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„Ich bin komischerweise trotz allem optimistisch“

Bestsellerautor Marc Elsberg hat uns mit dem Thriller „Blackout“ vor zehn Jahren das Thema Energiesicherheit nahegebracht. In seinem neuen Roman „Celsius“ geht es um Klimawandel und Geoengineering.

Warum sind wir fasziniert von Dystopien?

Marc Elsberg: Ich verwehre mich immer dagegen, dass meine Bücher Dystopien sind. „Blackout“ ist für mich ein Buch darüber, wie gut es uns geht und dass wir nur die Systeme nachhaltig und resilient gestalten müssen, damit wir den Wohlstand erhalten können. Mein neues Buch „°C – Celsius“: Aus der Perspektive des Manu, der für mich durchaus nicht der Böse ist, ist es keine Dystopie. Für ihn geht es ja gut aus. Nur aus unserer sehr nördlichen Perspektive ist es eine Dystopie. In „Der Fall des Präsidenten“ wird der Ex-Präsident einer Supermacht vor den internationalen Strafgerichtshof gestellt. Auch keine Dystopie. Das würde ich mir wünschen. „Gier“ stellt Konzepte vor, die beweisen, dass Pooling und Sharing langfristig mehr Wohlstand aufbauen als Raubtierkapitalismus. Aber genug der Ausreden: Dystopien begeistern die Menschen bei uns wohl, weil man den Grusel und das Abenteuer mit Rückfahrkarte hat. Man kann zwar eintauchen in die Katastrophe, aber man kann immer wieder auftauchen. Ich bin der Frage noch nie nachgegangen, ob solche Geschichten auch in Gegenden populär sind, wo es den Menschen schlecht geht.

Ob dort „Celsius“ als Utopie gesehen wird …

Marc Elsberg: Ich bin aufgewachsen mit der Unterhaltung durch Hans Moser und Peter Alexander und dazwischen vielleicht mal Tarantula oder so. Die Katastrophengeschichten kamen erst vermehrt in den 70er-Jahren mit Paranoia-Filmen et cetera in die Kinos.

Ich will Unterhaltung kreieren, die mehr liefert als ein paar Stunden Eskapismus.

Marc Elsberg,
Bestsellerautor

Inwiefern könnten Ihre Bücher gar zum Umdenken, zu einer Verbesserung beitragen?

Marc Elsberg: Ich bekomme immer wieder gesagt, dass „Blackout“ vor allem im deutschsprachigen Raum dazu geführt hat, dass man sich Gedanken gemacht hat über die Sicherheit, Sicherheitsaspekte im Bevölkerungsschutz, sogar Regularien zu Smart Meter oder so. Bei den anderen Büchern wie „Gier“, das gesellschaftspolitisch relevanteste, erlebe ich, dass es vielen zu denken gibt. Ob dem ein Handeln folgt, ist eine andere Frage. Aber das ist ein Nebeneffekt. Ich will ja erst mal gute Unterhaltung kreieren, die den Leuten mehr liefert als ein paar Stunden Eskapismus, sondern zum Gedanken anregt.

In Ihrem neuen Buch geht es um Geo­engineering als Mittel gegen die Klimakatastrophe, das dann allerdings völlig außer Kontrolle gerät. Dort beschreiben Sie den Zustand stagnierender politischer Klimaverhandlungen, wie wir ihn kennen. Denken Sie, dass wir noch die Kurve kriegen?

Marc Elsberg: Ich bin komischerweise trotz allem optimistisch. Es wird Technologien und anderes geben, was uns helfen wird, das Ganze zu bewältigen. Gleichwohl wird es in manchen Weltgegenden dramatisch. Das sind die Regionen, in denen die Menschen kein Geld haben, um sich anzupassen. Wir werden uns anpassen müssen, was uns Reichen hier im Norden leichter fällt als denen im Süden, wo die Heimat vieler Menschen überflutet wird. Da gibt es keine Anpassungsmöglichkeiten, außer auszuwandern. Aber ich glaube tatsächlich, dass wir es in weiten Bereichen schaffen werden und nicht notwendigerweise nur mittels Technologie. Im Projekt Drawdown haben Wissenschaftler schon vor Jahren begonnen, mögliche Maßnahmen zu bewerten, welche am wirkungsvollsten wären. Wo wäre der größte Hebel für den Klimaschutz anzusetzen? Ganz vorne mit dabei ist etwa Bildung für Frauen, vor allem in Schwellen- und Entwicklungsländern. Das hätte auf viele andere Dinge ebenfalls positiven Einfluss.

Im Projekt Drawdown wurde Bildung für Frauen als wirkungsvolle Klimaschutzmaßnahme identifiziert.

Und trotzdem wird Paranoia gesät, wenn es bei Ihnen darum geht, dass der Klimawandel einigen Staaten Vorteile bescheren könnte: Kornkammer statt Permafrost …

Marc Elsberg: In Russland ist die Tatenlosigkeit beim Thema Klimaschutz wohl eine Mischung aus Ignoranz und bewusstem Handeln. Wenn ich dem durchschnittlichen 50- bis 70-jährigen deutschen oder österreichischen Entscheider – fast immer Männer – gegenübersitze, findet man erschreckend viele, die unter vier Augen sagen: So schlimm wird es schon nicht sein. Ein anderer Grund für Tatenlosigkeit ist aber wohl das russische Kalkül, dass Russland Profiteur sein könnte. In Russland wird seit Jahren die Nordpassage ausgebaut, ich erwähne das in „°C - Celsius“ kurz. Das macht man ja nicht, wenn man sich da nichts erwartet.

Thema Geoengineering: Sie schreiben in Ihrem Nachwort, dass da noch nicht so viel passiert ist. Auf was für Überlegungen konnten Sie zurückgreifen?

Marc Elsberg: Es gibt eine ganze Menge Papiere da draußen: Ideen von „Mondstaub zwischen Mond und Erde blasen“ bis hin zu gigantischen Spiegelschwärmen. Man hat auf kleiner Fläche Meeresdüngung mit Eisenspänen erprobt. Das ist ja inzwischen auch verboten. Tatsächlich experimentiert man in den letzten Jahren mit regionaler Wolkenbildung oder mit der Verhinderung, damit es eben nicht über Moskau regnet am Tag der Parade. Und im nordafrikanischen und arabischen Raum experimentiert man damit, Regen zu machen. Das funktioniert mal besser, mal schlechter. Es gab auch mal ein Experiment über dem Great Barrier Reef, in dem es darum ging, Wolken zu bilden, um das Riff vor Erwärmung zu schützen.

Und das Thema Aerosole?

Marc Elsberg: Zu der Aerosol-in-der-Stratosphäre-Methode, die die Chinesen im Buch anwenden und dann auch die anderen, versuchen ja einige seit Jahren Experimente durchzuführen, wenigstens einen Ballon hochzuschicken. Bislang wurde ihnen das von den jeweiligen nationalen Behörden verboten. Deshalb gibt es bisher keinerlei experimentelle Erkenntnisse, nur vage natürliche Vorbilder, wie etwa große Vulkanausbrüche. Das ist für einen Thriller-Autor angenehm, weil niemand sagen kann: So funktioniert es nicht, weil wir haben es schon ausprobiert. Aber es ist zu erwarten, dass die Experimente beginnen werden. Die USA haben im vergangenen Jahr ein großes Budget freigegeben für die Erforschung der Folgen von Geoengineering, ökologischer, sozialer, politischer Natur und so weiter. Das ging bloß unter im Beginn des Ukrainekriegs.

Sie haben die Gefahren des Geoengineerings ja schön beschrieben.

Marc Elsberg: In der beschriebenen Form würde das ins Desaster führen. Der Welt ist das egal. Aber es würde immense Auswirkungen auf sämtliche Lebewesen inklusive uns Menschen haben.

Geht es eigentlich um die Rettung der Welt oder der Menschen?

Marc Elsberg: Es geht nicht einmal um die Rettung der Menschen, sondern des Wohlstands. Die Menschheit hat es immer geschafft, sich an jedes Klima anzupassen. In „°C - Celsius“ geht es um die Frage, wohin der Wohlstand wandert.

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