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Doppelrotoren-Schwimmturbine

Ein Rotorumlauf, zwei Generatordrehungen

„One for two for free“, benennt World-Wide-Wind-Technikchef Hans Bernhoff das lukrative Prinzip der gegenläufig rotierenden Vertikalachsenturbine. Eine für zwei, Mehrkosten-frei, so ließe sich dieser Vorzug des Counter-rotating vertical axis turbine (CRVT) genannten Designs einer schwimmenden Offshore-Windenergieanlage übersetzen: Zwei Windturbinen rotieren gegenläufig unter- wie übereinander auf einem Mast und bilden eine Anlage. Die Rotoren bestehen aus drei vom Mast abgespreizten Blättern. Dabei treibt der obere Rotor eine Welle an, die sich in dem eigentlichen Turm der Anlage dreht und an ihrem weit entfernten unteren Ende tief unter der Wasseroberfläche in einen Generator mündet. Sie ist dort als dessen innerer Läufer ausgestattet. Der untere Rotor ist mit dem Hauptteil des Turms verbunden und dreht diesen in gegenläufiger Richtung zur inneren Welle, um unter Wasser als Stator zu enden – den bei herkömmlichen Generatoren stehenden Teil der Stromerzeugungskomponente. Das Resultat ist eine Anlage, deren zwei Blattsätze bei jeder Drehung eine zweifache Generatorrotation erzeugen. Damit will das norwegische Unternehmen die Generatorgröße im Vergleich zu anderen direkt betriebenen getriebelosen Konzepten halbieren beziehungsweise die Generatorleistung verdoppeln.

Bernhoff ist ein schwedischer Wissenschaftler und Professor an der Universität Uppsala. Er hat vor 20 Jahren mit der Entwicklung des zweiten Prinzips der heutigen World-­Wide-Wind-Vertikalachsenanlage begonnen und dafür den Generator als besonders schwere Komponente in den tiefsten Punkt einer Windenergieanlage verlegt. Mit einem 2010 errichteten 200-Kilowatt-Prototyp eines Vertikalachsenrotors auf einem Holzturm hat er dessen wichtigsten Vorteil nachgewiesen. Demnach lässt sich beim Mast ohne die Last des Generators viel Material einsparen. Zusammen mit dem World-Wide-Wind-Gründer Stian Knutsen, dem die junge Unternehmenshistorie die Idee für den CRVT-Generatorantrieb zuschreibt, designte Bernhoff als Chief Technology Officer die schwimmende Turbine. Das 2021 gegründete Unternehmen hatte die gegenläufig rotierende Turbine bereits entworfen, bevor der schwedische Ingenieur dazugestoßen war. Unter Bernhoffs Mitwirkung entstand dann allerdings das heutige Modell: eine Anlage, die mit einem Teil der Schwimmboje und einem Drittel der Mastlänge unter der Wasseroberfläche sowie mit dem schweren Generator im Trockenraum am Grund des Turms das System im Meer ausreichend aufstellt und stabilisiert. Ihre Stahlseilverankerung zum Meeresboden setzt direkt an der Unterseite des Gehäuses um den Generator an.

Um auch die Gründung möglichst schlank zu designen, setzten die Norweger mit ihrem schwedischen Technikchef auf die Aerodynamik und Statik von Segelschiffen. World Wide Wind lässt die CRVT-Anlage sich wie die Segler neigen.

Die Entwickler versprechen Stromerzeugungskosten über die gesamte Laufzeit der Anlage hinweg von fünf Cent pro Kilowattstunde und damit auf einem um das Zweieinhalbfache geringeren Niveau als bei herkömmlichen schwimmenden Windturbinen derzeit noch absehbar. Außerdem sehen sie zunächst eine Skalierbarkeit bis auf 40 Megawatt (MW) pro Anlage vor. Im Mai hatten sie vom globalen Hochschul-Innovationsnetzwerk Netexplo die Auszeichnung Global Innovation Award dafür erhalten. Im Juni durfte das Unternehmen bei einem Treffen zur Präsentation der Offshore-Windkraft-Exportstrategie der norwegischen Regierung sein Konzept vorstellen. Noch in diesem Jahr testet es eine Miniaturanlage in einem See.Spätestens bis 2027 soll ein 1,2-MW-Prototyp ins Wasser gehen. 2028 oder 2029 würde eine Pilotanlage mit voraussichtlich 24 MW und etwas mehr als 250 Meter Höhe in der See festmachen.

Mit zwei weiteren Eigenschaften der Anlage will World Wide Wind zusätzlich punkten: Weil ein großes Gewicht des Generators im Tiefpunkt der Anlage sogar gewünscht ist, lassen sie die Beimischung der üblichen, aber teuren Seltene-Erden-Metalle in den im Läufer montierten Permanentmagneten weg. Stattdessen bauen sie mit dem wesentlich billigeren, aber schwereren Ferrit angereicherte Magnete ein. Und um die Rotorblattwurzeln von den Hebelwirkungen des Windes zu entlasten, klappen sie die im Modell fast zierlich anmutenden Flügel schräg nach oben, statt sie senkrecht vom Turm abzustellen. Dabei verknüpfen sie das Rotorblatt mit einer diagonalen Strebe an einer jeweils höheren Position am Mast und stützen es damit ab. Für nicht vorab informierte Betrachter mag das Design der Anlage wie zwei Aufspannkonstruktionen von Regenschirmen anmuten.

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