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Bereit für Repowering-Welle

Tilman Weber

Die Vorarbeiten an einem der aktuell größten Repowering-Windparks in Deutschland haben schon begonnen. Das Dresdner Projektierungsunternehmen VSB baute nun im eigens vor 20 bis 22 Jahren errichteten Windpark Elster die ersten sieben Altwindturbinen zurück. Die Betonfundamente entfernten die Sachsen rückstandslos. Die 100 Meter hohen Enercon E-44 mit 600 Kilowatt Nennleistung stehen in einem Windfeld, wo VSB 50 Alt- durch 17 modernste Anlagen von Siemens Gamesa, 242 Meter hoch, ersetzen will. Mit 155 Meter Rotordurchmesser werden sie 2025 ein 112 Megawatt (MW) starkes Windkraftwerk bilden. Mit Genehmigung und Teilnahme an der Ausschreibung von Vergütungsrechten plant VSB noch in diesem Jahr. Zudem erhalten die Bürger der Gemeinden an dem mittig zwischen Leipzig und Berlin gelegenen Standort einen günstigen regionalen Windstromtarif schon in der Planungsphase. Nach Inbetriebnahme des Windparks soll der Tarif zusätzlich absinken.

VSB setzt auf den Austausch alter gegen neue Windenergieanlagen wie kaum ein anderes Windkraftunternehmen. Schon 60 Prozent beträgt seine Repowering-Quote in Planung und Akquise von Projekten. Sein vielfältiges Kooperationsprogramm richtet sich an Flächeneigentümer und Betreiber von Altanlagen: VSB entwickelt selbst, kauft Bestandswindparks sowie Projekt- und Repoweringrechte, und berät zu Weiterbetrieb von Altanlagen oder deren Rückbau. Denn nach Ende des 20-jährigen, durch das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) abgesicherten Vergütungstarifs müssen Weiterbetriebsanlagen in den freien Stromhandel wechseln.

Das Rundumangebot ist einem großen „Stamm an Kooperationspartnern, Dienstleistern und Gutachtern“ zu verdanken, wie VSB-Geschäftsführer Thomas Winkler im Interview sagt (unten). Viele dieser Firmen stehen seit einem Jahr für eine bundesweite Repowering-Welle jährlich Tausender Anlagen bereit. Während die Turbinen-Zulassungszertifikate nur eine Betriebszeit von 20 Jahren vorsahen und Reparaturanfälligkeit und Betriebskosten damit theoretisch zunehmen, machen seit Herbst 2021 stark steigende Stromhandelspreise den Weiterbetrieb wieder attraktiv. Es winken bis zu dreijährige, auskömmlich vergütete Stromabnahmeverträge mit Firmen, die sich eine ökologisch nachhaltige Versorgung durch Altwindparks zu stabilen Energiepreisen sichern. Die weltweit als PPA-Verträge (Power Purchase Agreements) abgekürzten Abschlüsse bremsen die Repowering-Welle.

Repowering-Windpark Walkhügel,  Anfang 2022 in Sachsen-Anhalt

Foto: HAGEDORN

Repowering-Windpark Walkhügel,  Anfang 2022 in Sachsen-Anhalt

Die Spezialunternehmen nutzten das Wartejahr aber zum Ausbau ihrer Fähigkeiten. Es könnte nun der Erneuerung der Windturbinenflotte neuen Schub verleihen. Zumal die seit November regierende „rot-gelb-grüne“ Ampelkoalition aus SPD, FDP und Bündnis 90/Die Grünen das Repowering nochmals stärken will. Im Bundesimmissionsschutzgesetz hatte schon die vorige Regierung 2021 den Anlagentausch erleichtert: Genehmigungsbehörden dürfen nach Paragraf 16 b nur erhebliche Mehrbelastungen im Vergleich zum Altwindpark prüfen.

Impulse fürs Repowering liefert etwa HD-Technic. Das Sachverständigenbüro im nördlichen Münsterland hat bereits für mehr als 300 Altanlagen die zum Weiterbetrieb erforderlichen Standsicherheitsgutachten erstellt. Inzwischen kommen Aufträge für Weiterbetriebsgutachten vermehrt von Investoren, die Altanlagen einkaufen und repowern wollen. Die Gutachten dienten ihnen dazu, den Kaufpreis eines Altwindparks bestimmen zu können und um Zeiträume bis zur Umsetzung des Repowerings zu bewerten, sagt HD-Technic-Geschäftsführer Torsten Ebbecke (siehe Interview, Seite 30).

Neowas GFK-Experte Mika Lange vor Rotorblattgranulat

Foto: neowa

Neowas GFK-Experte Mika Lange vor Rotorblattgranulat

Für Ebbecke ist es ein strukturelles Anzeichen dafür, dass die Tendenz zum Repowering zurückführt. Auch gerieten nun erste Anlagen mit Leistungen bis zwei MW ans Ende ihrer EEG-Vergütung. Aus diesen Turbinentypen bestehen bereits größere Windparks: „Auf relativ großen Flächen, mit schon genug Abstand zur Wohnbebauung. Hier erhöht sich die Chance fürs Repowering massiv“, sagt Ebbecke. Und gerade der anhaltend hohe Stromhandelspreis könne bald auch der Motivation fürs Repowering dienen: Betreiber könnten dann Windstrom im Rahmen von PPA auf ähnlichem Vergütungsniveau wie die Ausschreibungszuschläge liefern – an Unternehmen, die aktiv sich an der Energiewende beteiligen wollen und sich durch regionalen Windstrombezug ein positives regionales Image sichern. HD Technic erstellt nun Due Diligence genannte technisch-wirtschaftliche Analysen zu möglichen Neuanlagen oder ermittelt den fürs Repowering guten Zeitpunkt.

Auch Recycling-Chancen entscheiden über die Wirtschaftlichkeit der Anlagenerneuerung. Wo es wenig Steinbrüche gibt, also Betonkosten höher sind, lohnt das Weiternutzen des zerstoßenen Betons der Fundamente zum Anlegen von Baustraßen oder des Untergrunds der Kranstellflächen. Bei Stahltürmen entscheiden Rohstoff-Weltmarktpreise. Und für die aus Glasfaserkunststoff (GFK) bestehenden Rotorblätter geben künftig Kapazitäten und innovative Technologien im Recycling den Ausschlag.

Eurecum hat hierfür Weichen gestellt. Der Recycling-Anbieter im sachsen-anhaltinischen Lutherstadt Eisleben zerkleinert und entsorgt Fundamente, Türme, Maschinenhäuser und Rotorblätter. Der in einer Vakuumbackform aus epoxidharz-getränkten Glasfaserbahnen gehärtete Verbundstoff GFK galt lange Zeit als Problemstoff, ließ sich aber als Beimischgranulat sowie als Brennstoff in der Zementproduktion verwerten. 2020 hatte Eurecum ein eigenes Verfahren zum Zerschreddern des GFK präsentiert. Es gewinnt Kupfer- und Aluminiumreste zurück. Die entstehenden Kunststoffflocken nimmt ein Hersteller von Terrassendielen ab, der sie mit Holzmehl mischt. Daraus entstehen wetterfeste Dielen.

Auch auf wachsende Abnahmemengen und Rotorblattdimensionen bereitet sich Eurecum vor. Kleinere Rotorblätter zerlegen die Eurecum-Teams im Rahmen einer Kooperation mit Baumaschinenhersteller Caterpillar und Fräsenzulieferer Kemroc durch eine am Bagger geführte Diamantkreissäge. Für besonders lange Rotorblätter setzt das Unternehmen seit kurzem eine Seilsäge an, um große Durchmesser der Blattwurzeln zu bewältigen (siehe Interview Seite 31). In einem Forschungsprojekt erprobt Eurecum nun die Produktion noch kleinerer Granulate: Zusätzlich zu den derzeit 18 bis 40 Millimeter kleinen Flakes sollen Flocken schon ab 2 bis 3 Millimeter Größe und mit abgesaugtem Sägestaub verfeinert lieferbar sein. Die Einsatzmöglichkeiten in der Kunststoffindustrie seien „schier unbegrenzt“, sagt Eurecum-Windenergie-Leiter René Kannheiser. Bis hin zur Herstellung von Möbeln sei vieles denkbar. Er erwartet, „dass wir da dieses Jahr die ersten weiteren Produkte sehen werden.“

Abbruch eines Windturbinenfundaments durch einen Wörmann-Team-Bagger

Foto: Wörmann-Team

Abbruch eines Windturbinenfundaments durch einen Wörmann-Team-Bagger

Dass der GFK-Recycling-Bedarf zunehmen wird, ist keine offene Frage mehr. So kommt eine Forschungsgruppe unter Führung des Umweltbundesamtes für den Zehnjahres-Zeitraum ab 2022 auf jährlich zwischen 10.000 und 24.000 Tonnen zu entsorgendes GFK-Rotorblattmaterial.

Der in Lüneburg ansässige Rückbaudienstleister Neowa organisiert als Generalunternehmer den kompletten Abriss und die Entsorgung. Das 16-Mitarbeiter-Unternehmen berät Kunden, plant ihr Rückbauprojekt, organisiert Krankapazitäten, stellt für die Demontage eigene Teams und einen Kran auch selbst zur Verfügung oder ermittelt durch Ausschreibungen die Dienstleister und organisiert Abtransport und Recycling der Materialien.

Generalunternehmer oder Komplettanbieter sind für den Rückbau eines Windparks inzwischen gefragt.

Foto: Wörmann-Team

Generalunternehmer oder Komplettanbieter sind für den Rückbau eines Windparks inzwischen gefragt.

Das Tochterunternehmen Neocomp in Bremen recycelt bereits seit 2015 GFK zu einem der Zementindustrie zulieferbaren Beimisch- und Brennstoff. Weil die Windenergiebranche bis Ende 2021 nicht einmal fünf Prozent der erwarteten rund 4.000 Altanlagen abriss, hat die Neowa-Tochter bei derzeit in einer Schicht pro Jahr verarbeiteten 20.000 Tonnen GFK-Materials noch reichlich Kapazität frei – zumal ein großer Teil des dort aktuell stattfindenden Recyclings von glasfaserhaltigen Stoffen gar nicht aus der Windenergie kommt. „Würden wir wie beabsichtigt nur Rotorblätter recyceln, könnten wir mit der einen Schicht jährlich 1.000 MW Rückbau alleine bewältigen“, rechnet Mika Lange vor. Der Leiter von Neowas GfK-Entsorgung sieht eine Verdopplung der Verwertungskapazität schon nach Anstellung zweier weiterer Mitarbeiter und Einführung einer zweiten Betriebsschicht als realistisch an. Als nächsten Schritt nimmt auch Neowa nun die Aufbereitung von GFK für die Kunststoffindustrie ins Visier.

Die Industrievereinigung für Repowering, Demontage und Recycling von Windenergieanlagen (RDR Wind) in Hannover setzt auf solche Innovationen. Mitglieds- und Forschungseinrichtungen beteiligen sich an Initiativen des Umweltbundesamtes, die neue Zerlegetechniken für Rotorblätter unter die Lupe nehmen. Dazu gehört das vollautomatisierte und robotergestützte Wasserstrahlschneiden in einer mobilen Lkw-Schneidekabine ebenso wie die unbemannte Demontagekammer mit autarker Stromversorgung, die Segment für Segment vom Rotorblatt absägt und sich an diesem immer weiter in Richtung Blattwurzel nach oben zieht. Auch gesundheitliche Gefahren und Recycelbarkeit der Fasern sind ein Forschungsthema. Bislang lassen sich nur die in großen Blättern zur Versteifung ausgelegten stabileren Carbonfasergurte wieder zu Fasern machen. Glasfasern, ohnehin kaum teurer als recyceltes Material, verlieren bei der Aufbereitung die im Rotorblatt benötigte Lastfähigkeit.

Dem 2018 gegründeten Verband gehören inzwischen rund 60 Fachunternehmen und Institute an. Gerade erarbeitet er zusammen mit seinen Partnerverbänden und dem Umweltbundesamt sowie dem Deutschen Institut für Normung (Din) eine Din-Norm für Rückbau, Demontage, Recycling und Verwertung von Windenergieanlagen. Sie soll eine Vergleichbarkeit der Angebote und damit innovativen Wettbewerb fördern (Interview rechts).

Das Abbruchunternehmen Wörmann-Team aus dem nordrhein-westfälischen Schloss Holte-Stukenbrock hat durch „stetiges Wachstum“ seit vergangenem Jahr eine Belegschaftsgröße von 83 Mitarbeitern erreicht. Das sagt der Geschäftsführer des Unternehmens, Nils Wörmann. Inzwischen können die Bagger-, Lkw- und Großkranbetreiber drei Turbinen pro Woche komplett zerlegen und rückbauen. Ihre Besonderheit ist ihre selbst entwickelte Traverse, die ein Kran nach Abnahme der Turbinengondel von oben in den offenen Turm hebt und die autonom ferngesteuert mit Stempeln die Turmwände nach außen bricht. Die Bruchstücke hängen an Stahlarmierungen außen am Turm wie die Bananenschale am Fruchtkörper. Das vermeidet Lärm, Staub und Aushub des Fallerdbetts für Turmsprengungen. Auch das Bergen von in den Boden gedrückten Betonscherben fällt weg. Zuletzt schaffte Wörmann eine zweite Traverse an.

Das Recycling gewährleistet Wörmann-Team mit Partnern – und bleibt dennoch Ansprechpartner. Denn die Auftraggeber für Rückbau, Recycling und Repowering verlangen nach Generalunternehmen oder Komplettanbietern, um Reibungsverluste an Schnittstellen in der Abstimmung der unterschiedlichen Auf- und Abbauarbeiten zu vermeiden.

Darauf stellt sich derzeit konsequent das Abbruchunternehmen Hagedorn Unternehmensgruppe aus Gütersloh ein. Es hatte 2021 das Wartungsunternehmen Windservice Nord und den Krandienstleister Wasel zugekauft. Nun kann es alle Rückbauarbeiten übernehmen oder überwachen und an der Installation der Neuanlagen mitarbeiten. Fürs Repowering investierten die Gütersloher auch durch Vergrößern von Belegschaft und Maschinenpark. Dank neuer Mitarbeiter aus dem Bereich Turbineninstallation kann Hagedorn auch Arbeiten wie Rückbau von Alt- und Aufbau von Neuturbinen zeitgleich leisten.

Hagedorn schaffte effizientere Baumaschinen an und taktete Baustellenabläufe besser. Dies habe die Demontagezeiten und Kosten der Kunden gesenkt, sagt Sebastian Wesch (siehe Interview unten). Der Abteilungsleiter Wind bei der gesonderten Unternehmenstochter Hagedorn Service GmbH erklärt mit Verweis auf die einjährige Verspätung des Repowering-Booms: „Um weiter am Markt zu bestehen, haben wir die Zeitspanne genutzt, uns neu aufzustellen.“

Komplettanbeiter sind aber nicht nur große Unternehmen. Das belegt AK Fehmarn. Chef Andreas Kronfuß macht alles, was in der Rückbau- und Repowering-Szene zu tun ist. Die je nach Zählweise eine Handvoll Mitarbeiter bewältigen auch große Aufträge im Ausland – wie Komponententausch an 180 älteren chinesischen Anlagen in Costa Rica und Panama – und Rückbau überall in Europa. Oder sie übernehmen Steigschutz- und Kranprüfungen. Das Geheimnis des Erfolgs beruht auf einer flexiblen Zusammenarbeit mit vielen anderen Partnerunternehmen, die AK Fehmarn einen „Zugriff auf Ersatzteile aller Anlagenhersteller“ sichert (siehe Interview rechts).

Die Aufträge kommen von Kunden, die gezielt die Dienste der erfahrenen Rückbauer bestellen und darauf auch schonmal ein paar Monate zu warten bereit sein sollen. Richtig ist aber auch, dass Kronfuß gerne mehr Personal einstellen würde. Doch der Corona-Virus hat infolge der Pandemieschutzmaßnahmen die Mitarbeitersuche erschwert.

Die vom RDR Wind geförderten Standards machen Rückbau mehr und mehr zum bundesweiten, sogar internationalen Geschäft. Auch klassische Windpark-Wartungsdienstleister wie Deutsche Windtechnik entwickeln schon einen Repowering-Dienst. Jüngster Erfolg war im März 2021 der Rückbau des Windparks Gerbstedt und dessen neun 1,5-MW-Turbinen von GE. Die Bremer verkauften „einen Großteil der Anlagen direkt weiter“.

Insbesondere technische Bewertung und Wert-ermittlung der Altanlagen darf als Kernkompetenz der Deutsche Windtechnik gelten. Auch die Ersatzteilversorgung für Altanlagen kann das marktführende Wartungsunternehmen zusichern. 

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