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Rekordfahrt der Container-Turbinen

Um nicht weniger als erneut um die besten Startplätze ringen die Offshore-­Windturbinenbauer nun. Sie wollen jeweils am schnellsten die ertragreichsten Meeres-Windenergieanlagen in den Markt bringen. Nachdem die Unternehmen, die derartige Anlagen für Meereswindparks herstellen, jüngst noch mit Offshore-Typen von 10 und mehr Megawatt (MW) Nennleistung um Aufträge warben, tun sie es bald mit Typen mit 15 oder mehr MW. Es bleibt ein Wettbewerb um die besten Antriebstechnologien, aber auch um klügere Standardisierung.

Das jüngste Fanal setzte hierbei Siemens Gamesa. Anfang Oktober meldete das Unternehmen die Nonstop-Volllast-Stromerzeugung binnen 24 Stunden der aktuell leistungsstärksten und größten schon betriebenen Windenergieanlage der Welt. Die SG 14-222 fuhr die Rekordstromernte in einem 24-Stunden-Zeitraum von 359 Megawattstunden (MWh) ein. Das entsprach 15 MWh pro Stunde, wonach Siemens Gamesa den neuen Anlagentyp an seinem Nordseestandort, im dänischen Testfeld Østerild, im Power-Boost-Modus betrieben hatte: An geeigneten Standorten lassen Siemens-Gameasa-­Ingenieure die für mindestens 14 MW konzipierte Turbine mit bis zu 15 MW rotieren, wenn die Umgebungsbedingungen im Wind oder das Betriebskonzept der Eigentümer dies ohne zu schnelle Alterung der Anlage zulassen. Den bisherigen 24-Stunden-Rekord hatte im November 2020 noch Wettbewerber GE mit einem bei 13 MW betriebenen 12-MW-Modell der Turbinenbauplattform Haliade-X eingefahren. Diese Anlage hatte an ihrem Teststandort im Hafen Rotterdam nach 24 Stunden Volllast 312 MWh auf der Anzeige stehen.

359 Megawattstunden erzeugte erstmals eine Wind­energieanlage alleine binnen eines Tages. Den Rekord erreichte eine getriebelose Siemens-Gamesa-­Anlage mit 222 Meter Rotordurchmesser und 15 Megawatt Nennleistung nach 24 Stunden Volllastbetrieb.

Die technologische Bedeutung der neuen Rekordfahrt dieses Offshore-Prototyps dürfte allerdings nicht so leicht ohne weitere Informationen seitens der Anlagenhersteller einzuschätzen sein. Hängt die 24-Stunden-Auslastung doch vor allem vom guten Windaufkommen ab. Allerdings können die Windturbinenbauer die Auslastung ihrer Anlagen steigern, indem sie diese mittels längerer Rotorblätter weiter ausgreifen lassen. Dann erreichen sie schon bei geringerem Wind und somit häufiger die Volllast. So wird Siemens Gamesa den Prototyp in Østerild noch dieses Jahr mit einem neuen Rotor mit 236 Metern Durchmesser ausstatten .

Während Siemens Gamesa noch keine Daten zur angestrebten Auslastung des neuen Flaggschiffes verbreiten will, geben GE und auch das den Weltmarkt anführende dänische Windturbinenunternehmen Vestas eine Auslastung ihrer aktuellen Großanlagen mit mehr als 60 Prozent an. So soll das jüngste Haliade-X-Modell mit 14 MW Nennleistung an gewöhnlich guten See-Windstandorten 74 Gigawattstunden (GWh) jährlich einbringen. Das kurz vor der Prototyperrichtung stehende Vestas-Modell V236 mit 15 MW Nennleistung zielt wie die Siemens-Gamesa-Anlage auf 80 GWh. Beides entspräche rechnerisch 5.300 Volllaststunden – also 60,5 Prozent der 8.760 kalendarischen Jahresstunden. Auch der Prototyp der V236 ist für Ende des Jahres noch angekündigt, zumindest dessen Installation soll noch 2022 beginnen.

20-Megawatt-Kurs? Typen mit fast 17 MW

Statt durch höhere Auslastung der Anlagentypen können Windturbinenhersteller ihren Kunden die Rekordernten auch mittels immer leistungsstärkerer Anlagentypen in Aussicht stellen. So wollen die chinesischen Anlagenbauer Mingyang und CSSC Hai­zhuang noch 2022 Prototypen ihrer neuen Offshore-­Windkraft-Flaggschiffe installieren. Mingyang hat das erste Modell davon mit 16,6 MW Nennleistung ausgelegt und mit einem Rotor von 242 Meter Durchmesser. Die Windkraftsparte Haizhuang im Schiffsbaukonzern CSSC baut eine Pilotanlage mit 16,7 MW und 256 Meter Rotordurchmesser. Zumindest Mingyang gibt auch an, dass das eigene Modell mit 1,7 MW mehr Nennleistung als die neue Vestas-­Turbine dieselben 80 GWh einfahren sollte.

60,5 Prozent Kapazitätsfaktor an einem normal guten Offshore-Standort in der Nordsee stellen die Herstellerfirmen Siemens Gamesa und GE ihren Kunden als Maß der Auslastung ihrer neuen Wind-energieanlagen in Aussicht.

Zugleich ist es ein Wettbewerb vier bis fünf verschiedener Antriebssysteme. Dabei unterscheiden sich die Modelle von Siemens Gamesa und GE als jeweils getriebelose Direktantriebsanlagen mit ihren dazugehörigen, durch zahlreiche Magnetpaare bestückten Ringgeneratoren noch in architektonischen Details, aber kaum funktionell. Die neuen Offshore-Windenergie-Riesen von Vestas, Mingyang und CSSC unterscheiden sich zwar allesamt davon durch ihr Getriebe als Gemeinsamkeit. Aber sie haben untereinander mehr Potenzial zur Differenzierung. So setzt Vestas auf ein Kompaktgetriebe in drei Planetenstufen mit mittelschneller Generatordrehzahl. CSSC hat Generator und Getriebe so eng zusammengesteckt, dass das Unternehmen selbst von einem Kompaktgetriebe spricht, das dennoch eine hohe Generatordrehzahl erreicht. Mingyang nutzt den Super Compact Drive (SCD). Diesen hatte der deutsche Ingenieurdienstleister Aerodyn entwickelt. Der SCD-Antrieb spart Raum und Gewicht, indem er das Hauptlager unmittelbar ans Getriebe andockt. So leitet diese Antriebsarchitektur auch Lasten und Querkräfte aus dem Rotor direkt in die Tragstrukturen des Triebstrangs ab und übersetzt diese in pure, saubere Rotation ins Getriebe.

Entscheidender allerdings für den wirtschaftlichen Erfolg der neuen Anlagenplattformen dürfte der Grad der Standardisierung ihrer Anlagenbauteile sein. So hat besonders Vestas das Maschinenhaus schon weitgehend in Containerbauform ausgelegt. Bauteile lassen sich hier gut modular einsetzen. Eine Standardisierung der Bauteile hilft, so viele davon wie möglich industriell in großen Stückzahlen und günstig zu beziehen.
Tilman Weber

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