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Große Windparks wieder da

Tilman Weber

Lieblingsprojekte wolle das Unternehmen keine nennen, sagt Enercon-Sprecher Felix Rehwald. Das ostfriesische Windturbinenunternehmen wolle den Eindruck vermeiden, mit dem Benennen eines deutschen Vorzeigeprojektes aus 2021 die anderen zahlreichen Enercon-Kunden geringer zu schätzen. Doch mit dem Windpark Fehndorf/Lindloh an der niedersächsisch-niederländischen Grenze hat es das leistungsstärkste Windkraftfeld unter den bundesweiten Windpark-Neuinstallationen des vergangenen Jahres errichtet: 16 Anlagen vom Typ E-138 EP3 E2 und 67 Megawatt (MW) Gesamtnennleistung. Zusätzlich ist Fehndorf/Lindloh ein mit öffentlichen Geldern gefördertes Modellprojekt, das die Wind-energienutzung technologisch, wirtschaftlich und gesellschaftlich neu aufstellt und die Grundlage des Enercon-Erfolgs gut veranschaulicht.

Der langjährige Deutschlandmarktführer Enercon ist gemäß Auswertung des offiziellen Marktstammdatenregisters durch die Berliner Fachagentur Windenergie an Land mit 34,7 Prozent Marktanteil oder 668,8 MW neu installierter Erzeugungskapazität nach zwei Jahren hinter Hauptwettbewerber Vestas wieder auf Platz eins vorgerückt. Wie zudem die Branchen-Standardauswertung der Deutschen Windguard besagt, geschah das in einem ohnehin zunehmenden Markt: So installierten die Wind-energieunternehmen 2021 brutto 1.925 MW nach 1.431 MW im Jahr davor. Mit dem Plus um ein halbes Gigawatt (GW) beschleunigte die Branche das Wiederanfahren des Geschäfts noch einmal. Im Neustartjahr 2020 hatte es zum vorangegangenen Krisenjahr nur rund 350 MW betragen – 2019 war das historisch schlechteste Onshore-Jahr in Deutschland seit Einführung des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG) im Jahr 2000. Dabei puscht nun nicht nur das Interesse der Investoren an immer leistungsstärkeren Turbinentypen von im Schnitt schon 3,98 MW. Auch auf den Baustellen nahm die Betriebsamkeit weiter zu: Nach 420 Turbinen 2020 errichteten die Unternehmen nun 484 Anlagen neu. Wie im Vorjahr bauten sie etwas mehr als 200 MW an leistungsschwächeren Altturbinen ab.

Modellwindpark mit Wasserstofferzeugung

Fehndorf/Lindloh repräsentiert den Erfolg durch seine breit angelegte geschäftliche Grundlage: So erhöhte eine wirtschaftliche Beteiligung von Bürgern der Region an elf der Anlagen die Akzeptanz im Genehmigungsprozess. Ein in den Windpark eingebundener Zwei-MW-Batteriespeicher steigert künftig die regionale Grünstromversorgung der Stadt Haren, zu der die Orte Fehndorf und Lindloh gehören, auf 75 Prozent. Und zwei Ein-MW-Elektrolyseure sollen in Zeiten überschüssigen Windaufkommens mit parkeigenem Strom grünen Wasserstoff produzieren. Das Nutzungskonzept sieht den Wasserstoff zum Betanken spezieller landwirtschaftlicher Traktoren vor – oder zum Einspeisen ins reguläre Erdgasnetz, also fürs Heizen oder Kochen mit Gas. Fördergelder der Europäischen Union und des Landes Niedersachsen ermöglichen die Wasserstoffanlage. Denn Elektrolyseure könnten nach Einschätzung der neuen Bundesregierung die Windkraft noch wirtschaftlicher werden lassen und klimaschädliche Kohlendioxid-Emissionen im Verkehr senken. Das Modellprojekt sieht sogar die Einbindung des Windparks in eine grenzüberschreitende regionale Vollversorgung mit grüner Energie bis zur niederländischen Nachbarstadt Emmen vor.

Wie das Vielfältigkeitsprojekt illustriert, kommen gerade bei intelligent kombinierten Stromvermarktungskonzepten und klug austarierter wirtschaftlicher Beteiligung regionaler Akteure auch wieder Großwindparks ans Netz. Diesen Schlüssel hatten viele Windturbinenhersteller und Projektierer genutzt, insbesondere Enercon. Beispiel Windpark Bruchhagen mit 14 Anlagen des 4-MW-Typs E-126 und 64 MW Gesamtkapazität: Hier legte das Projektierungsunternehmen Westwind über einen von der örtlichen Kreissparkasse herausgegebenen risikolosen Sparkassenbrief allen Anwohnern ein Beteiligungsangebot von bis zu 30.000 Euro zu vier Prozent Festverzinsung vor.

So weist das Marktstammdatenregister einen Jahreszubau von zweieinhalb Dutzend Windparks mit mindestens 20 MW Nennleistung aus. Zugleich nahm der Anteil der im Jahr davor überwiegenden Einzelanlagen oder Turbinenkleinstgruppen mit zwei oder drei Maschinen auf 40,7 Prozent ab. Und während im Vorjahr ein zeitlicher Rückstand in der Markteinführung jetzt vorherrschender Anlagengenerationen mit vier und mehr MW den Enercon-Aufschwung deutlich bremste, war nun die Enercon-Turbine E-138 mit 4,2 MW Nennleistung bei 83 Installationen die mit Abstand erfolgreichste Anlage (siehe Tabelle Seite 31).

Allerdings war 2021 auch ein Jahr enttäuschter höherer Erwartungen. Mitte Januar hatten die Wind-
energieorganisationen Bundesverband Windenergie und VDMA Power Systems das klare Verpassen ihrer Prognose von Anfang 2021 über 2,0 bis 2,5 GW Windkraftzubau einräumen müssen. Ursächlich sind viele auf 2022 verschobene Projekte. So sahen sich die Ausbauteams durch unterbrochene globale Lieferketten gebremst, durch Beschränkungen der Beweglichkeit infolge der Schutzmaßnahmen gegen die Coronapandemie, durch Umgenehmigungen der nach jahrelangen Genehmigungsverfahren technologisch überholten Projekte auf leistungsstärkere neue Turbinentypen und durch neue Klagen gegen genehmigte Windparks. Enercon-Sprecher Rehwald bestätigt: Fertigungen in Asien konnten nicht wie geplant starten, Genehmigungsbehörden waren durch Coronaschutzmaßnahmen in ihren Bewegungsradien und damit in der praktischen Zulassungsprüfung gebremst, Komponenten und Kleinteile für die Turbinen wie Chips zur Steuerung von Sensoren waren als Massenware knapp, Personal für Aufbauteams nur schwer zu bekommen und Schiffstransportkapazitäten fehlten.

Projektstau löst sich auf

Doch weil zugleich vielerorts die von der Politik nun wieder ermutigten Genehmigungsbehörden Staus in langwierigen Genehmigungsverfahren auflösten, war dennoch plötzlich Erstaunliches möglich. Davon profitierte augenscheinlich Siemens Gamesa. Das Unternehmen erhöhte den Marktanteil erstmals wieder auf sein deutsches Vorkrisenjahr-Niveau, auf 4,5 Prozent wie 2018: Der Deutschlandmarkt-Fünfte installierte 21 Anlagen mit 86 MW, davon 16 in den Windparks Bramstedt in Schleswig-Holstein und Letter Bruch in Niedersachsen. In beiden gingen noch Turbinen der seit 2018 nicht mehr beworbenen getriebelosen Direktantriebsserie ans Netz – mit 130 und 142 Meter Rotordurchmesser und mehr als vier MW. Für Aufmerksamkeit sorgte das vom nordrhein-westfälischen Projektierer SL Naturenergie entwickelte Vorhaben Letter Bruch, das durch hohe finanzielle Beteiligung der Bürger der Region punktete. Erste Turbinen des 52,8-MW-Windfeldes waren 2020 ans Netz gegangen.

Auch bei Vestas hat die Errichtung wieder größerer Windparks 2021 die Beibehaltung des stabilen Aufwärtskurses erlaubt. Mit rund 100 MW mehr als im Jahr davor installierten Vestas-Bautrupps neue Turbinen einer Erzeugungskapazität von 594 MW – was dennoch das prozentuale Tortenstück der Dänen am Gesamtmarkt von 35 auf 30,9 Prozent schwinden ließ. Den Vestas-Zuwachs garantierten nicht zuletzt zehn Windparks ab 20 MW. Mit 43 MW war Günthersdorf in Brandenburg das größte Vestas-Projekt des Jahres. Als Besonderheit lässt sich aber auch der brandenburgische Trianel-Windpark Spreeau in Gestalt acht sehr großer 4,2-MW-Anlagen mit 150 Meter Rotordurchmesser werten. Das mehreren Stadtwerken gehörende Unternehmen Trianel entwickelte das Vorhaben in Kooperation mit Projektierer Abo Wind. Der Windpark ergänzt den 2016 entstandenen, räumlich nur durch eine Autobahn getrennten Abo-Wind-Windpark Uckley Nord mit Nordex-Windturbinen. Trianel hatte Uckley Nord 2020 gekauft. Nun verfügen Stadtwerke dort über ein mittels einer Brücke vereintes Windkraftfeld von 66 MW, das einen kostengünstigen Wartungsservice erlaubt.

Die starke Verankerung des dänischen Weltmarktführers bei Kunden in Brandenburg war zudem die Basis des Vestas-Erfolges. Alleine 56 der 149 im vergangenen Jahr in Deutschland onshore errichteten Vestas-Turbinen stehen nun in dem ostdeutschen Bundesland, in dem das Unternehmen bis 2021 eine Rotorblattfabrik betrieb.

Auszuzahlen begann sich auch der frühe Start in der Entwicklung der neuesten Anlagengeneration von Fünf- bis Sechs-MW-Anlagen. So errichteten die Dänen eine Handvoll an Gruppierungen von zwei bis vier Anlagen der Windturbinenplattform Enventus mit jeweils 5,6 MW Nennleistung – insgesamt 15 Anlagen mit 84 MW. Vorerst kam nur die Variante V150 zum Einsatz. Größere Enventusturbinen mit auch 162 Meter Rotordurchmesser und bis zu 6,8 MW testet Vestas noch am Prototyp in Dänemark. Aber auch die im Branchenvergleich ebenfalls früh entwickelte Vorgängerversion der V150 mit 4,2 MW punktete 2021 durch 53 Installationen. Offenbar war Vestas kaum von Verschiebungen in den Zeitplänen der Windparkerrichtungen betroffen, wie das Unternehmen antwortet.

Den Vorteil der frühen Markteinführung konnte Turbinenbauer GE 2021 erstmals auch in statistisch relevanter Größenordnung für sich nutzen. 35 Exemplare der mit einer 4,8-MW-Variante eingeführten GE-Anlagenplattform Cypress ließ die deutsche Windkraft-Europazentrale des US-Konzerns hierzulande 2021 schon errichten. Während die Turbinen 2021 nur noch als 5,3-MW-Variante oder schon neun Mal in Einzelerrichtungen oder Zweiergrüppchen als 5,5-MW-Anlage in die Höhe wuchsen, brachte Cypress dank der großen Nennleistung damit mehr als 185 MW in die GE-Errichtungsbilanz ein. Mit 245,9 MW erhöhte sich GE´s Marktanteil um erneut drei Prozentpunkte auf nun 12,8 Prozent.

In den jeweils mehr als 30 MW starken niedersächsischen Windparks Hanstedt-Wriedel und Albringhausen konnte das Unternehmen erstmals die Superanlagen zu größeren Windenergiefeldern gruppieren. Allerdings stößt GE auch mit den neuen Supermaschinen an die Grenzen der ausgewiesenen Windenergievorranggebiete. Zwar fordern Experten und Bundesregierung unisono die Ausweisung von zwei Prozent der Landesfläche zur Windkraftnutzung. Doch bisher sind nur Schleswig-Holstein und Hessen so weit. So benennt der für Zentraleuropa zuständige GE-Verkaufschef Klaus Rogge als „das größte Projekt im deutschsprachigen Raum“ im vergangenen Jahr ein 30-Anlagen-Feld mit gewaltigen 155 MW – in Österreich. Der Anlagenpark aus 240 Meter hohen 5,5-MW-Cypressturbinen nutzt die benötigte Großfläche am Standort Pannonia/Gols im flachen Land um den Neusiedler See an der Grenze zu Ungarn.

Zahlreiche verschobene Projekte

Fast holte das weiterhin viertplatzierte GE den drittwichtigsten Turbinenbauer in Deutschland erstmals ein. Doch Nordex erhöhte vor allem in der zweiten Jahreshälfte die Errichtungsaktivitäten und installierte 285 MW, fast 70 MW mehr als 2020. Der Marktanteil verharrte nur knapp unterhalb des Vorjahreswertes bei erneut rund 15 Prozent.

Der gewohnte Deutschlandmarktdritte hätte allerdings nach eigenen Angaben viel mehr dazu gewinnen können. Er musste wegen der branchenweiten Logistik-, Personal- und Materialengpässe und der Verzögerungen bei Baugenehmigungen sogar eine Halbierung der ursprünglich geplanten Errichtung von 140 Anlagen hinnehmen, wie Pressesprecher Felix Losada betont. Die Bauteams hätten 2021 allerdings schon 105 Anlagen installiert, für mehr als 30 davon den Netzanschluss aber nicht mehr vor Jahresende abschließen können. „Insbesondere Engpässe bei elektrotechnischen Komponenten“ benennt Losada.

Während Nordex im September den Prototyp der innerhalb Deutschlands nun größten Landwind-Turbine errichtet hatte, hatte Siemens Gamesa im Dezember mit dem Fundamentebau für die ersten zwei eigenen Superturbinenmodelle hierzulande begonnen. Die Nordex-Testanlage im schleswig-holsteinischen Bürgerwindpark Janneby hat 163 Meter Rotordurchmesser und vorerst 5,7 MW Nennleistung. Siemens Gamesa treibt nun die Errichtung zweier SG 155-6.6 MW mit 6,6 MW im schleswig-holsteinischen Nortorf voran. Allerdings betreibt das Unternehmen schon einen Prototyp in Schweden mit 170 Meter Rotordurchmesser.

Mit 1,7 und 0,7 Prozent Marktanteil blieben die Hersteller Vensys und Eno Energy weiterhin fast ohne Einfluss auf den deutschen Markt. 

... Die beiden Anlagen vom Typ SG 6.6-155 entstehen im schleswig-holsteinischen Nortorf.

Foto: Siemens Gamesa

... Die beiden Anlagen vom Typ SG 6.6-155 entstehen im schleswig-holsteinischen Nortorf.

Meist- Installierte Turbinentypen (Inbetriebnahmen 2021 in Deutschland)

E-138 Enercon 83

V150 Vestas 53

V136 Vestas 49

E-126 Enercon 45

4.8/5.3/5.5-158 GE 35

N149 Nordex 30

V126 Vestas 30

N117 Nordex 24

E-115 Enercon 20

E-101 Enercon 19

N-131 Nordex 16

Erstbegehung des neuen Windparks Letter Bruch, der nach noch einmal neun neuen Anlagen mit je 4,1 Megawatt (MW) zusammen mit 2020 schon errichteten Anlagen 52,8 MW stark ist. Coesfelds Bürgermeisterin Eliza Diekmann lässt sich vom Projektierer die Dimensionen und Technologie erklären.

Foto: SL Naturenergie

Erstbegehung des neuen Windparks Letter Bruch, der nach noch einmal neun neuen Anlagen mit je 4,1 Megawatt (MW) zusammen mit 2020 schon errichteten Anlagen 52,8 MW stark ist. Coesfelds Bürgermeisterin Eliza Diekmann lässt sich vom Projektierer die Dimensionen und Technologie erklären.
Montage eines Rotors mit 142 Meter Durchmesser: Im Windpark Letter Bruch bei Coesfeld kamen noch einmal Direktantriebsturbinen ohne Getriebe von Siemens Gamesa zum Einsatz, die der Hersteller für Windparks an Land aus der Vermarktung genommen hat.

Foto: SL Naturenergie

Montage eines Rotors mit 142 Meter Durchmesser: Im Windpark Letter Bruch bei Coesfeld kamen noch einmal Direktantriebsturbinen ohne Getriebe von Siemens Gamesa zum Einsatz, die der Hersteller für Windparks an Land aus der Vermarktung genommen hat.

Meist-Genehmigte Turbinentypen (noch nicht errichtet)

N149 Nordex 231

V150 Vestas 217

E-138 Enercon 152

V162 Vestas 127

E-115 Enercon 113

5.3/5.5-158 GE 99

N117 Nordex 97

V136 Vestas 96

V126 Vestas 95

E-126 Enercon 54

N-131 Nordex 50

E-160 Enercon 42

N133 Nordex 38

E-147 Enercon 30

SG.5.8-155 SGRE 28

Marktanteile

Grafik: eigene Darstellung, Quelle: FA Windenergie an Land

Wie sich die Wind-energieanlagenhersteller 2021 den deutschen Onshore-Markt aufteilten. Ranking in Prozent: 1. Enercon (E), 2. Vestas (V), 3. Nordex (N), 4. GE, 5. Siemens Gamesa mit 4,5, 6. Vensys mit 1,7, 7. Eno mit 0,7 Prozent.

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