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Jürgen Reinert von SMA: „Sensibilität für Datensicherheit wird bei Kunden wichtiger“

SMA legt seit Jahren immer wieder neues Wachstum hin. Welche Segmente laufen gut und wo gibt es noch Luft nach oben?

Anfang November haben wir die Q3-Zahlen veröffentlicht und freuen uns, dass das Geschäftsmodell von SMA erneut seine Widerstandsfähigkeit bestätigt hat. Denn wir konnten die Umsatz- und Ergebnisdynamik der SMA Gruppe im dritten Quartal 2023 erneut steigern. Dazu haben neben unserem profitabelsten Segment Home Solutions sowohl das Segment Großanlagen und Projektlösungen als auch das Segment für Gewerbe- und Industrielösungen beigetragen. Beide entwickeln sich operativ sehr gut und ihre Profitabilität hat sich erneut deutlich verbessert.

Was bedeutet das für die eigenen Prognosen?

Aufgrund der guten Ergebnisse bestätigen wir unsere angehobene Prognose für 2023 und erwarten einen Umsatz zwischen 1.800 und 1.900 Millionen Euro und ein EBITDA (Gewinn vor Abzug von Zinsen Steuern und Abschreibungen – Anm. d Red.) zwischen 285 und 325 Millionen Euro. Vor dem Hintergrund der ambitionierten Ausbauziele für erneuerbare Energien weltweit sehen wir in den kommenden Jahren insbesondere im Bereich der solaren Großkraftwerke, kombiniert mit Speicherlösungen, enormes Wachstumspotential.

Von den guten Ausbauprognosen profitieren alle Hersteller. Worauf führen Sie das Wachstum speziell bei SMA zurück?

Es gibt zwei Aspekte, die SMA grundlegend von anderen Anbietern unterscheidet: Wir sind ein System- und Lösungsanbieter mit einem breiten Angebot, das nicht nur den klassischen Wechselrichter umfasst, sondern auch Speicher und Energiemanagement für alle Größen von Solarsystemen, Ladelösungen für E-Fahrzeuge sowie Elektrolyseure für die Gewinnung von grünem Wasserstoff. Darüber hinaus sind wir in allen drei Segmenten tätig: Eigenheim, Gewerbe und Industrie sowie im Kraftwerksbereich. Wir bieten ein breites Spektrum an Produkten und Lösungen für alle Leistungsklassen an.

Mit welcher Marktentwicklung rechnen Sie in den nächsten Monaten?

Unseren Einschätzungen zufolge wird der Photovoltaikmarkt in den nächsten Jahren jährlich durchschnittlich 15 bis 20 Prozent wachsen. In den Segmenten Gewerbe und Industrie sowie im Kraftwerkssegment sogar über 20 Prozent. Ob sich die Nachfrage noch mehr beschleunigt, hängt natürlich auch davon ab, wie sich zum Beispiel die Beschleunigung bei Genehmigungen oder mehr Planungssicherheit bei Photovoltaikinvestitionen für Privathaushalte oder Unternehmen entwickelt. Denn eines ist klar: Wir alle wollen mehr Energieunabhängigkeit und Energiesicherheit.

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Das bedeutet auch für SMA mehr Wachstum?

Unsere Absicht ist es, 2024 stärker als der Markt zu wachsen. Die Voraussetzungen sind gegeben, denn Photovoltaik ist allgemein weiter sehr stark gefragt. Kurzfristig wird sich aus unserer Sicht die Nachfrage und damit unser Auftragseingang nach dem sehr starken Anstieg in 2023 etwas verlangsamen, da sich die Distributoren in den letzten Monaten gut bevorratet haben. Das ist aber eine ganz normale Entwicklung, die wir schon länger prognostiziert haben.

Lange war die europäische Produktion von Leistungselektronik, also von Wechselrichtern, relativ sicher vor den Wettbewerbern aus Fernost. Diese drängen aber immer mehr auf den Markt. Wie entwickelt sich dieser Wettbewerb, sehen Sie Parallelen zum Modulmarkt oder spielen hier andere Faktoren eine Rolle?

Die europäischen Wechselrichterhersteller haben schon lange sehr starke Konkurrenz aus Fernost. Anders als bei den Solarmodulen sehen wir bei Wechselrichtern derzeit allerdings noch keine Anzeichen für massive Preissenkungen. Die Erfahrung zeigt aber, dass es dazu kommen kann.

Warum?

Der Rückgang der Großhandelspreise, insbesondere bei kristallinen Modulen, ist auf die Lagerbestände nach der Pandemie und Importe aus Asien zurückzuführen. Um die Überkapazitäten so schnell wie möglich und marktschonend abzubauen, ist es notwendig, im diesjährigen Solarpaket Anreize für die Nachfrageseite zu setzen und Rahmenbedingungen für eine belastbare Lieferkette zu implementieren. Unabhängig davon spielen aber bei Wechselrichtern noch andere Überlegungen eine Rolle: Da sie das Herzstück der Photovoltaikanlage sind und sämtliche Datenströme hier zusammenfließen, ist die Sensibilität der Kunden in Hinblick auf Datensicherheit höher und das Vertrauen in europäische Hersteller größer. Auch beim Thema Nachhaltigkeit und Langlebigkeit haben Hersteller, die in Europa fertigen, gegenüber der Konkurrenz aus Fernost deutlich die Nase vorn.

Derzeit wird über den Ausbau einer europäischen Produktion diskutiert. Welche Unterstützung seitens der Politik braucht die Solarindustrie dafür?

Nachhaltigkeit, Langlebigkeit und Datensicherheit haben ihren Preis, weshalb Wechselrichter aus europäischer Herstellung dem Preisdruck aus Fernost nicht immer standhalten können. Wie der Bundesverband für Solarwirtschaft sprechen wir uns ebenfalls dafür aus, für eine Übergangszeit die Mehrkosten beim Erwerb von Photovoltaikanlagen aus europäischer Herstellung mittels Resilienzboni und entsprechenden Regelungen in den Auktionen im EEG zu fördern. Politische Maßnahmen wie Importzölle lehnen wir bei SMA, genauso wie andere Branchenvertreter, weiterhin ab.

SMA baut gerade seine Produktionskapazitäten aus. Ist das eine Reaktion auf die gestiegene Nachfrage oder ist das auch eine Strategie, um im internationalen Wettbewerb weiterhin vorn dabei zu sein – hat die Produktionskapazität hier eine Bedeutung?

Wir sehen in der Tat eine steigende Nachfrage insbesondere im Bereich der Systeme für solare Großkraftwerke. Denn neben Solarinstallationen auf Häusern und Industriebetrieben lassen sich die ehrgeizigen Ziele beim Ausbau der erneuerbaren Energien nur durch die Realisierung von Photovoltaikgroßkraftwerken schaffen. Diese können Photovoltaik intelligent mit Speichern und weiteren Sektoren wie der Gewinnung von Wasserstoff, vernetzen und in das Gesamtsystem integrieren. Sie können außerdem entscheidend zur Netzstabilität beitragen. Auch um dieses Potential zu heben, werden wir in Nordhessen unsere Produktionskapazität von heute 21 auf 40 Gigawatt verdoppeln und ab 2025 Systemlösungen für Photovoltaikgroßanlagen fertigen und in die ganze Welt liefern. So leisten wir hier in der Region einen entscheidenden Beitrag zur zukunftssicheren Energieversorgung. Gleichzeitig schaffen wir attraktive Arbeitsplätze hier in der Region und in der gesamten Lieferkette.

Welche Rolle spielen im Wettbewerb bei der Leistungselektronik Geschäftsmodelle wie Eigenverbrauch und das Angebot von Komplettsystemen?

Die Abkehr von fossilen Energieträgern schreitet weltweit voran und unsere Kunden verlangen nach umfassenden Energielösungen, die ihnen die einfache und unkomplizierte Erzeugung und Nutzung von Energie ermöglichen. Vor diesem Hintergrund und um sich im Wettbewerb zu differenzieren ist SMA erfolgreich dabei sich vom Wechselrichterhersteller zum System- und Lösungsanbieter zu wandeln.

Wie kann man sich das vorstellen?

Wir bieten Kombinationen aus Hardware, Software und Dienstleistungen an, mit denen Anwender und Fachhandwerker Energie einfach und effizient erzeugen, speichern sowie intelligent überwachen, steuern und nutzen können. Insbesondere das Thema der Speicherung gewinnt zunehmend an Bedeutung. Darüber hinaus sind unseren hohen Standards für Datensicherheit und ganzheitliche Nachhaltigkeit – kurze Lieferketten, Kreislaufwirtschaft, Prduktion in Deutschland – wichtige Differenzierungsmerkmale im internationalen Wettbewerb.

Die Fragen stellte Sven Ullrich

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