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E10-Krise

Nach dem Benzingipfel: Quo vadis Biokraftstoffe

Der ADAC machte im Rahmen der E10-Einführung an deutschen Tankstellen eine interessante Entdeckung. Er zog mit Beginn der Einführung Anfang Februar erste Stichproben um festzustellen, wieviel Bioethanol denn nun tatsächlich in dem einen oder anderen Sprit sei. Also in E10 und in E5. Gemeinhin wird ja angenommen und kolportiert, dass die Zahl hinter dem E für die prozentuale Beimischung steht. In der Berichterstattung der allermeisten Medien in den vergangenen Tagen und Wochen wurde jedenfalls eine einfache Zweiteilung vorgenommen und erklärt: E10 stehe für zehn Prozent Bioethanol und E5 für fünf Prozent.

Wenn man sich den Flyer „Mehr Bio im Benzin“ durchliest, den das Bundesumweltministerium (BMU) in einer Auflage von 8,5 Millionen kostenlosen Exemplaren an den meisten deutschen Tankstellen ausgelegt hat, dann steht darin als Erklärung für E10, dass das Benzin sei, das bis zu zehn Prozent Bioethanol enthalten kann. „Bis zu“ ist etwas anderes als diese beiden Worte wegzulassen. Die gleiche Aussage im BMU-Flyer zu E5: auch hier ist von „bis zu“ die Rede.

Was „bis zu“ bedeutet
Die ersten Stichproben ergaben, dass „bis zu“ nicht ausgeschöpft wird. Der ADAC zog 13 Proben zu Beginn der E10-Einführung Anfang Februar. In der Laboranalyse stellte man fest, dass nur eine Tankstation tatsächlich E10 mit zehn Prozent Bioethanol anbot und die Übrigen E5. Das ist, wie der ADAC feststellt, für Autofahrer ärgerlich. Denn diese meiden E10, weil sie ja glauben, darin wäre zehn Prozent Ethanol enthalten, und da sie diesen Anteil nicht wollen, greifen sie zum teureren E5. Bei einer zweiten Stichprobe Mitte Februar konnte der Club dann feststellen, dass alle 29 E10-Proben mehr als fünf Prozent Ethanol enthielten, es sich also tatsächlich um E10 handelte. Der Anteil von Ethanol im E10 war also allgemein gestiegen. Der Club stellte indes weiter bei der zweiten Stichprobe fest, dass die Nichtausschöpfung des „bis zu“ auch beim E5 festzustellen ist. Der Ethanolgehalt von E5 gehe gegen Null. „Unsere Vermutung ist: Die Hersteller sparen sich die Beimischung des teureren Ethanols“, schrieb die Redaktion in einem Bericht in der Zeitschrift Motorwelt.

Mineralölwirtschaft verdient an Hochstufung von E5
Nach der ADAC-Logik müsste E10 teurer sein als E5. Das Biomasse-Netzwerk Carmen e. V. hat in einer Überschlagsrechnung festgestellt, dass der Sprung von E5 auf E10 maximal eine Verteuerung des Sprits um einen Cent pro Liter hervorrufen dürfe. Aber E10 wird an den deutschen Tankstellen im Schnitt um fünf bis acht Cent pro Liter günstiger angeboten als E5. Die Mineralölwirtschaft begründet den Preis für E5 mit den höheren Logistikkosten, die die Extra-Bereitstellung hervorriefe für die maximal zehn Prozent aller Fahrzeuge, die E10 nicht vertragen. Derzeit scheint die Mineralölwirtschaft mit der Verteuerung von E5 für sich selbst überraschend kräftig zu verdienen. Einerseits, weil möglicherweise viel weniger als angegeben vom möglicherweise teureren Ethanol im Sprit tatsächlich drin ist laut ADAC. Und andererseits, weil derzeit aufgrund der Verunsicherung die meisten Autofahrer weiter E5 tanken.

Was aber wohl in diesem Umfang selbst von der Mineralölwirtschaft unbeabsichtigt ist. Denn glaubhaft ist schon ihre Aussage, die sie in den vergangenen Tagen verbreitete, dass sie die E10-Produktion drosseln wolle, da sie derzeit auf vollen E10-Tanks sitze und ihnen andererseits der E5 ausgehe. Die Preiserhöhung für E5 kann jedenfalls auch so interpretiert werden, dass sie eine Lenkungsfunktion ausüben sollte. Nur wäre dann die Schmerzgrenze mit fünf bis acht Cent pro Liter mehr nicht hoch genug angesetzt gewesen, um die Ängste der Autofahrer, E10 zu tanken, zu betäuben.

Tatsächlich lässt sich feststellen, dass für die Mineralölwirtschaft Anlass besteht, die Einführung von E10 voranzutreiben. Als Begründung für die Einführung von E10 wird die Biokraftstoffquote genannt. Das der Quote zugrunde liegende Biokraftstoffquotengesetz besagt, dass die Mineralölwirtschaft einen bestimmten Prozentsatz ihres Gesamtabsatzes an Treibstoffen in Form von Biokraftstoffen realisieren muss. Tut sie dies nicht, muss sie Strafe zahlen. Die aktuelle Quote beträgt 6,25 Prozent. Sie kann diese über eine Beimischung erfüllen, wie derzeit mit E10. Die alleinige Möglichkeit zur Erfüllung der Quote ist die Beimischung aber nicht.

Mehrere Wege zur Quote
Für die Mineralölwirtschaft bieten sich mehrere Wege an, wie sie die Quote erfüllen kann. Der eine Weg ist die Beimischung. Zum Beispiel in Form von E10 oder auch in Form von Biodiesel in Form des an den Tankstellen angebotenen B7. Die andere Möglichkeit ist die Erfüllung der Quote über Reinkraftstoffe, zum Beispiel Biodiesel B100. Elmar Baumann, Geschäftsführer des Verbands der Deutschen Biokraftstoffindustrie e. V. (VDB), sagt: „Die gesetzlichen Regelungen erlauben es, neben der Beimischung auch den Verkauf von reinem Biokraftstoff zu nutzen, um die Quote zu erfüllen.“ Man könnte auf die Einführung von E10 verzichten, wenn man die Quote über Reinkraftstoffe erfüllte, sagt Baumann.

Doch das steht nicht in Aussicht, wie das Beispiel Biodiesel zeigt. Zu Spitzenzeiten betrug der Absatz von reinem Biodiesel B100 etwa 1,9 Millionen Tonnen Biodiesel im Jahr. Der Rückgang setzte 2007 mit der Belegung des Sprits mit Mineralölsteuer ein, die stufenweise erhöht wird. Ergebnis: Der Absatz von Biodiesel schleppt sich derzeit mit rund 300.000 Tonnen im Jahr hin. Die nächste Steuerstufe, die 2013 ansteht, könnte das komplette Aus bedeuten. Politischer Favorit zur Erfüllung der Quote ist die Beimischung.

Das Problem, das praktisch damit verbunden ist, ist eine latente Diskussion über Biobeimischungen, wie sich jetzt bei der Einführung von E10 zeigt. Für den energiepolitischen Sprecher von Bündnis 90/Die Grünen, Hans-Josef Fell, offenbart sich über die Beimischung von Biotreibstoffen zur Quotenerfüllung ein grundsätzliches Problem von Akzeptanz, das sich mit jeder neuen Stufe wiederholen könnte: „Es droht bei jeder weiteren Erhöhung der Beimischungsstufe ein ähnliches Chaos wie zur Zeit.“ Dagegen könnte mit einer wachsenden Anzahl von Autos, die reinen Biosprit vertragen, ein solches Durcheinander vermieden werden, schlägt Fell vor.

Es könnte sein, dass eine Baustelle nach E10, nämlich die von Biodiesel, konkret die Einführung von B10 statt B7, Fell Recht geben wird. Das Europäische Komitee für Normung CEN arbeitet derzeit an einer Normierung für einen B10-Diesel. Zu klären sind hier noch unter anderem Fragen zur Motorenverträglichkeit. Doch trotz aller Prüfungen dann ist nicht auszuschließen, dass sich möglicherweise bei Einführung eines B10 eine ähnliche Verunsicherung wiederholt, wie sie derzeit beim E10 sich zeigt und die auch nach dem Benzingipfel von Berlin vom 8. März keinesfalls behoben ist. Eine Atempause bleibt jedenfalls. Es heißt, mit einer entsprechenden Norm für einen B10 sei nicht vor 2013 zu rechnen. (Dittmar Koop)