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Kein sauberer H2-Betrieb ohne grünen Strom

Fabian Kauschke

Dass Wasserstoff in den letzten Jahren einen starken Anstieg an Popularität und Diskussionswürdigkeit erlebt hat, ist nicht nur eine gefühlte Entwicklung, sondern kann beispielsweise anhand des Suchvolumens in bekannten Suchmaschinen erkannt werden. So hat sich die Menge an Internetrecherchen für das Wort „Hydrogen“ seit 2019 etwa verdreifacht bis vervierfacht. Der chemische Prozess zur Entstehung von Wasserstoff und dessen Einsatz in der Industrie blicken jedoch bereits auf eine jahrhundertealte Geschichte zurück. Noch vor dem Ende des 19. Jahrhunderts wurde im hessischen Griesheim die erste Chloralkali-Elektrolyse in Betrieb genommen. Obwohl das Grundprinzip der Elektrolyse bis heute ein ähnliches ist, haben sich die Motive der Produktion und der Energiegewinnung in den letzten Jahren stark verändert. Wurde in der Vergangenheit konventioneller Strom zum Betrieb verwendet, werden aktuelle Elektrolyseanlagen für die Produktion von grünem Wasserstoff mithilfe von erneuerbaren Energien ausgelegt. Wind- und Solarenergie verfügen jedoch über andere Eigenschaften in der Erzeugung und der Verfügbarkeit als Kohle und Gas. Daher müssen sich Betreiber von Elektrolyseanlagen an die Gegebenheiten der erneuerbaren Energien anpassen. Was bedeutet das für den Betrieb von Elektrolyseuren?

Die Zertifizierung von Wasserstoff als grün erhöht die Komplexität bei der Produktion.

Schwankungen beeinträchtigen Produktion

Das Chemieunternehmen Nobian betreibt in den Niederlanden und in Deutschland insgesamt fünf Chlor­alkali-Elektrolyseanlagen, die in der Lage sind, grünen Wasserstoff zu produzieren. Das Werk in Rotterdam, das bereits seit den 1980er-Jahren im Einsatz ist, wurde in den letzten Jahren für den Einsatz von erneuerbaren Energien modernisiert und ist aktuell funktionsfähig, grünen Wasserstoff nach der ISCC-EU-Zertifizierung für erneuerbare Kraftstoffe nicht biologischen Ursprungs zu erzeugen. Damit erhielt Nobian im April 2025 als erstes Unternehmen in Europa eine Zertifizierung für eine Großanlage mit einer Leistung von über 100 Megawatt. Ebenso wird die Elektrolyseanlage in Frankfurt für die Zertifizierung vorbereitet. Um offiziell als grün nach den Verordnungen der Europäischen Union deklariert zu werden, muss der Wasserstoff vollständig und zeitgleich von Strom aus Windenergie- oder Solaranlagen versorgt werden. Ein Teilbetrieb ist somit nicht möglich. Schwankungen, die beispielsweise im Betrieb von Windenergieanlagen entstehen, können für die Elektrolyse nicht einfach mit konventionellem Strom ausgeglichen werden. „Die Fluktuationen in Produktion und Lieferung von grünem Wasserstoff sind eine direkte Folge davon, wie Produktion und Energieversorgung funktionieren. Das erschwert den Verkauf des Produkts an Kunden, da kein genau definiertes Lieferprofil garantiert werden kann. Die Erzeugung ist immer ein wenig davon abhängig, wie stark der Wind weht“, sagt Julien Courtois, Manager für Product Development Hydrogen bei Nobian.

Dazu kommt, dass sich das Produktionsvolumen des Chemieunternehmens aus den Chlor­alkali-Elektrolyseanlagen nicht nur nach grünem Wasserstoff richtet, sondern vor allem nach dem Bedarf für Chlor, das ebenfalls bei der Elektrolyse entsteht. Die Nachfrage nach Chlor sei dabei der bestimmende Einfluss. Das liegt daran, dass Chlor nicht in großen Mengen gelagert werden kann und somit regelmäßig verkauft werden muss.

Lieferverträge über lange Zeiträume

Damit unterscheidet sich grüner Wasserstoff in der Verfügbarkeit von herkömmlichen Gasen, die beispielsweise in der Industrie verwendet und aus fossilen Brennstoffen gewonnen werden. „In einem Gasvertrag garantiert man einem Kunden in der Regel eine bestimmte Durchflussmenge. Bei grünem Wasserstoff haben wir eine alternative Lösung gefunden, um die Besonderheiten bei der Produktion abzufedern“, so Courtois. Die Ziele von Kunden für den Einsatz von grünem H2 seien jedoch darauf ausgelegt, eine bestimmte Menge über einen längeren Zeitraum zu verwenden. Das ist zum Beispiel der Fall, wenn Dekarbonisierungsmaßnahmen für ein Jahr nachgewiesen werden. Dieser Umstand der Verfügbarkeit wird in den Lieferverträgen berücksichtigt und hilft somit dem Produzenten. „Wir vereinbaren eine Menge über einen längeren Zeitraum, wodurch wir diese Schwankungen im Wesentlichen eliminieren oder zumindest genauer vorhersagen können“, bestätigt Julien Courtois. In Zukunft verspricht die Speicherung des Gases, wie beispielsweise in Salzkavernen, eine Möglichkeit, die Unregelmäßigkeiten von grünem Wasserstoff auszugleichen. Ein Modell, das in 10 bis 15 Jahren in den aktiven Anwendungen sein könne.

Mehr Strom, als man braucht

Die Erzeugungsvariabilität des Stroms aus Wind und Sonne führt zudem zu einer Fragestellung auf der wirtschaftlichen Seite. „Wenn wir jederzeit 100 Prozent erneuerbaren Strom haben wollen, müssen wir tatsächlich deutlich mehr vertraglich vereinbaren, als wir brauchen, weil wir mit der Grundlast laufen, aber der Wind schwankt. Wenn man also sichergehen will, dass man 100 Prozent hat, muss man, wenn es weniger ist, über dem Grundlastprofil liegen. Das bedeutet, dass man am Ende viel mehr Strom bezieht, als man braucht“, sagt Julien Courtois. Die dabei entstehenden Kosten spiegeln sich zusammen mit dem Strompreis und den Netzgebühren im Preis von grünem Wasserstoff wider. Dieser ist im Vergleich zu grauem Wasserstoff zwei- bis dreimal so hoch.

Wir vereinbaren eine Menge über einen längeren Zeitraum, wodurch wir Schwankungen im Wesentlichen eliminieren oder zumindest genauer vorhersagen können.

Julien Courtois, Manager für Product Development Hydrogen bei Nobian

Langlebigkeit durch Membranaustausch

Einen Vorteil hat grüner Wasserstoff dennoch im Betrieb: Die Langlebigkeit von Elektrolyseuren kann durch den Austausch einzelner Bestandteile immer wieder erhöht werden. Die Membranen, in denen die chemische Reaktion für die Herstellung von Wasserstoff durchgeführt wird, verlieren über die Zeit an Effizienz. Dieser Prozess findet bei alkalischen Elektrolyseuren sowie bei der Wasser­elektrolyse statt. Der Austausch der Membranen ist Teil von vorgeplanten Wartungen, wodurch die Effizienz und das Produktionsvolumen auf einem konstanten Niveau gehalten werden. Überprüft wird dies mithilfe von Monitoringsystemen, die den Stromverbrauch der Elektrolyseure und die Menge an entstehendem Gas kontrollieren. Somit bleibt die Elektrolyse über längere Zeit einsatzbereit und muss nicht wie eine Windenergieanlage nach 20 bis 30 Jahren vollständig ersetzt werden. 

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