaktoren von bis zu 50 Prozent an Land möglich. In Ländern wie den USA mit weiten verfügbaren freien Flächen seien sogar bis zu mehr als 60 Prozent denkbar. Insbesondere die weitere Digitalisierung der Anlagensteuerung sowie Speicher hält Stiesdal in diesem Zusammenhang für wichtig.

Es wird somit im September auf dem Branchentreffen in der Hansestadt viel zu sehen und zu besprechen sein.  

(Tilman Weber)