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Eingehüllt in Solar

Sven Ullrich

Wenn es um die Photovoltaik geht, stehen meist Dachflächen im Mittelpunkt. Denn immer noch hält sich hartnäckig das Vorurteil, eine Solarfassade sei teuer und rechne sich für den Immobilienbesitzer nicht. Dass das nicht so sein muss, zeigen Berechnungen aus der Schweiz.

Dort haben Christian Renken, Geschäftsführer des Projektierers für gebäudeintegrierte Photovoltaik (BIPV) Crenergie, und der Energieberater Ruedi Meier ein Tool zur Berechnung der Wirtschaftlichkeit der energetischen Gebäudesanierung und Modernisierung erstellt. In einer Handlungsanleitung zur energetischen und wirtschaftlichen Bewertung integrierter Solaranlagen haben sie herausgearbeitet, wie sich Photovoltaikfassaden rechnen.

Mehr Rendite mit Solarfassade

Eines der wichtigsten Ergebnisse ist, dass bei Neubauten optimal integrierte Solaranlagen wirtschaftlicher sein können als herkömmliche inaktive Gebäudehüllen. Das gilt auch für Bestandsgebäude, wenn die Integration der Solaranlage in Kombination mit einer energetischen Sanierung der Gebäudehülle umgesetzt wird. Damit können die Solarfassaden eine höhere Eigenkapitalrendite als konventionelle Fassaden erwirtschaften.

Die Eigenkapitalrendite ist dabei der Quotient aus dem Ertrag der Solaranlage abzüglich des Aufwands für die Wartung und den Kapitalkosten und Investitionsmitteln für die Fassade. Die Investitionen bestehen wiederum aus den Eigenkapitalinvestitionen abzüglich der Förderbeiträge und des Steuerabzugs. Letzterer ist die einzige Möglichkeit, wie sich eine konventionelle Fassade ohne Photovoltaik rechnet, während bei der Solarfassade die Stromerträge mitberücksichtigt werden.

Kosten wieder eingespielt

In ihrem Leitfaden haben die Autoren die Eigenkapitalrendite verschiedener Gebäude mit unterschiedlichen solar aktivierten Bestandteilen der Hülle berechnet. Diese wurden verglichen mit der Eigenkapitalrendite, die die Gebäude erreichen würden, wenn sie nicht mit Photovoltaikmodulen ausgestattet wären. Wichtig ist hierbei, dass nur die tatsächlichen Mehrkosten, die die Photovoltaik verursacht, in die Berechnung einfließen. Denn beispielsweise Fassadenbefestigungen sind immer notwendig, gleichgültig, ob Metallelemente oder Solarmodule daran angebracht sind.

So haben die Autoren auch ein Sanierungsprojekt unter die Lupe genommen: ein Bürogebäude in Zürich, das energetisch saniert wurde. Dabei wurden auch sämtliche Fassadenbrüstungen mit farbigen Solarmodulen ausgestattet. Die Berechnungen mit dem Tool haben ergeben, dass die Eigenkapitalrendite der Solarfassade ohne Förderung mit Steuerabzügen um 50 Prozent über der Eigenkapitalrendite liegt, wenn die Fassade mit konventionellen Metallelementen ausgestattet worden wäre. Dabei hat die Solarfassade sogar 46 Prozent mehr gekostet als eine Metallfassade.

Strom der Fassade versorgt das Gebäude

Wichtig für die Wirtschaftlichkeit ist der Eigenverbrauch. In Zürich ist das gelungen. Denn der Strom aus der Fassade wird komplett im Gebäude genutzt. Der hohe Stromverbrauch ist auch der Hebel zur Wirtschaftlichkeit der Solarfassade des sanierten Gebäudes des Medizinischen Versorgungszentrums (MVZ) in Marburg. Hier war die Fassade zusätzlich die optische Rettung für die Bausünde aus dem vergangenen Jahrhundert.

Denn die ursprünglich beigefarbene und unruhige Fassadengestaltung mit drei horizontalen Fensterbändern wurde komplett ausgetauscht. Jetzt ruht der kubische Baukörper auf einem leichten Sockel, der auf der südwestlich und südöstlich orientierten Seite fast vollständig mit Fensterflächen gefüllt ist.

Diese beiden Seiten wurden in den oberen drei Etagen komplett mit Solarmodulen eingekleidet. Dabei haben sich die Architekten für eigens angefertigte monokristalline Module entschieden, die der BIPV-Spezialist Sunovation aus dem unterfränkischen Elsfeld angefertigt hat. Auch der fast exakt nach Süden ausgerichtete Eingangsbereich wurde komplett neu gestaltet. Bisher war dieser rechtwinklig aus dem Baukörper ausgespart. Diese Aussparung haben die Architekten quasi nach außen gestülpt und abgerundet. Dadurch wurde die einst unterbrochene Fassade in sich geschlossen.

Module in verschiedenen Größen

Dieser abgerundete Eingangsbereich, der jetzt das gestalterische Kernelement des Gebäudes ist, wurde ebenfalls mit Solarmodulen ausgestattet. Die spezielle Produktionstechnologie von Sunovation machte es möglich, die Solarelemente so zu produzieren, dass die Zellen selbst bei einem so engen Radius von 2,5 Metern wie am Eingangsbereich des MVZ nicht zerbrechen. Dabei wird der Modulverbund mittels eines kalten Verfüllprozesses hergestellt, der eine spannungsfreie Einbettung der Solarzellen auch in gebogene Gläser ermöglicht.

Der Rest der Fassade besteht aus 161 Glas-­Glas-­Modulen, die in 28 verschiedenen Größen und Geometrien hergestellt wurden, um sie exakt in das Raster der Fassade einzupassen. Auch hier war es wichtig, dass exakt gerade Fugenlinien eingehalten wurden, um keine Unruhe in die Fassade zu bringen. Zur Befestigung wurden auf die Rückseiten der Module Rahmen in Structural-Glazing-Bauart geklebt, an denen die Paneele in der Unterkonstruktion befestigt sind.

Eine Bausünde aus dem vergangenen Jahrhundert: das MVZ in Marburg vor der Sanierung.

Foto: Sonneninitiative e.V.

Eine Bausünde aus dem vergangenen Jahrhundert: das MVZ in Marburg vor der Sanierung.

Solarfassade mit PPA finanziert

Finanziert wird das Projekt über einen Stromliefervertrag, den die Stadtwerke Marburg und der Marburger Verein Sonneninitiative mit dem MVZ abgeschlossen haben. Schließlich brauchen die bildgebenden Diagnosegeräte wie MRT-, CT- und Röntgenapparate, die im Gebäude betrieben werden, jede Menge Energie. Über den Stromverkauf vor Ort refinanzieren die Stadtwerke und die Sonneninitiative die Solaranlagen in der Fassade. Denn sie können den Strom dafür ausreichend teuer verkaufen und trotzdem noch unter den Preisen des Netzstroms bleiben. Davon profitiert wiederum das MVZ.

Eine etwas einfachere, aber nicht minder wirkungsvolle Lösung hat die Raiffeisenbank für ihr Gebäude im niederösterreichischen Wieselburg umgesetzt. Die Architektur der historischen Altstadt besteht aus einer Mischung des Baustils der einstigen Donaumonarchie und moderner Architektur. In dieses Stadtbild fügt sich das Gebäude der Raiffeisenbank Mittleres Mostviertel in Wieselburg perfekt ein. Ursprünglich war die Fassade in einem nüchternen Grau und Weiß gehalten. Das hat sich mit der Sanierung geändert.

Nach der Sanierung der Raiffeisenbank im niederösterreichischen Wieselburg produziert die Fassade den Strom, der im Gebäude verbraucht wird.

Foto: Raika

Nach der Sanierung der Raiffeisenbank im niederösterreichischen Wieselburg produziert die Fassade den Strom, der im Gebäude verbraucht wird.

Farbtupfer für die Bankfiliale

Die einst grauen Flächen der Fassade strahlen jetzt mit ihrem sandfarbenen Ton mehr Wärme aus und sind gleichzeitig ein zusätzlicher Farbtupfer in den Straßen von Wieselburg. Die einst mit weißen Fassadenplatten ausgeführten Teile präsentieren sich jetzt in einem eleganten Schwarz. Damit bleibt die ursprüngliche Struktur der Fassade erhalten. Sie hat sich aber dennoch komplett verändert – nicht nur optisch. Denn die schwarzen Teile der Fassade produzieren inzwischen Strom.

Sie sind mit polykristallinen Solarmodulen von DAS Energy beklebt. Das Unternehmen aus Wiener Neustadt hat insgesamt 143 Module in 43 Größen für das Projekt geliefert.

Der Vorteil dieser Module ist, dass sie ohne Glasscheiben auskommen. Stattdessen werden die kristallinen Solarzellen zwischen zwei Schichten aus glasfaserverstärktem Kunststoff (GFK) laminiert. Dadurch sind die Module dünn und vor allem leicht, sodass die Solarteure sie einfach auf die Fassadenplatten des Gebäudes in Wieselburg kleben konnten. Da die Module keine mechanisch gehaltene Glasoberfläche haben, müssen sie auch keinen gesonderten statischen Nachweis mitbringen, wie das für normale kristalline Module für die Fassaden­integration notwendig ist. Außerdem ist dadurch die Anfertigung unterschiedlicher Größen weniger problematisch als bei herkömmlichen Modulen.

Das neue Kleid des MVZ: Die Struktur des Gebäudes ist komplett erhalten. Mit Solarfassade und weißen Passepartout-Fenstern hat sich das Erscheinungsbild komplett geändert.

Foto: Sonneninitiative e.V.

Das neue Kleid des MVZ: Die Struktur des Gebäudes ist komplett erhalten. Mit Solarfassade und weißen Passepartout-Fenstern hat sich das Erscheinungsbild komplett geändert.

Sonderanfertigungen möglich

Inzwischen bietet DAS Energy auch die Möglichkeit an, die Solarzellen vor farbigen Folien einzulaminieren. Dadurch sind die Zellen zwar immer noch zu sehen. Aber durch die farbige Rückseitenfolie kommt trotzdem ein visueller Effekt zustande. Dabei bleibt der komplette Wirkungsgrad erhalten. Auf Wunsch kann aber auch die Frontseite gefärbt werden, was dann allerdings zu Leistungsverlusten führt, wie es bei allen gefärbten Modulen üblich ist.

Das geht in den Bereich der Sonderanfertigungen, die wie überall preisintensiver sind als die Standardmodule aus der Serienfertigung. Dennoch bleibt DAS Energy mit den Preisen im Kostenbereich von hochwertigen Fassadenmaterialien. Dafür bekommt der Bauherr aber eine aktive Fassade, die sich amortisiert.

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