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Kosten runter Einnahmen rauf: Windkraftanlagen kosten und Gewinn

Nicole Weinhold

Viele Betreiber haben für ihre Windkraftanlagen im Rahmen des Erneuerbare-Energien-Gesetzes über 20 Jahre einen festen Abnahmepreis erhalten. Wollen sie ihre Windkraft Turbinen nun weiterbetreiben, müssen sie mit dem Börsenstrompreis auskommen – oder einen anderweitigen Abnahmevertrag abschließen. Der Strompreis an der Börse liegt zwar derzeit nicht mehr gänzlich am Boden, wie es zu Beginn der Pandemie der Fall war. Aber um eine alte Turbine vernünftig zu versorgen, brauchen die meisten Betreiber mehr als drei oder vier Cent für ihren Windstrom. Warum also nicht die Anlage in einem Land aufstellen, in dem man mehr für seinen sauberen Strom bekommt? Das ist ein Teil der Idee hinter dem Forschungsprojekt Rückenwind. Die Verantwortung für das Projekt trägt die Firma WIV GmbH aus Gelnhausen, die seit 2012 die B2B-Onlineplattform wind-turbine.com betreibt, auf der auch mit gebrauchten Windturbinen gehandelt wird. Geschäftsführer Bernd Weidmann betont, worauf es ankommt, damit die neue Geschäftsidee zum Erfolg führt: „Die Vergütung für den Windstrom muss am neuen Standort gut, der Weg dorthin wegen der hohen Transportkosten kurz sein.“ Estland, Lettland und Litauen seien in der Hinsicht geeignete Märkte und tatsächlich habe er bereits in Litauen einen Interessenten, der von einem Betreiber in Deutschland zwei ältere Enercon-Anlagen kaufen würde. Vielleicht zu einem symbolischen, sehr niedrigen Preis – denn immerhin soll der ehemalige Betreiber an den künftigen Erträgen beteiligt werden. Idealerweise, so Weidmann, würden die Turbinen im Ausland von derselben Servicefirma gewartet wie in Deutschland – was voraussetzt, dass das Unternehmen überhaupt dort in der Region vertreten ist. Und auch das Thema Entsorgung werde im Rahmen von Rückenwind bei Beendigung der zweiten Lebensphase aufgegriffen, sodass die Turbinen auch im Ausland vernünftig recycelt und entsorgt werden. Gleichzeitig soll das Projekt neue Märkte für die Windkraft schaffen. Das heißt, jemand, der eine Second-Hand-Turbine von Hersteller X hatte, wird vielleicht im nächsten Schritt eine neue Maschine dieser Firma anschaffen wollen. So könnte frische Technologie in neue Märkte gelangen.

Eines der Service-Unternehmen, die weltweit in großer Zahl aktiv sind, ist die Deutsche Windtechnik aus Bremen. Ob sie irgendwann Windturbinen in Litauen betreuen wird, die von ihr zuvor 20 Jahre in Deutschland gepflegt wurden, wird sich zeigen. Fest steht aber, dass die Bremer sich bestens auskennen mit Bestandsanlagen. Vorstand Matthias Brandt weiß, worauf es ankommt, um alte Turbinen auf Wirtschaftlichkeit zu trimmen. Pfiffige neue Technik ist da weniger gefragt. Das wird deutlich, wenn es um neue Technologien zur Ertragsoptimierung geht, wie etwa die Haifischflosse von Evoblade an der Blattwurzel. „Rauszufahren und am hängenden Blatt solche Arbeiten vorzunehmen, das wäre zu aufwändig und wirtschaftlich kaum darstellbar bei älteren Anlagen“, so Brandt. „Bei Altanlagen lohnen sich Verbesserungen am wenigsten – wegen der kurzen Restlaufzeit. Bei zehn Jahre alten Anlagen muss man es prüfen. Definitiv sinnvoll sind Verbesserungen gleich in der Produktion einer Anlage.“

Manchmal erhalten Bestandsanlagen aber doch Updates. Und zwar immer dann, wenn Komponenten vom Markt verschwunden sind und Unternehmen wie Deutsche Windtechnik Ersatzkomponenten nachbauen.

Manchmal erfahren diese dann gleich eine Modifizierung gegenüber der Vorgängerversion. „Wenn Bauteile so nicht mehr zu bekommen sind, werden sie nachgebaut und wenn zwei Generatoren in Frage kommen für den Einsatz, die beide gleich teuer sind, nimmt man natürlich den besseren. Oder wenn man einen Pitchmotor austauscht, gibt es die Möglichkeit, für kleines Geld eine Verstärkung am Gehäuse anzubauen - das lohnt sich richtig. Wir prüfen immer, ob Verbesserungen realisierbar sind“, so Deutsche-Windtechnik-Vorstand Matthias Brandt.

Fest steht am Ende aber vor allem: Die Kosten müssen im Weiterbetrieb gesenkt werden. Ein Vollservice erscheint unter diesen Voraussetzungen eher als Luxus. „Es gibt dennoch Gründe, warum viele weiter Vollwartung machen. Versicherungen und so weiter“, schränkt Brandt ein. „Aber es gibt natürlich einen Trend, weniger zu machen. Einige beschränken die Vollwartung auf Großkomponenten. Andere sagen, sie warten bis zum nächsten Schaden. Wir haben die entsprechenden Rechenmodelle entwickelt, wo man sehen kann, welche Servicevariante für den jeweiligen Fall geeignet ist.“

Weiterbetriebsgutachten

Eine gute Ausgangssituation verschafft das Weiterbetriebsgutachten. Die Berliner Windturbinen-Designer von IDASWIND empfehlen Betreibern von Bestandsanlagen das qualifizierte Weiterbetriebsgutachten mit Nachweis der kritischen Einzelkomponenten. „So lassen sich Risiken hinsichtlich Service- und Instandhaltungsbedarf erheblich besser einschätzen“, sagt Marco Scharobe, Partner bei IDASWIND. So könnten am ehesten individuell auf Betreiber von Altanlagen zugeschnittene und wirtschaftlich effiziente Vereinbarungen mit Dienstleistern geschlossen werden. Auf Basis entsprechender Analysen lassen sich zum Beispiel weiterbetriebsoptimierende Maßnahmen bestimmen. IDASWIND bietet Betreibern von Altanlagen zudem qualifizierte Standsicherheitsnachweise mit detaillierter, komponentenorientierter Zustandsübersicht, Reparatur- und Maßnahmenempfehlung sowie die Wiederkehrende Prüfung über den gesamten Weiterbetriebszeitraum. Außerdem liefert IDASWIND Wind- und Turbulenzdaten, macht Standortbewertungen, vermittelt PPAs und vieles mehr.

Rechnung mit Unbekannten

Die Firma juwi verweist bei der Frage, ob Weiterbetrieb möglich ist, auf die kostenfreie Schnellanalyse des Unternehmens. Sie gibt einen wichtigen Fingerzeig, ob sich der Weiterbetrieb nach 20 Jahren lohnt. Am 1. Januar 2021 fielen erstmalig Tausende Windräder aus der EEG-Vergütung, in den nächsten Jahren folgen viele Tausend weitere. „Wenn der Königsweg Repowering versperrt ist, rückt der Weiterbetrieb in den Fokus: Dieser ist für Betreiber allerdings zunächst eine Rechnung mit einigen Unbekannten“, heißt es bei juwi.

Mit der „Gewinn und Verlust“-Rechnung im Schnellanalysetool und den durchschnittlichen Stromerträgen der zurückliegenden Jahre könne juwi bereits eine recht fundierte Ersteinschätzung abgeben. Erst wenn diese Analyse positiv ausfällt, macht es für Betreiber überhaupt Sinn, in die umfangreiche Analyse einzusteigen. Dann werden zum Beispiel Pacht und Versicherungsverträge, aber auch der technische Zustand der Anlage vor Ort geprüft, die Wartungsdokumentation und die letzten Prüfgutachten ausgewertet und zum Beispiel auch die Lieferbarkeit von Ersatzteilen abgefragt. MVV 20 plus heißt das Tool, mit dem juwi alles unter die Lupe nimmt, was dann eine Rolle spielt: Risiken und Optimierungspotenzial. Am Ende wird hier die Basis ermittelt, um einen längerfristigen Stromabnahmevertrag zu verhandeln. Dabei arbeitet juwi eng mit dem Mutterkonzern MVV zusammen, über den bei Bedarf entsprechende Power-Purchase-Agreements (PPA) vermittelt werden können.

Lars Schiller von der Bremer Energiequelle AG erklärt, welches Potenzial Kostenoptimierung bei Altanlagen haben: „Kosteneinsparpotenziale ergeben sich aus unserer Sicht bei auf das Alter und die Vergütungsform abgestimmten Anpassungen beim Betriebsführungsumfang, bei Versicherungspaketen.“ Ferner machten reine Standardwartungen anstatt Vollwartung nach seiner Erfahrung Sinn. „Bei dann notwendigen Instandsetzungen wird die wirtschaftlich günstigste Variante ermittelt und umgesetzt, zum Beispiel gute Gebrauchtteile anstatt Neuteile zu verwenden. Auch ein Nachverhandeln von Pachtzinsen birgt das ein oder andere Potenzial“, so Schiller.

Können Betriebsführer noch mehr machen, um Erträge zu verbessern? Es geht das Gerücht, dass die Anlagen doch eher nur so am Laufen gehalten werden. Schiller kann das nicht nachvollziehen: „Aus unserer Sicht hat es jede Anlage verdient, sowohl gut überwacht, gewartet als auch instandgesetzt zu werden. Eine hohe energetische Verfügbarkeit zu erzielen, ist das oberste Ziel, wenn ansonsten die Anlage unauffällig produziert.“

Predictive Maintenance

Andreas Kiss, Geschäftsführer der VSB Service GmbH, verrät, was aus seiner Sicht für einen wirtschaftlichen Weiterbetrieb getan werden muss. Mit Predictive Maintenance, also vorausschauender Instandhaltung, lassen sich beispielsweise gut Risiko und Kosten von Reparaturen steuern, erklärt Kiss: „Denn wir erkennen Schäden, bevor sie eintreten, beziehungsweise sagen den Eintrittszeitpunkt vorher, um die richtige Entscheidung zu treffen.“ Beim Weiterbetrieb habe VSB außerdem die Möglichkeit, defekte Bauteile nicht nur gegen Neuteile auszutauschen. „Gebrauchte und von uns wiederaufgearbeitete Bauteile können eingesetzt werden. Oder neue Reparaturkonzepte wie Vor-Ort-Reparaturen vom Generator werden angewendet, um Kosten zu reduzieren.“ Auch lebensverlängernde Maßnahmen wie Generatormessungen oder Generatorreinigungen werden bei VSB genutzt. „Wenn wir beispielsweise den Zustand der Generatorlager genau kennen und diese gut pflegen, können wir manche Anlagen auch ohne sie zu überholen lange weiter betreiben.“

Am schnellsten lasse sich bei den Ersatzteilen, bei Verschleißteilen und Verbrauchsmitteln ein sichtbarer Erfolg für den Kunden erzielen, so Kiss. „Wir halten also Teile im Lager vor, beziehen aber auch andere just-in-time. Außerdem prüfen wir, wo wirklich kostenintensive Originalteile benötigt werden oder wo man auf Zweitlieferanten, oder auch Dritt- und Viertlieferanten zurückgreifen kann, oder wo wieder aufgearbeitete Teile Sinn machen, um zu sparen – ohne Abstriche bei der Qualität.“ Auch bei der effizienten Steuerung der Anlage könne man optimieren. „Wir können Anlagenleistungen runterregeln, um in Leistungsgrenzbereichen oder Windturbulenzen keine unnötig hohen Defektraten zu riskieren und können dabei höhere Einspeisung garantieren.“ So lasse sich die digital überwachte Anlage im definierten Bereich von 80 bis 90 Prozent der Auslastung besonders kosteneffizient und lebensverlängernd betreiben.

Optimierung durch Repowering

Die effizienteste Optimierung von Bestandsanlagen ist und bleibt aber wohl das Repowering. Laut der Regensburger OSTWIND AG ist Repowering zudem ein wichtiger Faktor für den weiteren Ausbau der Windenergie. Durch die rasante Technologieentwicklung in den vergangenen Jahren ist es mitunter rentabel, ältere und kleinere Anlagen vorzeitig auszutauschen und durch modernere Turbinen mit größerer Leistungsfähigkeit zu ersetzen. Doch ab wann sollten Betreiber an das Repowern ihrer Wind-
energieanlage denken? Wie sehr hat sich seit der Inbetriebnahme der Windkraftanlage die Technologie weiterentwickelt? Wie hoch ist der Aufwand, den die alte Windkraftanlage an Unterhalt verursacht? Stehen bald größere Reparaturen und / oder Wartungsarbeiten an? Vorteile des Repowerings für Anwohner sind: Neue Windkraftanlagen laufen noch ruhiger und leiser, da mit zunehmendem Rotordurchmesser die maximale Drehzahl sinkt und die Aerodynamik der Rotorblätter verbessert wurde. Optisch verträglicher wirkt hierbei auch die deutlich geringere Umdrehungszahl. Da Bestandsanlagen häufig verstreut und nahe an bebauten Gebieten stehen, kann beim Repowering das Landschaftsbild entlastet werden. Oft bietet sich die Chance, die neuen Anlagen optimaler anzuordnen.