Kurz zuvor hatte die Digitalisierungseinheit im Unternehmen an diesem Tag noch die Einführung einer neuen App für Kundenkommunikation gefeiert. Und seit dem Morgen desselben Tages kann ein anderes EEF-Team für ein sogenanntes Beschleunigungsgebiet im Nordwesten Deutschlands die Konturen des neusten Leuchtturmprojektes des jungen Unternehmens skizzieren: auf einem noch unter Verschluss gehaltenen Standort soll ein Hybridpark mit Windturbinen einer Nennleistung von rund 100 Megawatt (MW) entstehen. Das Unternehmen könnte den Genehmigungsantrag für das Leuchtturmprojekt zu Ende des Jahres stellen, heißt es hier auf der großen Dachterrasse mitten in der Hamburger Innenstadt, wo das Unternehmen Erneuerbare Energien Fabrik (EEF) an diesem Fastsommer-Abend die Eröffnung seiner dritten Repräsentanz feiert.
In dem Projekt sollen dann auch Photovoltaikanlagen auf den die Windturbinen umgebenden Freiflächen hinzukommen, die auf diese Windkraft mindestens ein weiteres Fünftel Erzeugungskapazität Solarkraft draufpacken, also mindestens 20 MW, sowie ein Stromspeicher mit einer möglicherweise dieser PV-Kapazität eins zu eins entsprechenden Einspeise- und Ausspeiseleistung und noch vielleicht eine Anlage zur Umwandlung überschüssigen Grünstroms in Treibhausgas-emissionsfreien grünen Wasserstoff (H2). Das H2 ließe sich bekanntermaßen gemäß den Konzepten der Energiewende als Treibstoff im Verkehr oder als Prozessenergiebrennstoff in Industrieproduktionsverfahren etwa für die Stahlproduktion nutzen.
Unternehmensgruppe schafft Skalierbarkeit durch Expertise
Industrie sichert sich grünen Strom
„Rechenzentrumsbetreiber legen Wert auf Nachhaltigkeit“
Das Erneuerbare-Energien-Unternehmen hat seit der Gründung 2024 und nach vorausgegangenen Eröffnungen von Repräsentanzen in Mainz und Berlin nun bereits die dritte große Unternehmensvertretung in Betrieb genommen. Über den Fonds Capenergie hat das Finanzunternehmen für Vermögensinvestitionen in Infrastruktur- und Erneuerbare-Energien-Projekte Omnes Capital sich an EEF beteiligt und trägt somit zum EEF-Eigenkapital bei. EEF soll Kapital in größere Erneuerbare-Energien-Projekte stecken, die eine künftige Energieversorgung ganzheitlich angehen. Die Projektierungen zielen beispielsweise darauf ab, Stromspitzen durch viel Wind und Sonne bei der Netzeinspeisung zu glätten, oder durch kluge Beteiligung von Grundstückseigentümern ebenso wie durch kluge Stromversorgungskonzepte die Akzeptanz von Erneuerbare-Energien-Projekten erhöhen. Auch die Unterstützung von Gemeinden beim Aufbau von Solardachanlagen auf kommunalen Liegenschaften gehört hierzu, um die Glaubwürdigkeit dieser Gemeinden als Energieerzeuger bei den Bürgern zu stärken. Und durch automatisierte Projektentwicklungsprozesse mit digitalisierter Kommunikation zu Partnern wie Grundstückseigentümern soll eine kostenbewusste „modulare Wertschöpfungskette“ unter Beteiligung schließlich auch möglichst vieler örtlicher Unternehmen am Bau der Windparks entstehen.
So ist bei EEF die Direktlieferung von Wind- und Sonnenstrom als Industriestrom an produzierende Unternehmen im Gespräch – als Basislast, um die große Energiewende zu schaffen. Mit eingekauften vorentwickelten Windpark- und Solar-Freiflächenprojekten soll das Unternehmen schon zu Jahresbeginn ein Projektvolumen in Sachen Windkraft und Photovoltaik (PV) mit mehr als 650 MW initiiert haben. Alleine mehr als 100 Millionen Euro an Eigenkapital sollen in den Erwerb von Windkraftprojekten mit mehr als 360 MW geflossen sein. Projekte mit 82 MW seien schon im Bau. Die Projektepipeline enthalte insgesamt sogar schon Windkraftvorhaben von 1,5 Gigawatt (GW) und PV-Vorhaben mit 760 MW.
„Wir sind schneller erfolgreich, als anfangs vermutet“, sagt der Bereichsleiter für Strukturierung und Finanzierung, Joest Bunse, auf Nachfrage. Bei zwei ersten Windparks beginnt nun offenbar der Bau: Beim Anfang des Jahres durch den Abschluss der Projektfinanzierung aufs Gleis gestellten Windparkprojekt Beckum in Nordrhein-Westfalen, einem vom Münchner Projektierungsunternehmen Baywa RE vorentwickelten Vorhaben für vier Nordex-Windturbinen mit 21,9 MW, ist der Baustart im vierten Quartal geplant. Mitte 2026 soll der Windpark am Netz sein. Auch für das erst im Mai übernommene Windparkvorhaben Schwennenz in Mecklenburg-Vorpommern mit drei Vestas-Windturbinen und knapp 14 MW ist das vierte Quartal für den Baustart vorgesehen. Hier soll die Inbetriebnahme im dritten oder vierten Quartal 2026 erfolgen. Zudem hat EEF inzwischen einen Antrag auf Projekterweiterung fertig gemacht und wohl in diesen Tagen auch eingereicht, der auf eine Errichtung weiterer fünf modernster V172-Vestas-Turbinen an diesem Standort mit zusammen 36 MW abzielt.
Ein kontinuierlicher Ausbaufahrplan zeichnet sich bereits ab: Weitere seit Jahresanfang von EEF bekannt gegebene Windparkprojekte beziehen sich auf Standorte in Niedersachsen. Hier planen die Projektierenden von EEF mit erneut den größten Vestasanlagen vom Typ V172 mit 7,2 MW und mit den größten Enerconanlagen vom Typ E175 mit 7 MW. Entstehen sollen daraus Windparks mit mehr als 20 MW, 38 und 43,2 MW. Die Inbetriebnahmen sollen 2028 und 2029 stattfinden. Zwei schon im November bekannt gegebene Projektübernahmen in Hessen und Niedersachsen für ähnlich große Windparks sehen Inbetriebnahmen auch 2027 vor.
Hajo Kallsen, Bereichsleiter für Investments bei EEF, verwies auf die strategische Bedeutung des neuen Standorts: „Hamburg ist ein Zentrum der Energiewirtschaft und unser neues Büro ein Schlüssel für die regionale Vernetzung und Zusammenarbeit. Hier wollen wir Ideen bündeln, Innovationen vorantreiben und gemeinsam die Energiewende 2.0 gestalten.“ Das Unternehmen folge mit schon 70 Mitarbeitenden der Vorgabe, die Projekte ganzheitlich denkend zu entwerfen und sie digital agierend umzusetzen. Andere im Unternehmen sprechen an diesem Abend auf der Hamburger Dachterrasse von bereits 100 Teammitgliedern.
Die ebenfalls zu Besuch gekommene energiepolitische Sprecherin der SPD-Bundestagsfraktion und damit an der Bundesregierung beteiligte Abgeordnete Nina Scheer ordnete in einer Gastrede die Büro-Neueröffnung in die aktuellen politischen Zusammenhänge ein. Die derzeit scheinbar vieles, wenn nicht die meisten tagespolitischen Angelegenheiten dominierende Frage nach der Sicherheit von Wirtschaft und Gesellschaft in Deutschland könne „nicht ohne die Energiepolitik“ beantwortet werden – und sie ohne erneuerbare Energien zu beantworten, sei „erst Recht fahrlässig“, sagte Scheer. Die erfahrene Energiewendepolitikerin Scheer warnte vor Gegenmaßnahmen, die ein schneller Umbau der Energieversorgung auf ein System unter Führung der Erneuerbare-Energien-Anlagen mit sich bringen könne. Der Koalitionsvertrag ihrer Partei mit CDU und CSU im Bundestag sehe eine künftige systemische Verantwortung der Grünstromerzeugung vor. Verantwortungsvolle Energiewendepolitiker müssten diese Verantwortung nun aber definieren. Es genüge nicht, die Erneuerbaren als erwachsene Technologie zu bezeichnen, für die Politik künftig keine gesonderten Rahmenbedingungen mehr definieren müsse. Im Koalitionsvertrag verankert sei ebenfalls, dass sich Erneuerbare-Energien-Anlagen künftig unabhängig von Subventionen am Markt refinanzieren können müssten. Doch dies erfordere nun eine Politik, die eben durch Rahmenbedingungen die Grünstromerzeuger erst in die Lage versetzen müsse, auch rein marktwirtschaftlich rentabel ihre Systemdienstleistungen im Wortsinne erfüllen zu „können“. Es brauche „Rahmenbedingungen, damit Erneuerbare sich am Markt refinanzieren können“. Der sich in Regelentwürfen der Ministerien bereits abzeichnende künftige „Rahmen für Systemverantwortung“ stimme sie aber zuversichtlich.
Zugleich lasse auch die globale Perspektive erkennen, dass der Erneuerbare-Energien-Ausbau mit Wirtschaftswachstum einhergehen könne. So zeige derzeit China als Land mit Wirtschaftswachstum und dem bisher größten Ausstoß von Treibhausgasen wie Kohlendioxid (CO2) und zugleich als Land mit dem größten Ausbau an Grünstromanlagen, dass Klimaschutz mit Wirtschaftswachstum vereinbar sei. Trotz Wirtschaftswachstum senke dort der Erneuerbaren-Ausbau nun die CO2-Emissionen erstmals, verwies Scheer auf jüngst bekannt gewordene offizielle Emissionsdaten. Dagegen sei die in Deutschland angestoßene Strommengendebatte toxisch. Zu prüfen etwa, ob nicht weniger Stromverbrauch in Deutschland einen auch geringeren Erneuerbaren-Ausbau als bisher vorgesehen zulasse, sei angesichts der infolge der Digitalisierung zu erwartenden neuen elektrischen Bedarfe unverantwortlich.
Auch der Bundesgeschäftsführer des Windenergieverbandes BWE, Wolfram Axthelm, warnte, es gelte nun, die Politik in der Spur zu halten. Wenn der Koalitionsvertrag einerseits Deutschland zum künftigen Zentrum der europäischen Rechenzentren zu machen verspricht, seien andererseits Debatten über weniger Bedarf an grüner Energie sinnlos. Die Regierung werde aber eine Studie mit Angaben zum Stromverbrauch künftiger Rechenzentren schon im August vorlegen, erwartet er.
Die von den Koalitionären vorgesehene Einbindung von Kapitalfonds in die Finanzierung der Energieinfrastruktur als weiteres Koalitionsversprechen sieht Axthelm indes durch neue Unternehmen wie EEF als verkörpert an. Entscheidend für deren Erfolg werde es aber sein, ob die künftigen Regelungen im Energiemarkt ein marktdienliches Verhalten der Grünstromerzeuger sinnvoll werden lassen. So müssten zuständige Regierungskreise wie das Bundeswirtschaftsministerium zunächst dafür sorgen, dass sich Erneuerbare-Energien-Anlagenbetreibende ohne Hemmung durch falsche Vorgaben marktdienlich verhalten dürfen. Beispielsweise müssten die anhebenden Korrekturfaktoren in den Ausschreibungen der Vergütungstarife für neue Windparks auch an windschwächeren süddeutschen Standorten zwar so verfeinert werden, dass sich keine Windparkvorhaben mehr bei schlechten Ertragserwartungen einzig durch diese hohen Korrekturfaktoren in der Vergütung in schwarze Zahlen retten. Doch müsse das bestehende sogenannte Referenzertragsmodell den Investoren als Signal dienen, dass es in Süddeutschland ebenfalls mehr Windenergie braucht.