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Kommunale Wärmewende als Pflichtaufgabe

Nicole Weinhold

Um 151 Prozent musste ein Stadtwerk laut Stadtwerkezeitung ZfK seine Wärmepreise sogar erhöhen, erklärte Steffen Kölln während eines Webinars zur Transformation von Wärmenetzen, das sein Unternehmen zusammen mit ERNEUERBARE ENERGIEN veranstaltet hat, seinen Zuhörern. Der Geschäftsführer der Unternehmensberatung Sterr-Kölln und Partner fügte an, innerhalb der letzten zwölf Monate seien die Fernwärmepreise um durchschnittlich 17 Prozent gestiegen. Aufgrund des russischen Kriegs gegen die Ukraine sind hierzulande die Preise in den vergangenen Monaten von 20 Euro pro Megawattstunde auf über 100 Euro am Spotmarkt gestiegen. Zudem sei eine Unabhängigkeit von russischem Gas aus Sicht der Versorgungssicherheit dringend erforderlich. Bereits heute bringe der Machtkampf Russlands mit Europa die zweite Eskalationsstufe im Notfallplan Gas. „Das sorgt für Unruhe“, so Kölln. „Verständlicherweise, denn wir haben vor der Krise 1.000 Terawattstunden Erdgas pro Jahr verbraucht. Jetzt muss mit einer Verknappung gerechnet werden.“ Europa erlebe nun eine Inflation. Die Baukosten seien um mindesten 30 Prozent gestiegen. Zudem fehle immer noch das Bundesfördergesetz für effiziente Wärmenetze (BEW).

Mit der neuen Förderung soll der Anteil erneuerbarer und klimaneutraler Wärmequellen in den Wärmenetzen bis 2030 auf 30 Prozent ausgebaut werden. Bis 2025 wird ein Anteil von 25 Prozent angestrebt. Innerhalb der geplanten Laufzeit des BEW von sechs Jahren sollen pro Jahr die Installation von 400 Megawatt (MW) erneuerbarer Wärmeerzeugungsleistung und Gesamtinvestitionen von 690 Millionen Euro angereizt werden. Die Bundesförderung effiziente Wärmenetze besteht in der Entwurfsfassung aus drei Modulen: 1. Die Erstellung von Transformationsplänen zur Dekarbonisierung bestehender Netze bis 2045 und von Machbarkeitsstudien zur Errichtung neuer Wärmenetze mit einem Anteil erneuerbarer und klimaneutraler Wärmenetze von mindestens 75 Prozent wird mit bis zu 50 Prozent der förderfähigen Kosten gefördert. 2. Die Umsetzungsförderung umfasst den Neubau von Wärmenetzen, die zu mindestens 75 Prozent mit erneuerbaren Energien und Abwärme gespeist werden, sowie die Transformation von Bestandsinfrastrukturen zu treibhausgasneutralen Wärmenetzen. Die Förderung beträgt 40 Prozent der förderfähigen Kosten. 3. Neben der Neuerrichtung von Wärmenetzen oder der systemischen Transformation von Bestandswärmenetzen können auch schnell umsetzbare Maßnahmen in Wärmenetzen als Einzelmaßnahmen gefördert werden. Dazu gehören Solarthermieanlagen, Wärmepumpen, Biomassekessel, Wärmespeicher und Wärmeübergabestationen. Der Start der Förderung hat sich durch Abstimmungsschwierigkeiten zwischen Brüssel und Berlin verzögert. Die Europäische Kommission bewertete das Beihilfeverfahren zur Bundesförderung für effiziente Wärmenetze aber Ende Mai vorläufig positiv. Eine endgültige Entscheidung soll zügig folgen.

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Tausend Kilometer Wärmenetz gibt es bereits in Deutschland, allerdings selten für erneuerbare Energien.

Wohnungsbestand abhängig von Erdgas

Die Förderungen werden sehnlichst erwartet, zumal gestiegene Investitionskosten zu Preissteigerungen von mindestens 15 Euro pro Megawattstunde (MWh) führen. Laut Steffen Kölln kletterten Fernwärmepreise im Schnitt in zwölf Monaten um 17 Prozent. Der durchschnittliche Wärmepreis von heute 85,55 €/MWh bilde die aktuellen Kosten nicht ab.

Neben den explodierenden Energiemarktpreisen und einem drohenden Lieferstopp von Gas aus Russland sind die deutschen und europäischen Klimaziele der große Treiber für Kommunen, ihre Wärmeversorgung zu überdenken. Laut Koalitionsvertrag von 2021 sei das Ziel, die Wärmeversorgung bis 2030 zu 50 Prozent klimaneutral zu bekommen. Mehr als die Hälfte des Endenergieverbrauchs in Deutschland entsteht im Wärme- und Kältebereich. Während im Neubausektor bereits 43,6 Prozent Elektrowärmepumpen eingesetzt werden, die mit Grünstrom versorgt werden können, sieht es im Wohnungsbestand immer noch finster aus. Von den 42,9 Millionen Wohnungen in Deutschland werden 49,5 Prozent mit Gas versorgt. Vor allem mit Erdgas.

Umstellung auf erneuerbare Energien

30.000 Kilometer an Wärmenetzen gebe es bereits in Deutschland, so Referent Kölln. Als Maßnahmen für einen Umbau der Wärmeversorgung empfahl er den Zuhörern nicht nur eine Umstellung der Wärmeerzeugung auf erneuerbare Energieträger und Abwärme, sondern auch eine Verdichtung und den Ausbau von Wärmenetzen. Wärmepumpen für Wärmenetze treten derweil in den Fokus: Vor allem Großwärmepumpen zum Beispiel im Bereich von Flüssen und Klärwerken könnten in verdichteten städtischen Bereichen eine Rolle spielen. Als organisatorische Handlungsoptionen nennt Kölln unter anderem die Entwicklung einer Kommunalen Wärmeplanung als Initialzündung, die Integration in die Stadtentwicklung, aber auch Kooperationen gezielt zu nutzen und eigene Kapazitäten aufzubauen.

„Wir haben vor der Krise 1.000 Terawattstunden Erdgas pro Jahr verbraucht“

Steffen Kölln, Geschäftsführer Sterr-Kölln und Partner: Nun müsse mit Verknappung gerechnet werden.

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