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Windpark-Baurecht

"Ich wünschte Genehmigungsbehörden mit mehr Mut"

Tilman Weber

Alesander Mahlke ist Anwalt der Rostocker Kanzlei Andresen Rechtsanwälte. Auf dem Seminar des Bundesverband Windenergie vom 20. bis 22. August in Hamburg, Genehmigung von Windenergievorhaben, informiert er einen Tag lang über Nebenbestimmungen von Windparkgenehmigungen. Im Gespräch mit ERNEUERBARE ENERGIEN erklärt er, was es damit auf sich hat. Lesen Sie hier den zweiten Teil des Interviews, Teil 1 können Sie nun in unserem gedruckten Heft in der aktuellen Ausgabe lesen.

Ein ganzer Seminartag über Nebenbestimmungen: Es scheint, dass solche zum Hauptkriterium für die Genehmigung für Windenergieanlagen geworden sind. Stimmt dieser Eindruck?

Alexander Mahlke: Nebenbestimmungen sind praktisch in jedem Genehmigungsbescheid drin. Dabei ist immer zu klären, ob es sich bei diesen auch wirklich um eine Nebenbestimmung handelt und nicht etwa um eine Inhaltsbestimmung der Genehmigung. Neben der Unterscheidung zwischen Inhaltsbestimmungen und Nebenbestimmungen sind auch unterschiedliche Arten von Nebenbestimmungen zu unterscheiden wie Bedingungen und Auflagen. Manchmal ist in Genehmigungsbescheiden von einer Bedingung die Rede, wo eine Auflage gemeint ist. Zur Unterscheidung sei gesagt: Eine Bedingung knüpft Genehmigungswirkungen an bestimmte Umstände. Bei Windenergieanlagen im Wald kann zum Beispiel das Anlegen eines Löschwasservorrats eine wenngleich eher seltene Bedingung sein. Eine andere Bedingung kann sein, dass Windparkplaner eine Lenkungsfläche für Rotmilane anlegen müssen. Auf solche lassen sich Greifvogel gefahrlos ablenken, um nicht beim Mäusejagen im Windpark möglicherweise von Rotorblättern erschlagen zu werden. Wer Bedingungen nicht vor dem Start des Windparkbetriebs erfüllt hat, handelt ohne Genehmigung und riskiert Strafbarkeit. Wer hingegen „nur“ gegen Auflagen verstößt, der handelt nicht automatisch ohne Genehmigung. Vielleicht droht dem Windpark dann aber eine vorübergehende Stilllegung. Bei der Maßgabe, immer genug Löschwasser vorzuhalten, kann es sich aber auch um eine auflösende Bedingung handeln. Das hätte, wenn nicht genug Wasser da ist, den nachträglichen Wegfall der Genehmigungswirkung zur Folge. Aufgrund der unterschiedlichen rechtlichen Wirkungen ist es wichtig zu wissen, womit Sie es zu tun haben.

Wozu braucht es so viele Nebenbestimmungen?

Alexander Mahlke: Nebenbestimmungen aus meiner beruflichen Sicht zeigen Wege auf, wie Windparks trotz zunehmender Interessenkonflikte mit dem Natur-, Landschafts-, Arten- oder Anwohnerschutz im Einzelfall jeweils in Betrieb gehen können. Ich sehe Nebenbestimmungen daher nicht als Hindernis, sondern als Mittel der Ermöglichung.

Ich wünschte mir, dass die Genehmigungsbehörden mehr Mut hätten, von Nebenbestimmungen vielfältig Gebrauch zu machen, um Verfahren zu erleichtern und zu vereinfachen. Die Wirklichkeit steht dem aber teils entgegen: Grundsätzlich handeln Genehmigungsbehörden bei Bauanträgen für Windparks kraft konzentrierender Wirkung des Bundesimmissionsschutzgesetzes. Sie sind somit für die Prüfung sehr verschiedener Sachverhalte zuständig, auch für die Prüfung naturschutzrechtlicher Konflikte. Hier ziehen die Genehmigungsbehörden zur Beratung die Naturschutzbehörden als Fachbehörden heran. Allerdings sind diese Fachbehörden oft unterbesetzt. Dann werden Dinge nicht entschieden, das Verfahren verzögert sich. In Mecklenburg-Vorpommern beispielsweise sind schon ein bis zwei Jahre für Rechtsschutzverfahren einzukalkulieren. Das Hauptsacheverfahren der Genehmigung kann sich bis zu sechs Jahre hinziehen – bis dann vielleicht sogar die im Projekt vorgesehenen Windenergieanlagentypen gar nicht mehr auf dem Markt sind ...

Sind alle Nebenbestimmungen wichtig? Oder folgen manche nur politischer Mode und wiegen juristisch weniger schwer?

Alexander Mahlke: Wie schon gesagt, gilt zuerst: Sie müssen zweifelsfrei unterscheiden, welche Nebenbestimmung eine Bedingung und welche nur eine Auflage ist. Als Genehmigungsinhaber müssen Sie aber auch alle Genehmigungs-Auflagen jederzeit einhalten. Zugleich müssen Sie sehen, dass trotz Nebenbestimmungen auch die Gesetze weiter gelten und daher unsachgemäße Nebenbestimmungen weiche und angreifbare Zonen sind. Aber tatsächlich wechseln Nebenbestimmungen wie Frisurenmoden von Zeit zu Zeit. So dienten Nebenbestimmungen eine Zeitlang insbesondere dem Schallschutz, indem sie nachts mit Abschaltanordnungen einen leiseren Minderbetrieb der Windturbinen anordneten. Davor war der Schutz des Rotmilan ein Schwerpunktziel von Nebenbestimmungen. Dann regelten Nebenbestimmungen den Fledermausschutz: Mit Hilfe einer Horchbox zum Identifizieren heranfliegender Fledermäuse kann sich demnach der Betrieb des Windparks auch zu Flugzeiten der Tiere feinabstimmen und damit aufrecht erhalten lassen, ohne Fledermäuse zu gefährden.

Politisch motivierte Nebenbestimmungen gibt es eigentlich nicht. Stattdessen beobachte ich ein anderes Phänomen: Wenn Genehmigungsbehörden selbst Schwierigkeiten haben, mit raumordnungspolitischen Ausnahmen umzugehen, erlassen Sie zum Beispiel Nebenbestimmungen. So können im regionalen Raumordnungsprogramm auch Ausnahmen für Windparks stehen, die der Forschung und Entwicklung dienen und die außerhalb der offiziellen Windenergievorrangflächen möglich sein sollen. Angesichts einer starken Lobby für den Vogelschutz und mangels ausreichend eigenem artenschutzrechtlichen Wissen ziehen Genehmigungsbehörden zudem besonders große Schutzradien um Vogelnist- oder Flugzonen. Manchmal verlangen sie als Nebenbestimmung auch übertrieben große Lenkungsflächen als Ausweichareale für die Vögel. So eine Nebenbestimmung kann dann den Bau des Windparks sogar unmöglich machen, wenn Flächen in diesem Umfang gar nicht zur Verfügung stehen.

Lesen Sie auch Teil 1 in unserem aktuellen Heft, das Sie einzeln nachbestellen können, falls Sie kein Abonnement besitzen. Darin spricht Alexander Mahlke auch über die Möglichkeit, wie Windparkprojektierer selbst auf Nebenbestimmungen vielleicht eigenen Einfluss nehmen können und warum strenge Nebenbestimmungen meistens gut sind.

Der BWE veranstaltet vom 20. bis zum 22. August in Hamburg das Seminar Genehmigung von Windenergievorhaben.