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So wird die Gasinfrastruktur fit gemacht für Wasserstoff

Deutschlands Energiewende steht an einem entscheidenden Punkt: Neben dem Ausbau erneuerbarer Stromquellen soll auch Wasserstoff als Energieträger eine tragende Rolle übernehmen. Damit dies gelingt, muss die bestehende Erdgasinfrastruktur umfassend umgerüstet werden. Bis 2032 soll das Gasverteilnetz für den Betrieb mit Wasserstoff vorbereitet sein, bis 2045 ist die vollständige Umstellung vorgesehen. In der Praxis bedeutet das, dass Leitungen, Verbindungssysteme sowie Regel- und Messanlagen auf ihre Wasserstofftauglichkeit geprüft und gegebenenfalls ersetzt werden müssen.

Wasserstoff als Herausforderung für bestehende Systeme

Wasserstoff ist kein einfacher Energieträger. Seine geringe Dichte und hohe Diffusionsgeschwindigkeit führen dazu, dass er leichter entweicht als Methan und eine erhöhte Explosionsgefahr besteht. Hinzu kommt das Risiko der Wasserstoffversprödung bei bestimmten Werkstoffen. Für den sicheren Betrieb sind daher deutlich höhere Anforderungen an Dichtheit, Materialauswahl und Verbindungstechnik zu erfüllen.

Für die Zulieferindustrie bedeutet das eine grundlegende Neuorientierung: Produkte, die jahrzehntelang im Erdgasnetz zuverlässig funktioniert haben, müssen neu bewertet werden. Ob Rohrleitungen, Verschraubungen oder Messanlagen – jedes Bauteil ist potenziell ein Schwachpunkt, wenn es nicht auf Wasserstofftauglichkeit geprüft wurde.

H2Ready: Fehlende Einheitlichkeit als Risiko

Die vermeintliche Lösung ist dabei gleichzeitig die Herausforderung: der Begriff „H2Ready“. Denn die Frage, was genau hinter „H2Ready“ steckt, ist derzeit nicht eindeutig beantwortet. Obwohl sich das Schlagwort in Politik, Wirtschaft und Industrie etabliert hat, gibt es bislang keine einheitliche Definition oder Zertifizierung.

Ein wesentlicher Bezugspunkt ist das DVGW-Regelwerk G 221, das technische Standards zur Betriebssicherheit und Materialverträglichkeit vorgibt. Es regelt Prüf- und Zertifizierungsverfahren, mit denen die Wasserstofftauglichkeit nachgewiesen werden soll. Allerdings ist der Begriff „H2Ready“ nicht geschützt – und wird von Herstellern sehr unterschiedlich verwendet.

In der Praxis kann das Label sowohl für Bauteile stehen, die für eine Beimischung von 10 bis 20 Prozent Wasserstoff ausgelegt sind, als auch für Komponenten, die für 100 Prozent Wasserstoff getestet wurden. Für Netzbetreiber und Betreiber stationärer Anlagen birgt diese Unschärfe erhebliche Risiken: Eine Infrastruktur ist immer nur so sicher wie ihr schwächstes Glied.

Die fehlende Klarheit über die Anforderungen von „H2Ready“ hat mehrere Konsequenzen. Zum einen erschwert sie Investitionsentscheidungen entlang der gesamten Supply Chain. Zum anderen kann sie im schlimmsten Fall die Betriebssicherheit gefährden, wenn Bauteile mit unterschiedlichem Schutzniveau in derselben Anlage kombiniert werden.

Erst wenn klar geregelt ist, was ‚H2Ready‘ tatsächlich bedeutet, lässt sich eine Gasinfrastruktur schaffen, die dauerhaft sicher, effizient und zukunftsfähig ist.

Technologische Wege in der Praxis

Um die Wasserstofftauglichkeit sicherzustellen, setzen viele Unternehmen auf umfangreiche Prüfungen. So hat Voss Fluid alle Prüfungen seiner Rohrverbindungssysteme auf den Betrieb mit 100 Prozent Wasserstoff ausgelegt und damit eine klare Position bezogen: Nur eine vollständige H₂-Tauglichkeit schafft langfristige Planungssicherheit. Dafür wurden Langzeittests unter erhöhtem Druck, Untersuchungen zur Wasserstoffversprödung und Zertifizierungen durch unabhängige Prüfinstitute durchgeführt. Ziel ist es, Komponenten zu entwickeln, die auch bei 100 Prozent Wasserstoff zuverlässig funktionieren.

Das Unternehmen hat seine Stahlkomponenten erfolgreich für den Einsatz mit Wasserstoff qualifiziert – ein Ansatz, der im Vergleich zu klassischen Edelstahlkomponenten neue Optionen eröffnet und erhebliche Vorteile in der Preisgestaltung mit sich bringt. Dabei spielt neben der Materialfrage auch die konstruktive Gestaltung der Verbindungssysteme eine Rolle. Optimierte Dichtkonzepte, korrosionsbeständige Beschichtungen oder redundante Dichtmechanismen sollen gewährleisten, dass Bauteile dauerhaft sicher betrieben werden können. Das Ergebnis ist ein geprüftes Portfolio an Systemen zur Leitungsverbindung, das die hohen Anforderungen an Sicherheit und Zuverlässigkeit in wasserstoffführenden Netzen erfüllt. In stationären Gasdruckregel- und Messanlagen, stationären und mobilen Verdichterstationen, Power-to-Gas-Anlagen sowie Filtrationssystemen kommen die klassischen 24°-DIN-Rohrverschraubungskomponenten, wie der Voss Ring M und Voss-Dichtkegelverschraubungen mit zusätzlicher gekammerter Peflex-Weichdichtung (Form E) besonders häufig zum Einsatz. Sie stellen daher zentrale Komponenten für die Umrüstung auf Wasserstoff dar.

Ein Blick nach vorn

Die politischen Zielvorgaben zur Transformation sind klar formuliert – die Umsetzung in der Praxis ist jedoch komplex. Auch wenn Unternehmen hier unterschiedliche technologische Ansätze verfolgen, ist klar: Ohne innovationsstarke Zulieferer wird die Umrüstung der Gasnetze nicht gelingen.

„H2Ready“ ist mehr als ein Schlagwort – es ist eine notwendige Voraussetzung für die Energiewende. Doch solange der Begriff nicht einheitlich definiert ist, bleibt er unscharf und birgt Risiken für Betreiber wie für Hersteller. Für Deutschland und Europa bedeutet das: Neben technischen Innovationen braucht es dringend verbindliche Standards, die für Klarheit sorgen. Erst wenn klar geregelt ist, was „H2Ready“ tatsächlich bedeutet, lässt sich eine Gasinfrastruktur schaffen, die dauerhaft sicher, effizient und zukunftsfähig ist.

Johannes ­Wagner,
Technischer Geschäfts­führer bei Voss in Polen