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Ab an die Börse?

Katharina Wolf

Wer in den vergangenen Monaten eine Achterbahnfahrt erleben wollte, musste sich die Strompreise für erneuerbare Energien anschauen. Während der Marktwert im ersten Corona-Jahr 2020 teilweise unter einem Cent pro Kilowattstunde lag, nahm die Preissteigerung 2021 an Tempo auf, bis sie im Dezember mit 18,4 Cent für eine Kilowattstunde Offshore-Windstrom, 16 Cent für Onshore-Windstrom und 27 Cent für PV-Strom einen Höchststand erreichte. Und auch wenn im Januar und Februar die Preise wieder sanken, liegt der Marktwert deutlich über dem, was noch vor 2019 als realistisch galt - oder dem, was als anzulegender Wert bei den jüngsten Ausschreibungsrunden erzielt werden konnte. Welche Auswirkungen der Krieg gegen die Ukraine hat, ist zudem kaum abzusehen.

Eine Folge dieser hohen Preise ist, dass nur wenige Altanlagen, die nach 20 Jahren aus der EEG-Vergütung fallen, stillgelegt werden. Die Befürchtungen waren groß, dass mit Ende der Förderung allein zum 1. Januar 2021 zwischen 3.800 bis 4.000 MW Windleistung aus dem Markt verschwinden würden. Bis Ende 2025 könnten es nach Angaben des Bundesverbandes Windenergie (BWE) rund 16.000 MW Leistung sein.

Stilllegung? Fehlanzeige

Doch die alten Anlagen bleiben am Netz und produzieren weiter: Laut Fachagentur Wind an Land sind 2021 lediglich 251 Windenergieanlagen mit einer Gesamtleistung von knapp 260 MW stillgelegt worden.

Im Jahr zuvor, dem Jahr der letzten Vergütung für alle Anlagen, die 2000 oder früher in Betrieb gegangen sind, waren es 205 Turbinen mit gut 220 MW. Im Klartext: Fast alle alten Mühlen laufen weiter.

Das hat auch mit den Preisen zu tun. Um die vier Cent pro Kilowattstunde, so hieß es aus der Branche, seien nötig, um einen rentablen Weiterbetrieb bis zum nächsten Großschaden zu gewährleisten. Eine Übergangsförderung der Bundesregierung half 2021, die Zeit der niedrigen Preise des Corona-Jahres zu überbrücken. Die ursprünglich geplante Sonderausschreibung für nicht repoweringfähige Standorte fand dann schon gar nicht mehr statt, denn die Preise zogen an und blieben hoch.

Spotmarkt attraktiver als PPAs?

Die Erlöse an der Börse locken nun die ersten Betreiber aus einem fixen Stromliefervertrag direkt an den Spotmarkt. „PPAs sind für Altanlagen aufgrund der Marktlage nicht attraktiv“, sagt Ralf Hendricks, Geschäftsführer des Windenergiebüros WEB Andresen. Vier Windparks sind derzeit in seiner Betreuung zur Folgevermarktung nach dem EEG. Primär sind es Bürgerwindparks, zwei davon haben den Schritt gewagt: Statt mit dem Direktvermarkter einen fixen Preis abzuschließen, handelt dieser den Strom aus den Parks am Spotmarkt und gibt die erzielten Erlöse – abzüglich einer Vermarktungsgebühr – weiter. „Wir haben die Entwicklungen der CO2- und Strompreise sowie des Energiemarktes beobachtet und haben darauf gesetzt, dass der Spotmarkt im Schnitt höher liegt als das, was wir für ein PPA Ende 2021 angeboten bekommen haben“, so Hendricks.

Natürlich seien die Risiken größer, räumt Hendricks ein. „Für Betreiber der ersten Stunde ist es schon ein weiter Weg aus der EEG-Festvergütung zum Spotmarkt, da es auch zu Situationen kommen kann, in denen es zu Vergütungsausfällen kommt“, sagt Hendricks. „Aber wir wollen Erfahrungen sammeln und sehen eben nicht nur die Risiken.“ In den Verträgen mit dem Spotmarkt sei zudem auch die Rückfalloption in ein PPA enthalten. Der Spotmarkt sei allerdings nur für Anlagen nach der EEG-Vergütung aufgrund der aktuellen Marktlage attraktiv, betont Hendricks. „Neuanlagen benötigen weiterhin eine EEG-Vergütung zur Finanzier- und Planbarkeit, gerade im Bereich der Bürgerenergie.“

Bei Energiequelle hingegen setzen die Betreiber von Altanlagen auf PPAs. „Auch hier sind die Preise deutlich gestiegen und gleichzeitig mit mehr Sicherheit verbunden“, sagt Lars Schiller, Bereichsleiter Betriebsführung bei Energiequelle. „Sieben bis acht Cent pro Kilowattstunde waren für dieses Jahr in einem PPA durchaus möglich.“ Allerdings seien derzeit vor allem Einzelbetreiber im Weiterbetriebsmarkt aktiv, die eher konservativ und mit fixen planbaren Vergütungssätzen rechneten.

Es könne mehr Bewegung in Richtung Spotmarkt geben, wenn mehr institutionelle Betreiber wie Fondsgesellschaften in den Weiterbetrieb gehen und Geschäftsführer versuchten, möglichst viel für ihre Kommanditisten herauszuholen. „Es kommt auf die Philosophie an: Was brauche ich für meine Anlagen? Wie viel will ich mit meinem Strom erlösen?“, meint Schiller. Und der Blick müsse über das ganze Jahr gehen: Die Marktpreise seien im November und Dezember 2021 auch deswegen so hoch gewesen, weil der Wind gefehlt habe. „Der stürmische Februar hat wieder niedrigere Preise beschert – wie geht sich das am Ende aus?“

Direktvermarkter: Sichere Partner gefragt

„Die Mehrheit schließt ein PPA ab“, ist auch die Erfahrung von Andreas Bader, Leiter Stromvermarktung Erneuerbare Energien beim Energiekonzern EnBW. „Wir bieten beide Optionen an, aber angesichts der turbulenten Entwicklungen bei den Preisen, die ja auch schon für Insolvenzen gesorgt haben, sind vielen Betreibern die Risiken eines Stromhandels am Spotmarkt zu hoch.“

Zudem hänge der Erlös an der Börse auch stark von den Lastprofilen der Parks ab: „Kann ich Strom erzeugen, wenn andere Anlagen schon nicht mehr produzieren? Wie viel erzielt die Anlage gegenüber dem Baseload?“ Diese Fragen seien auch für ein PPA wichtig, aber an der Börse schlage der Effekt im Zweifel voll durch. „Jetzt ist eine Extremsituation“, sagt Bader. Gerade kleinere Betreiber sollten seiner Ansicht nach deshalb bei Verträgen darauf achten, dass der Direktvermarkter auch schwierige Phasen wirtschaftlich solvent überstehen kann und dass die Verteilung der Risiken fair gestaltet sei.

Doch Preise hin oder her: Es gibt noch einen zweiten Grund, warum die alten Mühlen weiterlaufen. „Hauptmotiv für den Weiterbetrieb war neben sich stabilisierenden Erlösen aus Direktvermarkungsverträgen die Hoffnung in den Bestandsflächen doch noch ein Repowering zu ermöglichen“, meint BWE-Geschäftsführer Wolfram Axthelm. Die neue Bundesregierung habe im Koalitionsvertrag diese Hoffnung bestätigt. „Dort wird angekündigt, dass dort wo bereits Anlagen stehen, diese durch neue Anlagen ersetzt werden können. Dafür muss nun der gesetzliche Rahmen geschaffen werden.“

„Wir wollen einige der alten Anlagen repowern und sind noch in der Warteschleife“, sagt auch Ralf Hendricks vom Bürgerenergiebüro WEB Andresen. Doch nicht für alle sei das möglich: „Einige stehen zu dicht an der Wohnbebauung.“ Diese Turbinen werden weiterlaufen, so lange es sich wirtschaftlich rechnet. Doch auf lange Sicht brauche es neue Flächen, betont Hendricks. 

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