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Die alte Stromwirtschaft jammert – ein Kommentar

Geschäfte gehen den Bach runter

Wer hätte es gedacht. Die konventionelle Stromerzeugung wird zunehmend unrentabel. Nun ist diese Erkenntnis auch endlich durch die dicken Mauern der alten Atom- und Kohlefestungen gedrungen. Vor allem bei den überregionalen Versorgern gehen die Gewinne aus der konventionellen Stromerzeugung verloren. Selbst die Kraft-Wärme-Kopplung kommt in die Krise. Zumindest ist die Stimmung bei den Stromversorgern, die noch in den alten Dampfkraftwerken Kohle, Öl und Gas verfeuern, auf einem neuen Tiefpunkt angekommen. Schon seit Jahren fahren diese Energieunternehmen sehenden Auges ihr eigenes Geschäft an die Wand. Sonst hätten sie längst auf die Energiewende reagiert statt wenig innovativ die alten Kohle- und Atommeiler unter Volllast laufen zu lassen.

Offensichtlich hat aber nicht nur die alte Energiewirtschaft versagt, sondern auch die intensive Lobbyarbeit im Vorfeld der EEG-Novelle im vergangenen Jahr war vollkommen umsonst. Für den Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) ist die Tatsache, dass die alte Energiewirtschaft zunehmend in die Krise fährt, allerdings ein guter Grund, wieder die alten Keulen aus dem Sack zu holen. Das aktuelle Stimmungsbild bei den Stromversorgern sei ein Weckruf für die Politik, betont Hildegard Müller, Hauptgeschäftsführerin des BDEW. Als hätte die derzeitig in Berlin regierende Koalition viel für die erneuerbaren Energien getan. Sie hat sie stetig behindert und zur Marktintegration gedrängt mit dem Ergebnis, dass dadurch der konventionelle Strom aus dem Markt gedrängt wird. Sicherlich war das so nicht geplant, aber von vorn herein absehbar.

Klimaschutz in Frage gestellt

Hildegard Müller geht sogar so weit, die Klimaschutzziele in Frage zu stellen. „Was wir brauchen, ist ein energiepolitischer Gesamtrahmen. Dieser muss nicht nur den Klimaschutz, sondern auch eine bezahlbare und weiterhin sichere Energieversorgung im Blick haben“, erklärt Müller. Bei dieser Aussage fragt man sich gleich mehrfach, ob die Realität die alte Energiewirtschaft nicht schon längst überholt hat. Sicherlich hat Hildegard Müller recht, wenn sie einen energiepolitischen Gesamtrahmen fordert. Diese verlangen die Verbände der erneuerbaren Energien schon lange mit dem Ergebnis, dass die alte Energiewirtschaft noch länger am herkömmlichen Modell festhalten wollte.

Längst ist zum Beispiel ein neues Strommarktdesign fällig. Längst ist die Politik gefordert, den Rahmen für die Vermarktung von Energiedienstleistungen zu schaffen. Längst sind die Netzbetreiber dazu angehalten, ihre Ausbauplanungen auf den Ausbau der erneuerbaren Energien abzustimmen und diese nicht einfach zu ignorieren. Längst braucht die Energiewirtschaft den Rahmen für flexible Strompreise, um den Verbrauch an die Erzeugung anzupassen.

Ruf nach Kapazitätsmarkt

Natürlich sind genau diese Dinge, die das gesamte Energiesystem nach vorn bringen würde, nicht damit gemeint, wenn Hildegard Müller von einem Gesamtrahmen spricht. Sie hat die Aufgabe, die Geschäfte der Betreiber konventioneller Kraftwerke zu schützen. Sie hat dann nicht wirklich ein neues Stromsystem im Blick. Vielmehr sind es die Kapazitätsmärkte, die der BDEW mal wieder fordert, wenn Müller von einem „systematischen Miteinander von schwankender erneuerbarer Stromeinspeisung und den benötigten Reservekapazitäten“ spricht. Die Bundeskanzlerin hat aber auf dem gestrigen Empfang des Bundesverbandes Erneuerbare Energie (BEE) dieser Variante aber schon mal eine Absage erteilt.

Bliebt noch die Kostenfrage. Offensichtlich sind es die Anlagen zur Erzeugung regenerativen Stroms, die momentan wirtschaftlich betrieben werden können. Trotz des derzeitigen Tiefs der Öl- und damit auch der Gaspreise. Trotz der massiven versteckten Subventionierung der Kohle- und Atomwirtschaft. So hat das Forum Soziale Marktwirtschaft jetzt errechnet, dass die Subventionen der konventionellen Energieträger im Jahr 2015 eine Mehrbelastung von elf Cent pro Kilowattstunde verursachen. Im Vergleich dazu ist die Förderung der erneuerbaren Energien über die EEG-Umlage mit derzeit gut sechs Cent pro Kilowattstunde wesentlich geringer. Damit kostet die Förderung der erneuerbaren Energien den Stromkunden jährlich etwa 20 Milliarden Euro. Die versteckten Zusatzkosten für die konventionellen Energieträger liegen hingegen in den Jahren 2014 und 2015 bei jeweils etwa 40 Milliarden Euro. Darin enthalten sind neben staatlichen Subventionen und finanziellen Vergünstigungen für die konventionellen Energieträger auch externe Kosten, mit denen die Gesellschaft für Umweltschäden oder die Endlagerung von Atommüll aufkommt. Noch nicht mit eingerechnet sind die Kosten, die die alte Energiewirtschaft beim Umstellen des eigenen Unternehmens der Gesellschaft noch aufbürden könnten. Schließlich steht auch die Frage im Raum, was passiert mit den jetzt von Eon in eine eigene Gesellschaft ausgelagerten konventionellen Kraftwerke, wenn diese in den wirtschaftlichen Ruin steuern? Welche Kosten kommen dann auf den Steuerzahler zu?

Energiewende als industriepolitische Herausforderung

Diese Fragen werden wir sicherlich in den nächsten Jahren beantwortet bekommen. Der BDEW sieht die Energiewende inzwischen auch als industriepolitische Herausforderung – ein Problem, mit dem sich die Hersteller und Installateure von Solarmodulen, Wechselrichtern und Windturbinen seit Jahren herumschlagen. Die Arbeitsplätze in der Photovoltaik sind längst auf die Hälfte der Beschäftigung zu den Boomzeiten gesunken. Jetzt geht es an die Konsolidierung in der alten Energiewirtschaft, wo nur diejenigen überleben, die die Energiewende schon längst im Blick haben und mit der Umstellung der Geschäftsmodell vom reinen Stromerzeuger und Stromlieferanten hin zu anderen Dienstleistungen begonnen haben. (Sven Ullrich)