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Konferenz Windenergierecht

"Wir brauchen Fristen"

Tilman Weber

Sieben Jahre Projektentwicklung ab Vertragsschluss zur Bodennutzung durch einen geplanten Windpark sind ein real drohendes Worst-Case-Szenario: der größte und doch realistisch anzunehmende Unfall für einen Projektierer, falls das Vorhaben nicht noch ganz scheitert. Die juristische Beirätin beim Bundesverband Windenergie (BWE) und Syndikusanwältin beim Schweriner Windparkentwicklungsunternehmen Naturwind Anja-Doreen Ferdenus sieht dennoch Möglichkeiten, Genehmigungsverfahren durch kluge und lösungsorientierte Zusammenarbeit mit den Behörden zu beschleunigen. Zugleich fordert sie im Interview mit ERNEUERBARE ENERGIEN zum Schutz erteilter Genehmigungen eine Reform des Klagerechts. Lesen Sie hier das vollständige Interview, das in leicht gekürzter Form zur thematischen Einstimmung auf die BWE-Konferenz Windenergierecht in unserem gedruckten Magazin erschienen ist.

Es dauere 59 Monate bis sein Unternehmen einen Windpark errichten könne, sagt EnBW-CEO Frank Mastiaux: Fast fünf Jahre. Mit welcher Planungsdauer ist man heute schon gut?

Anja-Doreen Ferdenus: In unseren Nutzungsverträgen vereinbaren wir grundsätzlich, dass ab Vertragsschluss zur Nutzung einer Standortfläche bis zum Bau eines Windparks weniger als fünf Jahre vergehen sollen. Das ist in vielen Fällen aber nicht einzuhalten. Oft vergeht erst Zeit für das Warten auf die Regionalplanung. Danach schließt sich das drei- bis vierjährige Genehmigungsverfahren an. Unseren Vertragspartnern ist ein so umfangreicher Zeithorizont nicht mehr zu vermitteln. Zumal dann der Windpark oft nur noch mit weniger Anlagen gebaut werden kann. Der Projektierer geht nur noch mit einem Teil der geplanten Turbineninstallationen in die Ausschreibung oder findet sich schon im Widerspruchsverfahren gegen den Stopp oder die Verkleinerung seiner Planungen. Bestelle ich die Turbinen für schlussendlich doch noch genehmigte Projekte, braucht es circa sechs bis zehn Monate bis zur Lieferung. Somit können sieben Jahre vergehen.

Sie wollen als Syndikus die Verfahren ihres Arbeitgebers beschleunigen? Hängt das Verfahren so sehr vom Richtig oder Falsch juristischer Argumente und der Gutachtenqualität ab?

Anja-Doreen Ferdenus: Durchaus. Grundsätzlich geht es im ersten Schritt des Genehmigungsverfahrens darum, dass die Anlagen dem emissionsschutzrechtlichen Verfahren genügen und die Unterlagen so weit in Ordnung sind, um die Öffentlichkeitsbeteiligung zu starten. Gutachten müssen zunehmend ausführlicher werden und wesentlich intensiver begründet sein – auch monieren Fachbehörden in jüngster Zeit häufiger, der Untersuchungsumfang sei nicht ausreichend. Hierfür sind Vorgespräche mit der Genehmigungsbehörde hilfreich, bei Hinzuziehen der Naturschutzbehörde, um Knackpunkte frühzeitig zu klären. Das rein Juristische ist diffizil. Dass man eine wasserdichte Argumentation vorlegt, ist nicht immer so ganz entscheidend. Der Jurist kann aber beispielsweise einen erweiterten Untersuchungsumfang zur Begutachtung der Risiken eines Windparks für Vögel vorab empfehlen. Der Jurist weiß auch, ob es schon Urteile gab, die bestimmte Vorgehensweisen untermauern. Oder ob ein von der Behörde verlangtes Nachgutachten droht, das in der erreichten Jahreszeit gar nicht mehr möglich ist. Es geht darum zu wissen, welche Schutzmaßnahmen für Vögel vorgeschlagen werden dürfen, weil sie in der Rechtsprechung schon Bestand hatten.

Was sind die häufigsten Fallstricke für Planer – die Sie als Syndikus zu vermeiden suchen?

Anja-Doreen Ferdenus: Ein häufiger Fallstrick ist es, wenn die Umweltgutachten und Gutachten nicht der nötigen Form entsprechen und die Brutperiode schon abgelaufen ist. Und wenn dann ein ganzes Jahr abzuwarten ist, bis die Periode wiederkehrt, in der die Vögel beobachtet werden müssen. Beim landschaftspflegerischen Begleitplan legen wir Wert darauf, dass Juristen da reinlesen und genau arbeiten müssen. Als Fallstrick lässt sich auch werten, dass dass eine Planung früh präsentiert werden muss.. Heimliches Planen lässt plötzlich Bürgerinitiativen sehr aktiv werden, die alle möglichen Vögel im Gebiet sehen. Schicken die dann ihre Hinweise an die Naturschutzbehörde, ist diese gezwungen den Hinweisen nachzugehen – und die Maschinerie geht von vorne los. Weniger konkret sind juristische Fallstricke: Genehmigungsverfahren hängen ja überwiegend von Gutachten/Unterlagen/Dokumenten ab. Der Jurist flankiert hier eher, im Zuge eines Erörterungstermins nach der Öffentlichkeitsbeteiligung hat er sich dann mit den Einwendungen ausführlich auseinanderzusetzen und diese aufzuarbeiten. Eine saubere Argumentation ist dann entscheidend.

Wie kann man zur Beschleunigung eines Verfahrens beisteuern?

Anja-Doreen Ferdenus: Man braucht schlicht den guten konstruktiven Austausch mit den Genehmigungsbehörden. Die Antragsunterlagen sollten in Form und Inhalt den Anforderungen entsprechen. Um Nachforderungen zu vermeiden, muss der Projektierer mit den Genehmigungsbehörden regelmäßig im Austausch sein und bleiben – und dies ebenso mit den Fachbehörden. Als Jurist frage ich mich immer, welche Unterstützung ich noch leisten kann.

Die Naturschutzbehörden sind oft überfordert – und unterbesetzt. Lassen sich auf Planerseite die Umwelt/Naturverträglichkeitsgutachten so machen, dass Behörden diesen vertrauen?

Anja-Doreen Ferdenus: Ja. Grundsätzlich geht es darum, dass wir Planer ebenso wie die Behörden rechtssichere Entscheidungen erreichen wollen. Meiner Erfahrung nach werden die meisten Sachgutachter anerkannt. Ich kenne keinen Fall, in dem Behörden sagen, ein solcher Gutachter habe ein klassisches Auftragsgutachten im Sinne des ihn bezahlenden Projektierers abgegeben. Das Gutachten sei daher nicht nutzbar. Gutachter wollen ja auch von den Dritten, wie Behörden und Kommunen beauftragt werden.

Will das Gros der Behörden tatsächlich die Zusammenarbeit?

Anja-Doreen Ferdenus: Das ist mein Eindruck. Die Naturschutzbehörden sind doch überfordert, weil sie Personalmangel haben. Sitzen Planer und Behörden an einem Tisch, haben sie in der Regel beidseitig einen Plan vor sich, den sie abarbeiten müssen. Auf unserer Seite, der Seite der Projektierer, können insbesondere wir Juristen hervorheben, was erreicht wurde, wir können Stellen exzerpieren, auf die es ankommt.

Lassen sich zunächst unwillige Behörden auf eine ergebnisoffene Prüfung von Naturschutzgutachten der Windmüller sogar verpflichten?

Anja-Doreen Ferdenus: Eine Fachbehörde lässt sich nicht verpflichten, das kann nicht funktionieren. Sie besitzt auch durch jüngere Urteile gestützt eine Einschätzungsprärogative, die man ihr nicht nehmen kann.

Und lassen sich Genehmigungsverfahren gegen die aufschiebende Wirkung nach der Genehmigung erfolgter Klagen immunisieren und wie?

Anja-Doreen Ferdenus: Das wäre schön. Grundsätzlich werden Genehmigungen sofort vollziehbar beschieden. Der Planer kann sofort mit dem Bau eines Windparks beginnen. Erhebt eine dritte Partei Widerspruch, hat das keine sofortige aufschiebende Wirkung. Diese Partei muss erst noch ein Rechtsverfahren anstrengen, in dessen Verlauf ein Gericht den Baustopp anordnen kann. Immunisieren lässt sich das Projekt aber nicht: Das Gericht indes muss nach einem Widerspruch oder einer Klage prüfen. Wer an Richter gerät, die ein Verfahren selbst zügig abarbeiten wollen – weil ja auch Gerichte unterbesetzt sind – kann ein zügiges Verfahren erleben. Das passiert oft in Bayern oder Baden-Württemberg. Der Standard ist aber leider oft das Gegenteil.

Wie müsste ein Genehmigungs- oder Klage-Beschleunigungsgesetz aussehen?

Anja-Doreen Ferdenus: Den Trägern öffentlicher Belange müssten Fristen gesetzt werden, die diese zwingend einhalten müssen. Grundsätzlich gibt es die Regelung, dass, sofern eine Behörde bis zum Ablauf der Frist keine Stellungnahme abgegeben hat, davon auszugehen ist, dass die beteiligte Behörde sich nicht äußern will. Die Genehmigungsbehörden beharren jedoch darauf, dass zwingend Stellungnahmen von den Fachbehörden, wie z. B. der Naturschutzbehörde eingehen müssen. Naturschutzbehörden müssten angesichts ihrer Personalnot auch einen externen Fachgutachter bestimmte Stellungnahmen schreiben lassen dürfen – um nicht sechs Monate oder noch längere Wartezeiten dafür zu benötigen. Die Neuregelung müsste konsequenterweise auch verhindern, dass die Genehmigungs- oder die Naturschutzbehörde die Stellungnahme des Gutachters noch einmal behördlich prüfen muss. Sonst wäre ja nichts gewonnen, weil auch dafür sechs Monate Wartezeit zu veranschlagen wären.

Die BWE-Konferenz Windenergierecht findet am 19. und 20. November in Berlin statt..