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Windkraft-Testfeld

Bergwind im Visier der Forscher

Seit zwei Jahren läuft das vom BMWi geförderte Verbundprojekt Kontest, in dem es um die Konzeption eines Windkraft-Testfeldes in bergigem Terrain geht. Ende des Jahres wird es abgeschlossen. Nach Ende des Projektes ist die Realisierung des konzeptionierten Testfeldes geplant. Dazu sollen zwei Forschungsturbinen der 600- bis 900 Kilowatt-Klasse mit einem Rotordurchmesser von 40 bis 80 Metern errichtet werden. Die geplanten Anlagen sollen den Forschern mit vollem Zugriff auf Daten und Regelung zur Verfügung stehen. Aktuell sind Prüfungen zu einer möglichen Finanzierung und eines Betreiberkonzeptes im Gange, die Informationen dazu seien jedoch noch vertraulich.

Steilstufe und Hochplateau

Im November 2013 begann die Erstellung von Kriterienkatalogen hinsichtlich der Forschungsanlagen und des Standorts. Mithilfe einer Ausschreibung begann die Suche nach einer geeigneten Fläche, wozu in Baden-Württemberg und Bayern mehr als 3.500 Städten, Gemeinden und Regionalverbände angeschrieben wurden. Das Hauptkriterium war dabei, eine Steilstufe, also einen steil ansteigenden Berg, zu finden, welcher in einem unbewaldeten Plateau mündet und so liegt, dass der Wind genau darauf trifft.

Zweck ist es, untersuchen zu können, wie sich der Wind verhält, wenn er von dieser Steilstufe nach oben abgelenkt wird und dort auf eine Windkraftanlage trifft. Mit der Lidar-Methode, also der Windvermessung mittels Laser, wurde ein aufwändiges Verfahren betrieben, um einen passenden Ort zu finden. Die Universität Tübingen hat als Kooperationspartner mit Messflügen zur Ergänzung der Daten beigetragen. Parallel wurden mittels mehrerer CFD-Methoden groß- und kleinstalige Strömungssimulationen durchgeführt. Weitere Projektpartner sind die TU München, das Karlsruher Institut für Technologie sowie das Zentrum für Sonnenenergie- und Wasserstoff-Forschung Baden-Württemberg.

Stöttener Berg bietet beste Voraussetzungen

Die Standortentscheidung fiel auf den Stöttener Berg bei Geislingen zwischen Stuttgart und Ulm. Dieser ist bereits zum wiederholten Mal Standort für Messkampagnen der Stuttgarter Universität. Jan Anger, dort als wissenschaftlicher Mitarbeiter beschäftigt, erklärt: „Der Standort, den wir jetzt gefunden haben, ist prädestiniert für ein Testfeld.“ Auf dem Berg steht bereits ein Mast der Stuttgarter Hochschule, welcher den Wind misst und mit dessen Hilfe Windstatistiken aufgestellt werden. Dazu herrschen am Stöttener Berg besonders komplexe Windverhältnisse vor. So treten dort unterschiedliche, von Hangrichtung und – neigung abhängige, Windbeschleunigungen und Rezirkulationen auf, die zudem stark von der Windrichtung und – geschwindigkeit abhängen.

Dazu sagte Anger: „Unsere Vermutungen haben sich durch die Vormessungen zur Eingrenzung des Testfelds bestätigt: Es ist äußerst suboptimal, eine Anlage direkt auf eine Steilkante zu stellen, an der es Rezirkulationsgebiete gibt.“ Soll heißen: Wo der Wind nicht als Strömung auf die Anlage trifft, sondern nur in Gestalt diffuser Wirbel, lässt sich seine Energie nicht uneingeschränkt verwerten. Die Stuttgarter Forscher konnten aufgrund ihrer Messungen bestimmen, wie weit die Testanlagen von der Steilkante in den hinteren Bereich des Plateaus abgerückt werden müssen, um für die Forschungen an ihrer Effizienz verwendbar zu sein. „Wir hatten schon erwartet, dass das passiert“, sagte Anger: „Ziel des Projektes ist die Festigung von bereits aufgestellten Theorien.“ Und Ziel ist auch die Berechnung, wie weit Windenergieanlagen tatsächlich von den unbrauchbaren Rezirkulationen an den Abhängen entfernt stehen müssen. Wie weit muss die potenzielle Windparkfläche um die unrentablen Ränder verkleinert werden? Ab welchem Abstand ziehen sie aus der Luft wieder viel Energie, wenn die Steilwinde nach Überwindung der Steilkante sich wieder zu einer kräftigen Strömung formiert haben wie sie sich auf Hochebenen bilden.

„Gläserne“ Turbinen

Weiteres Ziel neben der Standortsuche ist laut Anger die Definition von Kriterien für eine Forschungsturbine. Dabei hätten sich viele Fragen aufgeworfen. Wie groß soll die Turbine sein? Was muss sie können? Was erwarten die Forscher von einer solchen Anlage? Es sei eine „gläserne Turbine“ notwendig, die den Wissenschaftlern alle nötigen Informationen preisgibt, um Untersuchungen durchführen zu können. So soll es den Forschern möglich sein, beliebige Betriebsparameter zu ändern, sowie in die Steuerung und Regelung einzugreifen. Nur so ist es möglich, den Zusammenhang zwischen den zu messenden Last- und Leistungsdaten an der Anlage und den meteorologischen Randbedingungen in Zusammenhang bringen zu können. . Windanlagenhersteller geben Informationen oft nicht heraus, um das Betriebsgeheimnis zu bewahren. Welches Unternehmen die Anlagen herstellen und betreiben wird, sei jedoch noch nicht spruchreif. (Carsten Weck)

Dieser Artikel ist  in der Dezember-Ausgabe unseres Print-Magazins erschienen. Gefällt er Ihnen, dann holen Sie sich jetzt ein   kostenloses Probeabo.