Springe auf Hauptinhalt Springe auf Hauptmenü Springe auf SiteSearch

Länger, höher, stärker, beschädigt?

Nicole Weinhold

Auslöser für die inzwischen recht hitzige Diskussion war die umgestürzte Anlage in Haltern am See. Sie hatte das Fass zum Überlaufen gebracht, nachdem zuvor bereits immer häufiger die Rede war von strukturellen Schäden an neueren, großen Turbinen. Experten sehen ein wachsendes Risiko, weil Windkraftanlagen immer knapper ausgelegt werden. Waren sie früher eher kräftig gebaut, bewegen sie sich heute mit ihren langen Flügeln und hohen Türmen aus Wirtschaftlichkeitsgründen am Limit. Hersteller setzen bisher nur auf eine Überwachung des Triebstrangs, dabei könnte ein Condition Monitoring für Rotorblätter, Fundamente und Türme sich durchaus rechnen. Auch für die Hersteller – zumindest wenn es um die Vermeidung von Schäden während der Gewährleistung geht.

Ein entscheidendes Argument für eine Zustands- überwachung von Windturbinen sind immer Kostenbetrachtungen.

Christian Klostermeier, Chief Commercial Officer bei Brüel & Kjær, erklärt, im Prinzip gehe es bei der Zustandsüberwachung darum, ungeplante Reparaturen und damit ungeplante Stillstandszeiten der Windkraftanlage zu vermeiden: „Frühzeitig erkannte Schäden können mit geringem Aufwand während des nächsten geplanten Serviceintervalls behoben werden, so dass oft eine Reparatur direkt auf der Anlage möglich ist.“ Im Gegensatz dazu erforderten Schäden, die in einem sehr späten Stadium entdeckt werden, meist eine sofortige Abschaltung der Anlage, um einen katastrophalen Ausfall zu verhindern. Eine Reparatur der betroffenen Komponente auf der Anlage sei dann möglicherweise nicht mehr möglich, so dass ein Kran benötigt werde, um die schadhaften Komponenten auf den Boden herabzulassen. „Die kurzfristige Entsendung eines Krans ist sehr teuer, wenn überhaupt ein Kran zur Verfügung steht – bei Offshore-Anlagen sind die Kosten um ein Vielfaches höher.“ Erschwerend komme hinzu, dass die Nichtverfügbarkeit von Ersatzteilen zu noch längeren Ausfallzeiten der Turbine führen kann. Die Eigentümer der Windkraftanlagen müssen also insgesamt die tatsächlichen Kosten für die Reparatur und die entgangenen Einnahmen aufgrund der Nichtverfügbarkeit der Anlage für die Einspeisung von Strom ins Netz tragen.

„Die konsequente Überwachung der Windturbine mit den hochentwickelten Systemen von B&K Vibro ermöglicht eine frühzeitige Vorhersage von Komponentenschäden mit Vorlaufzeiten von mehr als zwölf Monaten, bevor es zu einem Komplettausfall kommt“, betont Klostermeier. Dies gebe den Betreibern ausreichend Zeit, um die erforderlichen Wartungsarbeiten zu planen und die Ausfallzeiten der Turbine und somit den Ertragsverlust zu minimieren. Die Möglichkeit Ausfälle vorherzusagen verringere generell den Umfang der Wartungsarbeiten, mache diese planbar und spare somit Kosten.

Heiko Klawitter, Gesellschafter und Prokurist der Windexperts Prüfgesellschaft mbH aus Bremen, sagt: Zur Vermeidung von plötzlichen Schäden, verbunden mit teuren Reparaturen und langen Stillstandzeiten sei der Einsatz von Schwingungsmessungen (CMS), unabhängig davon, ob stationär oder Offline-Messungen, ein Instrument, rechtzeitig Schäden zu erkennen und entsprechende planbare Maßnahmen einzuleiten. „Zusätzlich können auch eingebaute Komponenten wie Fundamenteinbauteile einer Schwingungsmessung unterzogen werden“, erklärt Klawitter. Zum einen sei das wichtig, um den aktuellen Zustand und damit den Schädigungsgrad zu ermitteln. Zum anderen könne diese auch ein wichtiges Instrument sein, mögliche Mängel am Fundamenteinbauteil in der Analytik im Rahmen der Weiterbetriebsgutachten zu berücksichtigen.

Return-on-Investment-Kalkulator

Nicht nur Triebstrang, Fundament und Turm können überwacht werden. Immer häufiger wollen Betreiber auch die Rotorblätter im Blick behalten. Die Firma Weidmüller setzt einen sogenannten Return-on-Investment-Kalkulator ein, ein Tool für Kunden. „Stark vereinfacht – damit wir dem Kunden die Möglichkeit geben, dass er mit drei oder vier Eingaben zu einem Indikationsergebnis kommt“, sagt Weidmüller-Produktmanager John Reimers. „Normalerweise müssten wir deutlich mehr Parameter abfragen, aber es geht hier um eine Allgemeinaussage, die wir verfeinern, wenn der Kunde sagt: Ich würde das gern etwas genauer wissen. Dann fragen wir zum Beispiel nach, wie sich die Eisansätze, die die Anlage erlebt, aufteilen.“ Wie viel Stillstandzeit gibt es noch von einer Aufhebung des Eisalarms an bis zu dem Moment, wenn die Anlage wieder anläuft? Das spiele laut Reimers eine Rolle für den Return-on-Investment, weil das Weidmüller-Monitoringsystem Bladecontrol den Stillstand sofort nach verschwinden des Eises vollständig eliminiere.

Ist eine Eiserkennung sinnvoll?

„Ertragsverluste durch unnötige Stillstandszeiten bei Eisstopp haben einen deutlichen Einfluss auf die Wirtschaftlichkeit des Betriebs“, sagt auch Bastian Ritter vom Monitoring-Experten Wölfel. Sein Unternehmen misst mit seinem zertifizierten und sicheren System direkt die Schwingungen des Blattes. „Der Vorteil ist, dass man die Anlage sofort und vollständig automatisch wieder starten kann, wenn das Eis abgetaut ist“, sagt auch Ritter, ähnlich wie Reimers. „Der Mehrertrag ist natürlich standortabhängig und das Investment rechnet sich innerhalb weniger Jahre. Die inzwischen hohe installierte Leistung der großen Anlagen bedeutet im Umkehrschluss auch, dass der Stillstand zu größeren Ertragsminderungen führt“, gibt Ritter zu bedenken.

Lebensdauerprognose für Weiterbetrieb

Ein wichtiges Thema bleiben die Bestandsanlagen. Hier müssen die Betreiber gut wirtschaften, weil es keine EEG-Vergütung mehr gibt. Gleichzeitig dürfen sie aber auch keinen Schaden riskieren, der vielleicht das Ende der Turbine bedeutet. Bastian Ritter erklärt, dass Wölfel noch eine Stufe früher ansetzt; nämlich dann, wenn ermittelt wird, welche Bauteile bereits vorbelastet sind: „Mit unserer Echtzeit-Berechnung von mechanischen Lasten und Lebensdauerprognosen aus vorhandenen Schwingungssensoren für den Weiterbetrieb sind wir Vorreiter im Markt.“ Die Lebensdauerprognose funktioniere so, dass die tatsächlichen Schwingungen des Turms gemessen werden. Über einen modellbasierten Ansatz könne man auf die Lasten zurückrechnen. Diese virtuelle Sensorik mache es möglich, kritische Lasten mit einfacher, robuster Messtechnik zu rekonstruieren. Dieses Verfahren habe Wölfel zusammen mit Windguard Certification umfangreich validiert und erfolgreich begutachtet. „Praktisch können wir damit den Betreibern direkt die Belastung und den Lebensdauerverbrauch von Turm und Gründung liefern, die dies wiederum unmittelbar für die Optimierung der Betriebsführung einsetzen“, so Ritter. Hier zeige sich insbesondere, dass die Anlagen des gleichen Windparks zum Teil sehr deutlich unterschiedliche Lastkollektive erfahren.

Die Werte kann man nutzen, um einen Antrag auf Weiterbetrieb zu stellen. Das System und die Methodik sind zertifiziert. Die ermittelten Werte sind wichtige Eingangsdaten für den Gutachter, um ein Weiterbetriebsgutachten zu erstellen. „Wir liefern die anlagenspezifischen Ermüdungslasten und die verbrauchte Lebensdauer für Turm und Gründung, was wesentlich höhere Genauigkeiten als bisher erlaubt“, so Ritter. Der Betreiber hat zudem die Möglichkeit notwendige wiederkehrende Prüfungen zustandsbasiert durchzuführen, was die Kosten für den Betrieb senkt. Das heißt, man schaut sich den Zustand der Anlagen an und definiert anhand dessen das nächste Service-Intervall. „Wenn wir die Information liefern, dass zum Beispiel Anlage Nummer 10 eine größere Belastung gesehen hat, kann man den Service zielgerechter machen“, erklärt Ritter. Unauffällige Anlagen können in entsprechend größeren Serviceintervallen überprüft werden. „Das ist unser Flottenmonitoring, das für jede Anlage individuell die Lebensdauer berechnet“, fügt er an.

Alles in allem wird deutlich, dass Turbinen immer besser überwacht werden müssen. Die neuen CMS machen dies möglich. Und das ist gut so, denn ohne Monitoring kann es teuer werden. 

Der Windpark wird heute nicht nur über Scada auf Herz und Nieren überwacht. Auch CMS liefern wichtige Daten – zum Beispiel zu der Frage, welche Turbine im Park beim Weiterbetrieb weniger belastet werden sollte.

Foto: WILD SQUIRRELS - stock.adobe.com

Der Windpark wird heute nicht nur über Scada auf Herz und Nieren überwacht. Auch CMS liefern wichtige Daten – zum Beispiel zu der Frage, welche Turbine im Park beim Weiterbetrieb weniger belastet werden sollte.